Leitsatz (amtlich)
Die Revision ist in der Regel auch dann begründet (SGG § 170 Abs 2), wenn eine Vorabentscheidung durch den EuGH in Betracht kommt eine weitere Sachaufklärung aber notwendig ist um die Erheblichkeit der Vorabentscheidung feststellen zu können.
Leitsatz (redaktionell)
Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen an eine deutsche Staatsangehörige, die in den Niederlanden lebt und der niederländischen Sozialversicherung angehört.
Normenkette
SGG § 170 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03; EWGVtr Art. 177; RVO § 1303
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. April 1972 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Klägerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; sie lebt seit einiger Zeit in den Niederlanden. Ihren Antrag auf Erstattung von zur Deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträgen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 17. Juli 1970 mit der Begründung ab, die Klägerin gehöre in den Niederlanden aufgrund des Gesetzes über die Allgemeine Witwen- und Waisenrente (AWW) bzw. des Gesetzes über die Allgemeine Altersversicherung (AOW) der niederländischen Sozialversicherung an. Nach den Vorschriften der "Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer" (EWG-VO Nr. 3) müßten Versicherungsverhältnisse, die in mehreren EWG-Mitgliedsstaaten zurückgelegt worden seien, als Einheit angesehen werden. Daher sei für die Klägerin die Versicherungspflicht nicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfallen. Es fehle also an einer der in § 1303 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Erstattung von Beitragsteilen normierten Voraussetzungen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil des SG Düsseldorf vom 17. September 1971), das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides zur Beitragserstattung verurteilt (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27. April 1972). In den Gründen der Entscheidung heißt es u. a.: Feststellungen über eine in den Niederlanden bestehende Versicherung der Klägerin seien entbehrlich. Eine Versicherung nach dem AOW oder dem AWW - ihr Bestehen unterstellt - könne nicht als Pflichtversicherung im Sinne des § 1303 Abs. 1 RVO angesehen werden. Die niederländische Volksversicherung gewähre nicht annähernd eine Rechtsposition, wie sie nach deutschem Recht vorhanden sein müsse, um einen Anspruch auf Beitragserstattung auszuschließen.
Mit in den Niederlanden zurückgelegten Versicherungszeiten könne die Klägerin kein Recht auf eine freiwillige Weiterversicherung in der deutschen Rentenversicherung nach § 1233 RVO erwerben. Auch diese Erwägung mache im Hinblick auf den zwischen der Regelung des § 1303 Abs. 1 RVO und der des § 1233 Abs. 1 RVO bestehenden engen Zusammenhang deutlich, daß die Beklagte zur Beitragserstattung verpflichtet sei.
Diese Entscheidung greift die Beklagte mit der Revision an. Sie meint, die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung könne zu einer Umgehung der EWG-VO Nr. 3 führen. Das in anderen Staaten der europäischen Gemeinschaft bestehende System der Sozialen Sicherheit dürfe nicht nach den für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Maßstäben beurteilt werden. Darauf, ob mit der Zugehörigkeit zu einer ausländischen Sozialversicherung ein Recht auf freiwillige Weiterversicherung nach § 1233 RVO in der Bundesrepublik begründet werden könne, komme es im vorliegenden Fall nicht an.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht vertreten.
Die Revision ist begründet.
Der Senat hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob seine Entscheidung von der Auslegung einer Rechtsvorschrift der Europäischen Gemeinschaft abhängig sein kann.
Stellt sich die Frage nach der Auslegung einer solchen Vorschrift, so ist ein Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verpflichtet (Art. 177 Abs. 1, 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 - EWG-Vertrag -). Die Möglichkeit, daß es zur Entscheidung des Rechtsstreits der Auslegung europäischer Rechtsnormen bedarf, vermag der Senat nicht auszuschließen. Es ist nicht sicher, daß der Beitragserstattungsanspruch allein nach deutschem Recht (§ 1303 Abs. 1 RVO) zu beurteilen ist und daß es offen bleiben kann, ob die Klägerin in den Niederlanden aufgrund der Vorschriften des AOW oder des AWW versichert ist.
Die Vorschrift des § 1303 RVO enthält nichts darüber, daß die Zugehörigkeit eines Versicherten zu einem ausländischen System der sozialen Sicherheit das Recht auf Beitragserstattung ausschließt. Die dort getroffenen Regelungen beziehen sich auf den innerstaatlichen Bereich. Wenn in § 1303 Abs. 1 RVO auf das Entfallen der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung abgestellt ist, so sind damit diejenigen Zweige der Rentenversicherung gemeint, die dem Regelungsbereich des innerstaatlichen Gesetzgebers unterliegen. Die gesetzgeberischen Motive für die Einfügung des § 1303 Abs. 1 RVO in das System der deutschen Rentenversicherung lassen erkennen, daß damit Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollten, die sonst innerhalb des Systems der Sozialen Sicherheit der Bundesrepublik auftreten könnten. Hierdurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Vorschrift von überstaatlichem Recht in einer für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutsamen Weise erfaßt wird. Gleiches gilt für die gesetzlich normierten Wechselbeziehungen zwischen Beitragserstattung und dem Recht auf freiwillige Weiterversicherung nach § 1233 RVO. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß die Beitragserstattung nicht schon dann in Betracht kommt, wenn die ausländische Pflichtversicherung nicht geeignet ist, das Recht auf freiwillige Weiterversicherung nach § 1233 RVO in der Bundesrepublik zu begründen. Die Verknüpfung zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen - entfallen der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung und Nichtbestehen eines Rechts auf freiwillige Weiterversicherung nach § 1233 RVO - ist kumulativer, nicht alternativer Natur. Für die Anwendbarkeit des § 1303 Abs. 1 RVO ist auch das Entfallen der Versicherungspflicht eine unerläßliche Voraussetzung. Mag die Klägerin also mit niederländischen Versicherungszeiten aufgrund des AOW bzw. des AWW kein Recht auf eine freiwillige Weiterversicherung nach § 1233 RVO erworben haben, so rechtfertigt dies allein noch keine Beitragserstattung nach § 1303 Abs. 1 RVO.
Die Frage, ob die Zugehörigkeit eines Versicherten zu einer ausländischen Sozialversicherung eine Beitragserstattung nach § 1303 Abs. 1 RVO ausschließt, läßt sich erst nach Prüfung zwischenstaatlichen bzw. supranationalen Rechts beantworten. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist die EWG-VO Nr. 3 in Betracht zu ziehen. Sie findet von ihrem sachlichen Geltungsbereich her auf die Vorschriften des AOW und des AWW Anwendung (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und d EWG-VO Nr. 3). Zwar ist nur das AOW entsprechend der Regelung des Art. 3 Abs. 1 EWG-VO Nr. 3 in den Anhang B zu dieser VO (Niederlande d) aufgenommen worden. Dies berechtigt jedoch nicht zu der Schlußfolgerung, daß die EWG-VO Nr. 3 auf die Vorschriften des AWW keine Anwendung finden dürfe. Nach Art. 1 Buchst. b der EWG-VO Nr. 3 werden als Rechtsvorschriften i. S. der EWG-VO Nr. 3 u. a. diejenigen bestehenden und zukünftigen Gesetze bezeichnet, die sich auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 EWG-VO Nr. 3 genannten Systeme und Zweige der sozialen Sicherheit beziehen. Die Notifizierung im Anhang B hat demgegenüber nur deklaratorische Bedeutung (EuGH SozR Nr. 2 zu Art. 1 EWG-VO Nr. 3). Da das AWW Rechtsvorschriften enthält, die sich auf Leistungen der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d EWG-VO Nr. 3 genannten Art beziehen und dieses Gesetz erst am 1. Januar 1959, also nach Inkrafttreten der EWG-VO Nr. 3 (25. September 1958) Geltung erlangt hat, erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich dieser VO auch auf die Vorschriften des AWW (EuGH SozR Nr. 3 zu Art. 28 EWG-VO Nr. 3).
Die Frage, ob ihr sachlicher Geltungsbereich auch Leistungen wie die nach § 1303 RVO umfaßt, ist in der EWG-VO Nr. 3 nicht ausdrücklich geregelt. Der Anspruch auf Beitragserstattung hat keine derjenigen Leistungsarten zum Gegenstand, die in Art. 2 EWG-VO Nr. 3 ausdrücklich genannt sind. Gleichwohl erscheint ihre Anwendung auf die in § 1303 Abs. 1 RVO bezeichneten Leistungen nach Systematik und Zielsetzung dieser VO nicht ausgeschlossen. Die EWG-VO Nr. 3 ist auf alle Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten anzuwenden, welche sich auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 dieser VO genannten Systeme und Zweige der sozialen Sicherheit beziehen. Im System der deutschen Rentenversicherung ist die Beitragserstattung eine eigenständige Regelleistung. Sie verfolgt zwar nicht wie die übrigen in § 1235 RVO und Art. 2 EWG-VO Nr. 3 aufgeführten Leistungsarten die Abdeckung eines Risikos. Jedoch steht sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beendigung eines Versicherungsverhältnisses. Auch ihre Auswirkung auf die Leistungen der deutschen Sozialversicherung - insbesondere die Verhinderung der Entstehung von Ansprüchen zu einem späteren Zeitpunkt, soweit es dabei auf die von der Beitragserstattung erfaßten Versicherungszeiten ankommt - könnte dafür sprechen, in § 1303 RVO eine Rechtsvorschrift zu sehen, die sich auf die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b bis d EWG-VO Nr. 3 genannten Leistungsarten bezieht und auf die daher diese VO anwendbar ist. Diese Auslegung wird auch durch die EWG-VO 1408/71 (Amtsbl. d. Europ. Gemeinschaften Nr. L 149/2 vom 5. Juli 1971), die inzwischen an die Stelle der EWG-VO Nr. 3 getreten ist, nahegelegt. Nach Art. 1 Buchst. t dieser VO bedeuten die Begriffe "Leistungen" und "Renten" ua auch Kapitalzahlungen, die an die Stelle von Renten treten können, sowie die Beitragserstattungen. Zu Art. 1 Buchst. t der EWG-VO 1401/71 heißt es zwar in der Begründung der Kommission zu ihrem Verordnungsvorschlag vom 11. Januar 1966 (BT-Drucksache V/197 vom 21. Januar 1966), die Begriffsbestimmungen dieser Vorschrift seien um die Beitragserstattung erweitert worden. Sie entsprächen jedoch - von einigen Formänderungen aus Gründen der Klarheit und Genauigkeit abgesehen - denjenigen der VO Nr. 3.
Falls die Frage nach der Erfassung des Rechtsinstituts der Beitragserstattung durch die EWG-VO Nr. 3 bejaht werden sollte, werden - dies verkennt der Senat nicht - weitere Fragen hinsichtlich der im einzelnen anzuwendenden Vorschriften und auch darüber auftreten, ob das in den Niederlanden bestehende System der Sozialen Sicherheit als Pflichtversicherung im Sinne des § 1303 RVO gewertet werden kann. Auch die Beantwortung dieser Fragen ist von der Auslegung von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft abhängig. Sie ist dem Senat im Hinblick auf Art. 177 Abs. 1 Buchst. b EWG-Vertrag verwehrt.
Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 177 Abs. 3 EWG-VO kommt jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht. Das LSG hat den Sachverhalt, soweit er einer europarechtlichen Beurteilung zugängig sein könnte, nicht hinreichend aufgeklärt. Es fehlen Feststellungen darüber, ob - gegebenenfalls wie im einzelnen - die Klägerin in den Niederlanden sozialversichert ist. Von diesen Feststellungen ist die Entscheidung über die Vorlage an den EuGH abhängig; dessen Zuständigkeit entfällt, wenn keine Bindung der Klägerin an das in den Niederlanden bestehende System der Sozialen Sicherheit besteht. Hieraus ergibt sich zugleich die Begründetheit der Revision. Zwar enthält § 170 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit keine ausdrückliche Regelung. Die Vorschrift ist auf innerstaatliches Recht abgestellt. Sie geht davon aus, daß es Aufgabe des BSG ist, nach Möglichkeit eine den Rechtsstreit beendende Entscheidung zu treffen. Demzufolge ist die Revision unbegründet, wenn sich die Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz - sei es auch nur im Ergebnis - als richtig erweist (§ 170 Abs. 1 SGG). Begründet ist sie jedoch nicht nur bei zweifelsfreier Unrichtigkeit dieser Entscheidung, sondern auch schon dann, wenn das Revisionsgericht infolge unzureichender Tatsachenfeststellungen an der von ihm erwarteten Sachentscheidung gehindert ist, mag sich auch später die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellen (§ 170 Abs. 2 SGG). Diese Überlegungen zeigen den Weg, der in Fällen der vorliegenden Art vom Revisionsgericht beschritten werden muß. Ihm ist durch überstaatliches Recht eine weitere Aufgabe übertragen worden, nämlich eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es - unter anderem - auf die Auslegung von Handlungen der Organe der Gemeinschaft (Art. 177 Abs. 1 b EWG-Vertrag) ankommt. Stellt sich die Frage nach einer solchen Auslegung, so ist das BSG zur Anrufung des EuGH verpflichtet (vgl. Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag). In einem solchen Fall bedarf es der Anpassung der innerstaatlichen Verfahrensordnung an die dem nationalen Gericht durch überstaatliches Recht übertragenen Aufgabe, um Einzelheiten des Verfahrens bis zum Zeitpunkt der vom Gericht gemäß Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag zu treffenden Entscheidung zu bestimmen. In der Regel ist es im sozialgerichtlichen Verfahren Aufgabe der Tatsacheninstanzen, die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlichen Tatsachen festzustellen. Das BSG ist daran regelmäßig gehindert; es hat, wenn der Sachverhalt eine Entscheidung in der Sache selbst nicht zuläßt, die Tatsacheninstanz durch Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zu veranlassen, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für Fälle der vorliegenden Art. Die Entscheidung darüber, ob sich die Frage nach der Auslegung von Handlungen der Organe der Gemeinschaft stellt, hängt in dem vorliegenden Fall von den bereits bezeichneten weiteren Tatsachen ab. Der Senat kann die ihm aufgegebene Entscheidung noch nicht treffen. Das angefochtene Urteil, das die insoweit erforderlichen Ergebnisse nicht enthält, ist ähnlich unvollständig, wie ein allein auf innerstaatlichem Recht beruhendes Urteil, dessen Tatbestand eine Entscheidung in der Sache noch nicht zuläßt. Es ist ohne Bedeutung, daß sich die Entscheidung der Tatsacheninstanz nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts und umfassender rechtlicher Würdigung im Ergebnis als richtig erweisen kann. Fehlerhaft ist jedenfalls ein für die Entscheidung des BSG wesentlicher Teil des angefochtenen Urteils, nämlich daß sich die Frage nach der Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts nicht stelle bzw. für ihre Beantwortung eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich sei.
Dieser Fehler muß noch im innerstaatlichen Bereich ausgeräumt werden. Die Revision ist deshalb in der Regel auch dann begründet, wenn eine Vorabentscheidung durch den EuGH in Betracht kommt, eine weitere Sachaufklärung aber notwendig ist, um die Erheblichkeit der Vorabentscheidung feststellen zu können. Das angefochtene Urteil ist dann aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen; es müssen zunächst die in tatsächlicher Hinsicht für die Entscheidung wesentlichen Grundlagen geschaffen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Der Senat glaubt, dieser Auslegung des § 170 SGG auch unter der Voraussetzung folgen zu müssen, daß die in Art. 177 EWG-Vertrag normierte Pflicht zur Anrufung des EuGH sich darauf bezieht, daß eine Fragestellung im Sinne von Art. 177 EWG-Vertrag bloß möglich ist. Das mag zweifelhaft sein. Es versteht sich von selbst, daß die Vorlagefrage den Rechtsstreit präjudizieren, von ihrer Beantwortung also die Entscheidung in der Sache abhängen muß. Regelmäßig werden jedoch Gründe der Prozeßökonomie einer verfrühten Vorlage an den EuGH entgegenstehen. Eine durch die Vorlage bedingte - möglicherweise beträchtliche - Prozeßverzögerung ist den Beteiligten dann nicht zuzumuten, wenn sie sich im Ergebnis als nicht erforderlich herausstellen kann. Auch die Kostenfrage verdient in diesem Zusammenhang Beachtung; unnötige Kosten sollten vermieden werden. - In dem zu entscheidenden Fall könnte eine Vorabentscheidung des EuGH zu dem Ergebnis führen, daß die Beantwortung der vom LSG offengelassenen Frage nach einer Versicherung der Klägerin in den Niederlanden entscheidungserheblich ist. Es ist nicht auszuschließen, daß nach der dann unvermeidlichen Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur weiteren Sachaufklärung offenkundig wird, daß die Vorabentscheidung keine Bedeutung zu erlangen vermag. In diesem Falle hätte ein mit erheblichem Aufwand an-Zeit und Kosten verbundenes Zwischenverfahren vor dem EuGH stattgefunden, ohne daß auch nur einem Beteiligten daraus ein Nutzen erwachsen wäre.
Hinzukommt, daß unzulängliche Tatsachenfeststellungen das Risiko einer ungenauen Fragestellung an den EuGH in sich bergen und damit verbunden eine Vorabentscheidung durch diesen Gerichtshof herbeiführen können, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht oder nur unvollständig gerecht wird. Unter diesen Umständen könnte - nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts - die Wiederholung des Verfahrens vor dem EuGH erforderlich werden -.
Das LSG wird vor seiner neuen Entscheidung die erforderlichen Einzelheiten über eine möglicherweise in den Niederlanden bestehende Versicherung der Klägerin feststellen müssen. Sollte sich - unter Beachtung der Rechtsauffassung des BSG - ergeben, daß die Entscheidung von einer Vorabentscheidung des EuGH abhängig ist, so hat das Berufungsgericht eine Vorlage nach § 177 Abs. 2 EWG-Vertrag in Erwägung zu ziehen. Möglicherweise wird es auch - wenn die Zulassung der Revision wegen einer dem innerstaatlichen Recht zuzuordnende Rechtsfrage nicht in Betracht kommt - die Frage zu prüfen haben, ob nicht bereits das Berufungsgericht die Pflicht zur Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag trifft.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 1646714 |
BSGE, 104 |
NJW 1974, 1637 |