Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Anspruch auf Witwenrente kann nur dann wiederaufleben, wenn durch die Wiederverheiratung ein Witwenrentenanspruch weggefallen ist, der auf Vorschriften des Reichs- oder Bundesrechts beruht hat und von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen ist. Ein wiederauflebbarer Anspruch auf Witwenrente hat aber nicht bestanden, wenn eine Witwe, die seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, deren versicherten Ehemann bereits 1941 an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorben ist, im Jahre 1947 in Oberschlesien wieder heiratet und deren Ehe 1975 ohne Schuldanspruch geschieden worden ist.
2. Daran hat sich auch durch das RV/UVAbk POL nichts geändert. Dieses Abkommen kennt keine Vorschrift die besagt, daß das für ein Wiederaufleben wesensnotwendige Tatbestandsmerkmal eines Witwenrentenanspruchs zur Zeit der zweiten Eheschließung aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften zu unterstellen wäre oder daß die Witwe so zu behandeln wäre, als ob sie bis zu ihrer Wiederverheiratung in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt hätte.
Normenkette
RKG § 83 Abs. 3 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1291 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Fassung: 1972-10-16; RV/UVAbk POL Fassung: 1975-10-09
Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 16.08.1977; Aktenzeichen S 12 Kn 178/76) |
Tenor
Die Sprungrevision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. August 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Witwenrente der Klägerin aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes nach der Scheidung ihrer zweiten Ehe wieder aufgelebt ist.
Der erste Ehemann der Klägerin, der Bergmann Maximilian W (Versicherter) verstarb am 8. Oktober 1941 in Oberschlesien. Vom Todestage an bis zum Ende des Weltkrieges erhielt die Klägerin nach ihren Angaben von der oberschlesischen Knappschaft eine Witwenrente. Am 23. August 1947 verheiratete sie sich in Oberschlesien erneut. Diese Ehe wurde vom Bezirksgericht in Neustadt (Oberschlesien) mit Urteil vom 21. August 1975 ohne Schuldausspruch geschieden. Die Klägerin hält sich seit dem 7. März 1971 ständig in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Die von der Klägerin im November 1975 beantragte Wiedergewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. September 1976 und Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1976 ab. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 16. August 1977 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch scheitere daran, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Wiederheirat keinen Anspruch auf Witwenrente gehabt habe, der wieder aufleben könne. Sie habe im August 1947 in Oberschlesien nach dem damals im Bundesgebiet geltenden Recht die Zahlung einer Witwenrente nicht beanspruchen können. Auch ein ruhender Anspruch sei nicht gegeben gewesen. Nach dem damals geltenden, nach dem Zusammenbruch neugeschaffenen Recht, seien Personen, die in den von der Volksrepublik Polen verwalteten ehemaligen deutschen Gebieten wohnten, nicht anspruchsberechtigt gewesen. Auch das Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (BGBl 1976 II S 393, 396) habe keine Möglichkeit eröffnet, der Klägerin eine wiederaufgelebte Witwenrente zu zahlen.
Auf Antrag der Klägerin, dem die Beklagte zugestimmt hatte, hat das SG Hannover mit Beschluß vom 8. November 1977 gegen das Urteil die Revision zugelassen. Mit der Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 83 Abs 3 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) geltend. Der Ansicht, daß eine Witwenrente nur dann wiederaufleben könne, wenn durch die Wiederheirat ein Witwenrentenanspruch weggefallen sei, der auf Vorschriften des Reichsrechts oder des Bundesrechts beruht habe und von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen sei, könne nicht zugestimmt werden. Sie sei seit jeher und auch jetzt noch deutsche Staatsangehörige und habe nach dem Tode ihres ersten Ehemannes Witwenrente nach deutschem Recht bezogen. Sie lebe auch jetzt wieder im Geltungsbereich des RKG. Der Umstand, daß sie - vorübergehend - nicht im Geltungsbereich des RKG gelebt habe, dürfe sich für sie schon deshalb nicht nachteilig auswirken, weil sie es nicht zu vertreten habe, daß ihr Wohnort im Jahre 1945 unter polnische Verwaltung gekommen sei. Die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, die Aufsplitterung Deutschlands nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 habe den Untergang der nach dem früheren Reichsrecht entstandenen Sozialversicherungsansprüche bewirkt, könne hier jedenfalls nach dem Inkrafttreten (1. Mai 1976) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung nicht mehr zutreffen. Art 5 Abs 2 des Abkommens bestimme, daß der Versicherungsträger des Staates, in den der Rentner seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt, nach den für ihn geltenden Vorschriften in entsprechender Anwendung des Art 4 Abs 2 über den Rentenanspruch zu entscheiden habe. Der Grundgedanke dieser Vorschrift besage, daß der Rentner, wenn er seinen Wohnsitz wechsele, am neuen Wohnsitz so gestellt und behandelt werden solle, als habe er sich hier immer aufgehalten. Das bedeute, daß sie nunmehr auch hinsichtlich des Wiederauflebens ihrer erhöhten Witwenrente so zu behandeln sei, als habe sie im Zeitpunkt ihrer Wiederheirat (23. August 1947) von einem Versicherungsträger der Bundesrepublik eine Witwenrente erhalten. Nach Art 15 Abs 2 des Abkommens seien für die Feststellung einer Leistung nicht nur Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und gleichgestellte Zeiten, sondern auch andere in diesem Zusammenhang erhebliche Tatbestände vor dem Inkrafttreten des Abkommens zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
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1) |
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den Bescheid der Beklagten vom 15. September 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 1976 aufzuheben, |
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin erhöhte Witwenrente aus der Versicherung des am 8. Oktober 1941 verstorbenen Bergmanns Maximilian W mit Wirkung vom November 1975 an zu gewähren; |
hilfsweise beantragt sie,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG Hannover zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 16. August 1977 zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Anspruch auf Witwenrente nur dann wieder aufleben kann, wenn durch die Wiederheirat ein Witwenrentenanspruch weggefallen ist, der auf Vorschriften des Reichsrechts oder Bundesrechts beruht hat und von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen ersten Ehemannes.
Nach § 83 Abs 3 RKG lebt unter bestimmten, hier nicht näher zu untersuchenden Voraussetzungen dann, wenn sich eine Witwe wieder verheiratet und diese Ehe aufgelöst wird, der Anspruch auf Witwenrente vom Ablauf des Monats an, in dem die Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist, wieder auf. Das BSG hat zu dem im wesentlichen gleichlautenden § 68 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes entschieden (vgl BSGE 25, 20 f = SozR Nr 15 zu § 1291 RVO und SozR 2200 § 1291 Nr 6), daß ein Anspruch auf Witwenrente nur dann wieder auflebt, wenn durch die Wiederverheiratung ein Witwenrentenanspruch weggefallen ist, der auf Vorschriften des Reichsrechts oder des Bundesrechts beruht hat und von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen ist. Auch die in § 83 Abs 3 RKG getroffene Regelung sollte den unerwünschten Rentenkonkubinaten (Onkelehen) entgegenwirken und bei den im Bundesgebiet lebenden rentenberechtigten Witwen die Scheu vor einer Wiederverheiratung wegen Verlustes ihrer Rente mindern. Die Klägerin hatte aber im Zeitpunkt ihrer zweiten Eheschließung im Jahre 1947 in Oberschlesien keinen von einem Versicherungsträger in der Bundesrepublik zu erfüllenden Witwenrentenanspruch aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes, der mit der Wiederverheiratung hätte wegfallen können und deshalb wiederaufleben könnte. Selbst wenn die Klägerin bis zum Zusammenbruch im Jahre 1945 von der oberschlesischen Knappschaft eine Witwenrente erhalten hätte, so wäre dieser nach früherem Reichsrecht entstandene Rentenanspruch mit der Aufsplitterung Deutschlands nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 untergegangen, soweit die neuen regionalen Rechtsordnungen ihn nicht fortbestehen ließen (vgl SozR 2200 § 1291 Nr 6). Nach der im Bundesgebiet im Jahre 1947 geltenden Rechtsordnung hatten aber die hier befindlichen Rentenversicherungsträger grundsätzlich keine Leistungen in die früheren von Polen verwalteten deutschen Gebiete zu erbringen. Da somit die Klägerin zur Zeit ihrer Wiederheirat im Jahre 1947 in Oberschlesien keinen Rentenanspruch nach Reichsrecht oder Bundesrecht gegen einen Versicherungsträger im heutigen Bundesgebiet hatte, steht ihr auch nach Auflösung der zweiten Ehe und der Wohnsitznahme in der Bundesrepublik kein wiederaufgelebter Witwenrentenanspruch gegen einen bundesdeutschen Versicherungsträger zu.
Ob anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn sich die Klägerin in Oberschlesien nicht im Jahre 1947, sondern erst nach dem Inkrafttreten des Fremdrentengesetzes am 1. Januar 1959 wieder verheiratet hätte (vgl hierzu Urteil des 4. Senats des BSG vom 28. Februar 1978 - 4 RJ 87/76 -) kann dahingestellt bleiben.
Wie der Senat bereits mit Urteil vom 29. März 1978 - 5 RKn 8/77 - entschieden hat, ist die Rechtslage auch durch das deutschpolnische Sozialversicherungsabkommen nicht zugunsten der Klägerin geändert worden. Art 5 Abs 2 iVm Art 4 Abs 2 und Art 15 Abs 2 des Abkommens bestimmen lediglich, daß dann, wenn eine Person, die in Polen eine Rente bezogen hatte, ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt, die bundesdeutschen Versicherungsträger für die Zeit nach der Einstellung der polnischen Rente nach den für sie geltenden Vorschriften über den Rentenanspruch zu entscheiden haben, wobei sie polnische Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten - auch wenn sie vor dem Inkrafttreten des Abkommens liegen - so zu berücksichtigen haben, als ob sie in der Bundesrepublik zurückgelegt worden wären. Zu dem von diesen Vorschriften begünstigten Personenkreis gehört die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie auch in Polen keine Rente aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes erhalten hatte.
Wie der Senat im Urteil vom 29. März 1978 aaO weiter entschieden hat, verstößt der Ausschluß der Klägerin von der gesetzlichen Regelung des Wiederauflebens der Witwenrente auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes.
Der Senat hat die danach unbegründete Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen