Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsschadensausgleich. Einstufung eines Versicherungsoberinspektors in der Privatversicherung
Orientierungssatz
Ein Versicherungsoberinspektor in der Privatversicherung ist zu Recht in die Leistungsgruppe 3 des Wirtschaftsbereichs Versicherungsgewerbe eingestuft worden.
Für eine Einstufung in die Leistungsgruppe 2 reichen die Tätigkeitsmerkmale nicht aus; insbesondere fehlt die den Angestellten dieser Leistungsgruppe zustehende "eingeschränkte Dispositionsbefugnis".
Normenkette
BVG§30Abs3u4u5DV § 3 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1977-01-18; BVG § 30 Abs. 4
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.07.1978; Aktenzeichen L 2 V 101/77) |
SG Schleswig (Entscheidung vom 25.05.1977; Aktenzeichen S 7 V 135/75) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Juli 1978 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Mai 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Berufsschadensausgleich des Klägers nach der Leistungsgruppe II oder III des Wirtschaftsbereichs Versicherungsgewerbe zu berechnen ist.
Der 1918 geborene Kläger bezieht wegen einer Wirbelsäulenverletzung die einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH entsprechende und ein besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigende Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er hat die höhere Schule mit der Obersekundareife verlassen, war sodann als Volontär bei der Landesbauernschaft ... tätig, gehörte von 1936 bis Ende 1938 als Freiwilliger der Kriegsmarine an und trat anschließend in den Reichsarbeitsdienst (RAD) ein. Nach Kriegsausbruch zur Wehrmacht eingezogen, anschließend aber zum RAD beurlaubt und schließlich aus dem Wehrdienst entlassen, war er bis zum Kriegsende hauptamtlicher Oberfeldmeister des RAD. Nach dem Kriege verrichtete er zunächst Gelegenheitsarbeiten und half seiner Ehefrau in deren Einzelhandelsgeschäft. 1968 stellte ihn eine Versicherungsgesellschaft als Versicherungsinspektor an. Im Februar 1972 wurde dieser Vertrag einvernehmlich gelöst. Nun erteilte der Kläger nebenberuflich an mehreren Schulen noch bis 1975 Sportunterricht.
Das Versorgungsamt bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 20. September 1974 ab 1. Mai 1971 Berufsschadensausgleich und legte dabei als Vergleichseinkommen die Leistungsgruppe III des Wirtschaftsbereichs Versicherungswesen zugrunde. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Niedersachsen vom 2. Dezember 1975; Urteil des Sozialgerichts - SG - Schleswig vom 25. Mai 1977). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab 1. Oktober 1978 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Leistungsgruppe II des Wirtschaftsbereichs Versicherungsgewerbe zu gewähren. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 20. Juli 1978).
Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 30 Abs 3 bis 5 BVG und des § 3 Abs 1 Nr 4 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG (DVO).
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Juli 1978 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Mai 1977 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Zutreffend ist das LSG von der Tätigkeit des Klägers im Versicherungsgewerbe ausgegangen und hat ausgesprochen, daß sein Vergleichseinkommen nach § 3 DVO zu ermitteln ist. Durchschnittseinkommen ist danach der durchschnittliche Monatsverdienst, der aufgrund des Gesetzes über die Lohnstatistik vom 18. Mai 1956 (BGBl I 429) vom Statistischen Bundesamt für die Bundesrepublik Deutschland laufend ermittelt wird. Maßgebend sind nach § 3 Abs 1 Nr 4 DVO bei Angestellten in der Industrie, im Handel, von Kreditinstituten und im Versicherungsgewerbe der in Betracht kommende Wirtschaftsbereich entsprechend der Systematik, die den statistischen Erhebungen zugrundeliegt, die Beschäftigungsart als kaufmännischer oder technischer Angestellter und die Leistungsgruppe II, III, IV oder V. Die Vorschrift ist seit dem Beginn der Leistungen an den Kläger in dem hier maßgeblichen Punkt nicht geändert worden.
Die vom LSG vorgenommene Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe II ist indes nicht zu halten. Die Erwägung des LSG, wenn der Versicherungsinspektor in die Leistungsgruppe III eingestuft werde, müsse der Versicherungsoberinspektor der Leistungsgruppe II angehören, setzt neben der zutreffenden Einordnung des Versicherungsinspektors in die Leistungsgruppe III voraus, daß für jede Beförderung eine höhere Leistungsgruppe zur versorgungsrechtlichen Einordnung vorgesehen ist. Dem ist nicht so. Das folgt schon daraus, daß über der hier vom LSG bejahten höchsten Leistungsgruppe II nur noch die Spitzenpositionen vorbehaltene Einstufung in die Besoldungsgruppen A 14/A 15 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) möglich ist, während über dem Versicherungsoberinspektor noch der Sachbearbeiter, der Bezirksdirektor, alle Direktoren in der Zentralverwaltung und die Vorstandsmitglieder stehen. Daraus muß gefolgert werden, daß versorgungsrechtlich in einer Leistungsgruppe verschiedene Beförderungspositionen zusammengefaßt sind.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der vom LSG angestellte Gehaltsvergleich unter zeitlichen oder auch inhaltlichen Gesichtspunkten Bedenken begegnet, der Kläger hat jedenfalls die Voraussetzungen seiner Einordnung in die Leistungsgruppe II nicht erfüllt.
Ausschlaggebend für die Einordnung des Klägers in die Leistungsgruppen sind die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) durch Rundschreiben vom 25. Oktober 1960 (vgl BGBl 1960, 98) genannten Definitionen (vgl BSGE 27, 12; SozR Nr 6 zu § 3 DVO 30; Urteile vom 6. Juli 1971 - 9 RV 322/68 - und vom 7. September 1977 - 11 RA 92/76 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Definitionen sind auch heute noch maßgebend (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 20. November 1970 - 10 RV 795/68 - in KOV 1971, 166). Danach gehören zur Leistungsgruppe II kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen, außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen. Dem entspricht die Stellung eines Versicherungsoberinspektors nicht. Es fehlt die den Angestellten der Leistungsgruppe II zustehende "eingeschränkte Dispositionsbefugnis". Sie muß sich über den Arbeitsablauf im eigenen Arbeitsgebiet hinaus auf die Existenz des Unternehmens erstrecken und das Unternehmerrisiko direkt beeinflussen. Existenz und Unternehmensrisiko können aber nur dann beeinflußt werden, wenn die Verfügungsbefugnis des Angestellten in die elementaren Kalkulations- und Berufspraktiken hineinreicht, wenn sie geeignet ist, Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens und nicht nur den des dem Angestellten zugewiesenen Arbeitsgebiets direkt zu beeinflussen (vgl Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, Seite 82). Solche Einflußmöglichkeiten haben jedoch Versicherungsinspektoren und -oberinspektoren nicht, so daß sie den Anforderungen des Satzes 1 der Beschreibung der Leistungsgruppe II nicht entsprechen. Daß es sich zugleich auch um eine "verantwortliche Tätigkeit" handeln muß, die einen größeren Betrieb oder eine größere Abteilung des Betriebes voraussetzt (vgl Urteil des erkennenden Senats in KOV 1971, 166), ist deshalb für die Entscheidung hier nicht mehr erheblich.
Auch die Anforderungen der Sätze 2 und 3 der Beschreibung der Leistungsgruppe II erfüllt der Kläger nicht. Denn ihm fehlt eine abgeschlossene Berufsausbildung. Das Erfordernis der abgeschlossenen Berufsausbildung ist zwar in der Definition der Leistungsgruppe II nicht ausdrücklich genannt, sondern nur in der Leistungsgruppe IV. Die in der Definition einer niedrigeren Leistungsgruppe genannten Merkmale müssen aber auch in der höherwertigen Leistungsgruppe erfüllt sein (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 20. November 1970 - 10 RV 795/68 in KOV 1971, 166). Auch die in Satz 2 der Definition genannten "umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnisse" setzen daher eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung voraus (vgl BSG SozR 5050 § 22 Nr 6), die dem Kläger ebenso fehlt wie die in Satz 3 geforderte Leitung großer Werkstätten oder Abteilungen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung der Frage mehr, ob die "besonderen Erfahrungen", die Satz 1 der Leistungsgruppendefinition erfordert, schon nach zehn Jahren erworben werden können oder ob entsprechend dem Berufsgruppenkatalog in der Anlage 1 zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG) zwischen der Leistungsgruppe III und der Leistungsgruppe II 15 Jahre beruflicher Erfahrung liegen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen