Leitsatz (amtlich)
Die Eingruppierung in die Leistungsgruppe I - leitende Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis - (vgl FRG § 22 Anl 1 B 1) nach BVG§30Abs3-5DV § 3 Abs 4 verlangt neben einem außergewöhnlichen beruflichen Aufstieg auch eine Entlohnung, die über der eines mit abgeschlossener Hochschulausbildung Einzustufenden liegt (Fortführung von BSG 1965-11-24 11/1 RA 352/62 = BSGE 24, 113, BSG 1969-05-22 8 RV 481/68 = SozR Nr 5 zu § 3 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 30.7.1964, Abgrenzung zu BSG 1969-11-11 10 RV 333/68 = BVBl 1970, 94).
Normenkette
BVG§30Abs3u4DV § 3 Abs. 1 Fassung: 1964-07-30, Abs. 1 Fassung: 1968-02-28, Abs. 1 Fassung: 1974-04-11, Abs. 4 Fassung: 1964-07-30; BVG § 30 Abs. 3 DV § 3 Abs. 4 Fassung: 1968-02-28; BVG§30Abs3u4DV § 3 Abs. 4 Fassung: 1974-04-11; BVG§30Abs3u4u5DV § 3 Abs. 4 Fassung: 1977-01-18, Abs. 1 Fassung: 1977-01-18; BVG § 30 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Oktober 1978 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Berufsschadensausgleichs im Zugunstenwege.
Der 1919 geborene Kläger hat nach der Volksschule drei Jahre als Verkäufer in einem Geschäft für Futtermittel, Sämereien und Kunstdünger gelernt. Nach dem Wehrdienst arbeitete er drei Jahre in Möbelfabriken, zuletzt als Abteilungsleiter. Von 1948 bis 1951 war er bei einer Viehverwertungsgenossenschaft, dann bis 1959 bei einer Raiffeisenkasse, anschließend bei einer Spar- und Darlehenskasse als Büroangestellter beschäftigt; letztere hatte ihn mit Arbeiten im Bank- und Warengeschäft betraut. Ab März 1967 war er für das Kreditgeschäft verantwortlich und wurde mit Dienstvertrag vom 30. August 1967 zum Geschäftsleiter für das Bankgeschäft bestellt. Das Dienstverhältnis wurde wegen des Gesundheitszustandes des Klägers zum 31. März 1968 beendet. 1972 wurde die Spar- und Darlehenskasse in eine Raiffeisenbank eG mit einer Bilanzsumme von ca 6 Millionen umgewandelt.
Der Kläger erhielt ab September 1969 Rente wegen Berufs- und sei 1. Februar 1974 wegen Erwerbsunfähigkeit, ferner unter Berücksichtigung des § 30 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 90 vH. Berufsschadensausgleich wurde ihm auf der Grundlage eines Vergleichseinkommens der Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten im Wirtschaftsbereich Handel, Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe gewährt. Klage und Berufung des Kläger, mit denen er eine höhere Einstufung erstrebte, hatten keinen Erfolg (Urteile vom 25. April 1972 und 10. April 1973).
Im Mai 1973 beantragte der Kläger ergebnislos, ihm einen Zugunstenbescheid zu erteilen, da er in die Leistungsgruppe I einzustufen sei. (Bescheid vom 12. Juli 1973; Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1974). Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, es hat die Berufung zugelassen. (Urteil vom 25. Mai 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Anschlußberufung des Klägers hat es zurückgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1978).
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 62 BVG, 40 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) iVm § 30 BVG und § 3 Abs 4 Durchführungsverordnung (DVO), ferner der §§ 103, 106, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen, ferner das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern, daß der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich Ortszuschlag nach Stufe 2 und Ortsklasse A des Bundesbesoldungsgesetzes ab 1. Mai 1973 und der Besoldungsgruppe A 15 plus Ortszuschlag nach Stufe 2 des Bundesbesoldungsgesetzes ab 1. Januar 1974 zu zahlen.
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Kläger ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das LSG hat zu Recht im Streit der Beteiligten, welches Durchschnitts- oder Vergleichseinkommen bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs des Klägers zugrundezulegen ist, die Einordnung des Klägers in die Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten im Wirtschaftsbereich "Industrie, Handel, Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe" im rechtskräftigen Urteil vom 10. April 1973 bestätigt. Kaufmännische und technische Angestellte der Leistungsgruppe II sind solche Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben, ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen und außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtsmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen. Diese Definitionen gelten unverändert (vgl BSG Urteil vom 20. November 1970 - 10 RV 795/68 - Kriegsopferversorgung - KOV - 1971, 166 und SozR 3640 § 3 Nr 2). Sie ergänzen den Begriff der "Berufsgruppe" in § 30 Abs 4 BVG und § 3 Abs 1 der DVO vom 30. Juli 1964 (BGBl I, 574), vom 28. Februar 1968 (BGBl I, 194), vom 11. April 1974 (BGBl I, 927) und vom 8. Januar 1977 (BGBl I, 162).
Darüber streiten die Beteiligten indes auch nicht. Der Kläger meint vielmehr, er müsse in die Leistungsgruppe I eingereiht werden, weil er aufgrund seines beruflichen Werdegangs wahrscheinlich eine leitende Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis (vgl gleichlautend § 22 Fremdrentengesetz - FRG - B 1 der Anlage 1) erreicht hätte oder bereits gehabt habe; mit der Einstufung in die Leistungsgruppe II sei er nicht ausreichend bewertet worden (§ 3 Abs 4 DVO). Er möchte die Größenordnung der Leistungsgruppe I A (Gehalt über 2.500,- DM monatlich) oder I B (Gehalt unter 2.500,- DM monatlich) erreichen, so daß als Durchschnitts- oder Vergleichseinkommen für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 und ab 1974 A 15 zuzüglich Ortszuschlag Stufe 2 des Bundesbesoldungsgesetzes einzusetzen wäre. Diesem Begehren steht die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen. So hat der 8. Senat des BSG bereits in seinem Urteil vom 22. Mai 1969 - 8 RV 481/68 - (SozR Nr 5 zu § 3 DVO 64 = BVBl 70, 13) zum Begriff des "Angestellten in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis" ausgeführt, daß dieser Zusatz zu einer engen Auslegung zwinge, zwar nicht "uneingeschränkt" Aufsichts- und Dispositionsbefugnis verlange, weil eine solche dem Wesen einer Arbeitnehmertätigkeit widerspreche, jedoch eine sehr umfangreiche Dispositionsbefugnis mit selbständiger und selbstverantwortlicher unternehmerischer Funktion, jedenfalls hinsichtlich eines wesentlichen Teilbereichs der Unternehmen verlange (BSGE 24, 113), dem erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukomme. Deshalb sei die Leistungsgruppe I nur einer kleinen Gruppe von Spitzenkräften unter den leitenden Angestellten vorbehalten (Breithaupt 1969, 314), die es in einem größeren Unternehmen bei außergewöhnlichem beruflichen Aufstieg zu einer Führungsposition gebracht habe, also auf der Stufenleiter der leitenden Angestellten ganz oben stehe. Ähnlich hat auch der 9. Senat im Urteil vom 29. Januar 1974 - 9 RV 400/72 (KOV 1975, 42) unter Hinweis auf BSGE 24, 113 und die Urteile des 10. Senats des BSG vom 11. November 1969 - 10 RV 333/68 (BVBl 70, 94) und vom 26. Januar 1972 - 10 RV 597/70 - (KOV 1972, 79) die Voraussetzungen für die Anwendung der Leistungsgruppe I umschrieben (ergänzend die Urteile vom 30. Oktober 1969 - 8 RV 401/68 - Versorgungsbeamter 1970 Nr 20 und vom 29. September 1970 - 8 RV 223/69 - Versorgungsbeamter 1971 Nr 15). Danach scheitert die Höhereinstufung des Klägers im Rahmen eines durchschnittlichen Berufserfolges; verlangt wird ein außergewöhnlicher beruflicher Aufstieg, um ohne Rücksicht auf Schul- und Berufsausbildung eine Gleichstellung mit einer abgeschlossenen Hochschulbildung zu erlauben (BSG SozR Nr 5 zu § 3 DVO 64). Dem steht - wie das LSG ebenfalls richtig erkannt hat - nicht zwingend entgegen, daß der erkennende Senat im Urteil vom 11. November 1969 - 10 RV 333/68 - (BVBl 1970, 94) nicht nur auf die Funktion des Angestellten, sondern auch auf die Entlohnung abgehoben hat. Deshalb kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer oder Leiter einer Raiffeisenbank den engen Voraussetzungen der Leistungsgruppe I genügen könnte oder genügte. Denn nach den von der Revision nicht substantiiert angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG hat und hätte seine Entlohnung jedenfalls nicht die Endgrundgehälter der Besoldungsgruppe A 14 bzw A 15 plus Zuschläge überschritten. Der Kläger ist im Wirtschaftsleben unter dem Aspekt einer außergewöhnlichen Entlohnung gerade nicht besonders herausgehoben worden. Davon wäre nur zu sprechen, wenn neben einer hervorragenden Funktion auch eine Entlohnung feststellbar wäre, die über der eines durch Hochschulbildung qualifizierten Angestellten liegt (§ 3 Abs 5 DVO). Dies wird durch die generalisierende Betrachtungsweise des § 30 Abs 4 BVG zwingend gefordert. Dabei ist zu beachten, daß auch regelrechte Spitzenkräfte (Manager und dergleichen) sich mit einer Einstufung in Leistungsgruppe I, also einem Vergleichseinkommen von A 14 und A 15 abfinden müssen. Ihnen gegenüber würde es nicht vertretbar sein, wenn bereits Angestellte mit Funktion und Entlohnung unterhalb dieser Besoldungsgruppe zu einem Berufsschadensausgleich kämen, der als höchstmöglicher Ausgleich im BVG vorgesehen ist. Etwas anderes mußte das LSG dem Urteil des Senats vom 11. November 1969 - 10 RV 333/68 - (BVBl 1970, 94) nicht entnehmen.
Unter diesen Umständen konnte sich das LSG im Ergebnis darauf beschränken, allein die Voraussetzungen für die Anwendung des § 30 Abs 4 DVO zu prüfen und mußte nicht entscheidend darauf abstellen, ob die strengen Voraussetzungen der §§ 40 VwVfG-KOV oder 62 BVG erfüllt sind. Es durfte der Gesamtkonzeption des Berufsschadenausgleichs in der Weise Rechnung tragen, daß auch das Vergleichseinkommen nach den §§ 4 und 5 DVO spätestens ungeachtet des besonderen Berufserfolges im Einzelfall, selbst bei individueller Betrachtungsweise bei A 14 bzw A 15 endet. Dementsprechend konnte das LSG unbeanstandet dahinstehen lassen, ob der Kläger ohne die Schädigung über März 1968 hinaus Geschäftsleiter geblieben wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen