Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 06.04.1955) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 6. April 1955 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I
Die Klägerin beschäftigte vom Oktober 1949 an den Beigeladenen R. als Anzeigen- und Abonnentenwerber auf Grund mündlicher Vereinbarung, die am 22. Oktober 1949 wie folgt bestätigt wurde:
„Wir übertragen Ihnen die Anzeigenwerbung im gesamten Kreisgebiet Stormarn mit Ausnahme der Ortschaften Ahrensburg und Bargteheide mit Umgebung; sowie versuchsweise Stadt- und Randgebiet der Hansestadt Lübeck.
Die Provision für alle direkt eingereichten Anzeigeaufträge, die auf Grund der von Ihnen getätigten Abschlüsse hier eingehen, beträgt 15% (fünfzehn) auf den Nettorechnungsbetrag.
Für Anzeigenaufträge von Kunden, die nachweislich von Ihnen besucht und bearbeitet worden sind, ihre Abschlüsse auf Grund besonderer Vereinbarungen aber mit unserer Anzeigen-Abteilung tätigen und Aufträge ohne Ihre Vermittlung hier einreichen, gewähren wir Ihnen eine Provision von 5% (fünf) auf den Nettorechnungswert.
Als Spesenzuschuß bei der Bearbeitung größerer auswärtiger Orte vergüten wir für jeden vollen Arbeitstag DM 3,– (drei) und übernehmen die vollen Fahrtkosten 3. Klasse.
Spesen- oder Reisekostenzuschuß für die Werbung von Abonnenten wird nicht gezahlt. Für jeden durch Sie gewonnenen Dauer-Abonnenten auf den Oldesloer Landboten zahlen wir Ihnen eine Prämie von DM 1,– (eine).
Ihre Tätigkeit bei uns ist als freier Mitarbeiter anzusehen. Die Versteuerung Ihrer Provision etc., Beitragsabführung zur Sozialversicherung, sowie die arbeitsrechtliche Lage sind von Ihnen zu beachten.”
Der Beigeladene R. leistete bis zum 30. April 1952 freiwillige Beiträge zur Kranken- und zur Angestelltenversicherung. Er besaß keinen Gewerbeschein, sondern nur eine Legitimationskarte, wonach er berechtigt war, für das Stormarner Tageblatt als Anzeigenvertreter zu werben. Die Klägerin behielt Lohnsteuer ein und führte sie an das Finanzamt ab. R. zahlte keine Gewerbesteuer und wurde nicht zur Einkommensteuer veranlagt. Vom 1. Mai 1952 an übernahm die Klägerin den Beigeladenen R. in das Angestelltenverhältnis und meldete ihn bei der Beklagten zur Sozialversicherung an. Bei einer Betriebsprüfung erfuhr die Beklagte von der Tätigkeit R. und forderte mit Schreiben vom 2. Januar 1953 von der Klägerin die Sozialversicherungsbeiträge für Rexin vom 1. Januar 1951 bis zum 30. April 1952 an. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, R. sei nur freier und selbständiger Mitarbeiter gewesen, denn er habe selbst bestimmen können, wo und wann er tätig werden wolle, er habe auch andere Firmen vertreten können. Die Beklagte dagegen vertrat die Ansicht, R. sei schon vor seiner Beschäftigung beim Kläger in abhängiger sozialversicherungspflichtiger Stellung gewesen, er gehöre somit zu den Personen, die berufsmäßig Lohnarbeit verrichten. Er sei persönlich von der Klägerin abhängig gewesen, weil er ein bestimmtes Arbeitsgebiet zugeteilt erhalten habe und nur für die Klägerin tätig gewesen sei. Die Vereinbarung, R. solle freier Mitarbeiter sein, verstoße gegen § 139 Abs. 1 Satz 2 RVO und sei daher nach § 139 Abs. 2 RVO nichtig.
Das Sozialgericht Lübeck hat die Feststellungsklage, daß die Tätigkeit R. selbständig und daher versicherungsfrei sei, durch Urteil vom 30. September 1954 abgewiesen: Es komme auf die tatsächlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an. Selbst eine Beschäftigung nach § 84 des Handelsgesetzbuchs (HGB) könne, wie sieh aus Abs. 2 HGB ergebe, unselbständig sein. Auch Provision könne Entgelt im Sinne des § 160 RVO sein. Die persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen von der Klägerin ergebe sich aus den Spesenzuschüssen und aus dem abgegrenzten Tätigkeitsbereich. Im übrigen sei in der Vereinbarung die Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung erwähnt und damit die Schutzbedürftigkeit erkannt worden.
Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (LSG.) hat, durch Urteil vom 6. April 1955 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht seien nicht die vortraglichen Abmachungen, sondern die persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend, wobei die persönliche Stellung im Vordergrund stehe. Vereinbarungen über die Verteilung der Soziallasten seien nicht bindend. Aus der Vereinbarung ergebe sich, daß die Beteiligten den Beigeladenen für schutzbedürftig gehalten hätten. Bei der Beurteilung, ob eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit vorliege, komme es auf die Einordnung in den fremden Betrieb, die Pflicht, Weisungen zu befolgen, die Überwachung und Regelung der Arbeitszeit, die Arbeitsfolge und das Arbeitsverfahren an. Die Form des Entgelts sei nicht entscheidend; die gezahlte Provision könne nicht ohne weiteres die Selbständigkeit rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamts setze die Selbständigkeit einer Stelle die persönliche Unabhängigkeit voraus. Dies komme auch in dem Handelsvertretergesetz vom 6. August 1953 (§ 84 HGB) zum Ausdruck, wonach nur der Handelsvertreter als selbständig bezeichnet werde, der im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen könne; das wirtschaftliche Moment spiele dagegen keine Rolle. Wenn auch bei Beurteilung der Versicherungspflicht die persönliche Abhängigkeit nicht allein entscheidend sei, so komme ihr doch eine maßgebende Bedeutung zu. Deshalb sei es von Bedeutung, daß R. nach Herkommen und sozialer Stellung zu den Arbeitnehmern gehöre, er habe seit 1947 abhängige Arbeit geleistet und befinde sich in einer schwachen wirtschaftlichen Lage. Die nach der schriftlichen Vereinbarung weitgehend freie Gestaltung seiner Tätigkeit und seiner Werbemethoden könnte nicht als Merkmale der Selbständigkeit gewertet werden, weil dies in der Eigenart der Tätigkeit begründet sei. Auch das Fehlen einer Aufsicht und einer Berichtspflicht spreche nicht für die Selbständigkeit des Beigeladenen. Entscheidend für die Abhängigkeit sei das Fehlen des Unternehmerrisikos. Ein wirtschaftliches Wagnis sei – wenn überhaupt – nur in geringem Umfange mit der Tätigkeit verbunden gewesen. „Soweit wirtschaftliche Voraussetzungen, etwa für Reisen in auswärtige Orte, erfüllt sein mußten, habe die Klägerin diese für R. geschaffen, indem sie einen festen Spesensatz von 3,– DM täglich und die Fahrtkosten 3. Klasse gezahlt habe.” Für den Kläger (richtig; den Beigeladenen R.) sei damit ein freigewerbliches Risiko bei seiner Tätigkeit überhaupt nicht übriggeblieben. Auch die weitgehend gleichbleibenden Monatseinkünfte R. für 1951/52 sprächen dafür, daß ein Unternehmerrisiko kaum vorgelegen habe. Was R. im Interesse der Klägerin zur Verfügung gestellt habe, sei tatsächlich nur seine Arbeitskraft gewesen.
Die Revision hat das LSG. nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen nicht gegeben seien. In der Rechtsmittelbelehrung hat das LSG. nur auf die Rechtsmittelfristen, den Sitz des Bundessozialgerichts (BSG.) und auf den Vertreterzwang vor dem BSG. hingewiesen.
Das Urteil ist der Klägerin am 31. Mai 1955 zugestellt worden. Mit der am 25. Juli 1955 beim BSG, eingegangenen Revision beantragt sie, das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck aufzuheben und festzustellen, daß die Tätigkeit des Anzeigen- und Abonnentenwerbers R. für die Zeit vom 1. Januar 1951 bis zum 30. April 1952 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Sie führt an, die Revisionsfrist sei nicht versäumt, weil die Rechtsmittelbelehrung unrichtig gewesen sei. Sie ist der Auffassung, das LSG. hätte die Revision zulassen müssen, weil es von grundsätzlichen Entscheidungen des RVA. abgewichen sei.
Die Klägerin rügt ferner, das LSG. habe § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt; es habe den Sachverhalt nicht unter Berücksichtigung der neu vorgebrachten Beweismittel geprüft. Sie habe beantragt, ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer darüber beizuziehen, daß im Zeitungs- und Verlagsgeschäft die Abonnentenwerber durchweg freiwillige und selbständige Mitarbeiter seien. Das angefochtene Urteil verstoße in der materiellrechtlichen Beurteilung gegen die Grundsätzlichen Entscheidungen des RVA. vom 3.2.1943 (AN 1943 S. 106) und vom 9.12.1942 (AN 1944 S. 242). Das LSG. habe die Entscheidung allein darauf abgestellt, daß R. wirtschaftlich nicht unabhängig gewesen sei. Darauf komme es aber nach der Rechtsprechung des RVA (AN 1943 S. 106) nicht an, weil die wirtschaftliche Abhängigkeit bei Unselbständigen und Selbständigen gleichermaßen gegeben sein könne. Entscheidend sei das Maß der persönlichen Abhängigkeit. Das LSG. wolle Unterschiede nach der Höhe und Gleichmäßigkeit der Provision machen und den Vertreter, je nachdem, ob er geringe oder hohe Einkünfte habe, als unselbständig oder als selbständig ansehen. Das sei verfehlt. Das LSG. habe auch im Gegensatz zu der im Tatbestand wiedergegebenen schriftlichen Abmachung festgestellt, daß der Beigeladene für Reisen in auswärtige Orte einen festen Spesensatz von 3,– DM täglich und die Fahrtkosten 3. Klasse erhalten habe, während ihm in Wirklichkeit dieser Betrag nur für die Anzeigenwerbung in größeren Orten gezahlt worden sei.
Die Beklagte, die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beantragen, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Obwohl die Revision gegen das am 31. Mai 1955 zugestellte Urteil des LSG. erst am 25. Juli 1955 beim BSG. eingegangen ist, ist sie fristgemäß eingelegt, weil die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils unrichtig, nämlich unvollständig ist (BSG. 6, S. 105). In der Rechtsmittelbelehrung fehlt der Hinweis darauf, daß die Revision das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten und außerdem die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen und Beweismittel, die den Mangel ergeben, bezeichnen muß (BSG. 1 S. 227). Die Zustellung des angefochtenen Urteils an den Kläger hat somit nicht die Monatsfrist des § 164 Abs. 1 Satz 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 in Lauf gesetzt. Daher ist die Revision beim BSG. rechtzeitig eingegangen.
Da das Landessozialgericht die Revision nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Rüge der klagen- den Firma, das Berufungsgericht hätte die Revision zulassen müssen, weil es von Entscheidungen des früheren Reichsversicherungsamts abgewichen sei, greift nicht durch. Dabei kann offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Nichtzulassung trotz Vorliegens eines Zulassungsgrundes – weil z. B. von einer Grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamts abgewichen wurde (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz SGG) – einen wesentlichen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens darstellt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern das Landessozialgericht von einer Entscheidung des Reichsversicherungsamts abgewichen ist, denn die in der Revisionsschrift bezeichneten Entscheidungen des Reichsversicherungsamts betreffen nicht, wie hier, Anzeigen- und Abonentenwerber, sondern mit dem Vertrieb von Zeitungen beauftragte sogenannte Ortsagenten (AN. 1943 S. 106) und Bezirksvertreter eines Versicherungsunternehmens (AN. 1944 S. 242).
Das Verfahren des Berufungsgerichts leidet jedoch, wie die Revision mit Recht rügt, insofern an einem wesentlichen Mangel, als das Landessozialgericht bei der Beurteilung, inwieweit der Beigeladene R. ein eigenes Unternehmerrisiko getragen hat, einen Sachverhalt zugrunde legt, der den im Urteilstatbestand getroffenen Feststellungen widerspricht. Nach der Begründung seines Urteils hat das Landessozialgericht entscheidendes Gewicht darauf gelegt, daß für den Beigeladenen unter den gegebenen Umständen „ein freigewerbliches Risiko überhaupt nicht übrigblieb”. Diese Schlußfolgerung beruht auf der Annahme, die Klägerin habe sämtliche wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit des Beigeladenen geschaffen, insbesondere die Fahrtkosten und das Zehrgeld bei Reisen nach auswärts getragen und der Beigeladene habe nur seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Insoweit befindet sich das Berufungsgericht indessen in klarem Gegensatz zu der von ihm selbst im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Vereinbarung der Klägerin mit dem Beigeladenen vom 22. Oktober 1949, die nach § 128 SGG bei der rechtlichen Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht außer acht gelassen werden durfte. Nach dieser Vereinbarung vergütete die Klägerin dem Beigeladenen neben den Fahrtkosten „als Spesen bei der Bearbeitung größerer auswärtiger Orte für jeden vollen Arbeitstag DM 3,–”; einen Spesen- oder Reisekostenzuschuß für die Werbung von Abonnenten lehnte sie dagegen ausdrücklich ab. Hieraus ergibt sich, daß der Beigeladene die mit dem Besuch auswärtiger Orte verbundenen Unkosten (Fahr- und Zehrgelder), für die Abonnentenwerbung in allen Orten und für die Anzeigenwerbung in anderen als „größeren” Orten selbst zu tragen hatte. Bei dieser – aus den schriftlich niedergelegten Abmachungen klar ersichtlichen – Gestaltung der Vertragsbeziehungen entbehrt die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei für alle mit der Tätigkeit des Beigeladenen zusammenhängenden Unkosten aufgekommen, der tatsächlichen Grundlage; sie überschreitet damit die Grenzen, die der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 128 SGG gezogen sind (vgl. BSG, 4 S. 112). Da es nicht ausgeschlossen erscheint, daß das Berufungsgericht bei richtiger Würdigung der erwähnten Vertragsbestimmungen zu einer anderen Auffassung über die meiner Ansicht nach entscheidende Frage des Unternehmerrisikos gelangt wäre, beruht sein Urteil auf dem gerügten Verfahrensmangel und ist deshalb aufzuheben. Mangels hinreichender Feststellungen kann der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht treffen, sondern muß den Rechtsstreit an das Vordergericht zurückverweisen.
Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landessozialgericht folgendes zu beachten haben: Nach feststehender Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 25.2.1958 – 3 RK 73/55 – SozR. RVO § 165 Bl. Aa 3 Nr. 6 und RVA. in AN. 1943, 106 [107]) setzt das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Reichsversicherungsordnung vor allem persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten voraus. Biese beurteilt sich in erster Linie danach, ob und inwieweit der Beschäftigte in einen fremden Betrieb als Arbeitnehmer eingegliedert und den Weisungen des Arbeitgebers über die Ausführung der Arbeit zu folgen verpflichtet ist (BSG. 3, 30 [35]). Die Bindung an Weisungen kann bei Außenbeschäftigten (z. B. Reisenden) namentlich in der Regelung der Arbeitszeit, in der Bestimmung des Reiseweges einschließlich der aufzusuchenden Orte und Personen und in der Festlegung einer Pflicht, über den Erfolg der Tätigkeit laufend zu berichten, zum Ausdruck kommen. In dieser Richtung wird das Landessozialgericht noch weitere Ermittlungen anzustellen haben, insbesondere wird es – gegebenenfalls durch Anhörung des Beigeladenen R. sowie von Angehörigen des Betriebs der Klägerin – aufklären müssen, ob der Beigeladene innerhalb seines räumlichen Wirkungsbereiches nach Belieben die Orte auswählen durfte, in denen er jeweils Anzeigenaufträge oder neue Bezieher für die Klägerin zu werben beabsichtigte. Da die Klägerin nach der schriftlich niedergelegten Vereinbarung dem Beigeladenen bei Reisen in größere Orte für die Werbung von Anzeigenaufträgen die Fahrtkosten zu erstatten und einen Spesenzuschuß zu zahlen hatte, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie auch bei der Auswahl der zu bereisenden Orte und der Reihenfolge ihres Besuchs ein gewisses Weisungsrecht hatte. Im übrigen wird das Landessozialgericht der in der Revisionsinstanz vorgetragenen Behauptung nachzugehen haben, der Beigeladene habe ihr täglich Bericht erstattet, und eng mit der Redaktion zusammengearbeitet. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch neu prüfen müssen, ob und inwieweit der Beigeladene ein eigenes Unternehmerrisiko getragen hat. Der Wortlaut der schriftlich niedergelegten Vereinbarung vom 22. Oktober 1949, wonach der Beigeladene Rexin nicht gegen festes Gehalt, sondern gegen Provision tätig werden sollte, spricht dafür, daß der Beigeladene ein solches Risiko – jedenfalls zum Teil – zu tragen hatte. Ob diese vertragliche Regelung allerdings den für die versicherungsrechtliche Beurteilung allein maßgebenden tatsächlichen Verhältnissen voll entsprochen hat, wird noch näher aufzuklären sein; auffällig ist, daß die Monatsbezüge des Beigeladenen in der hier in Betracht Kommenden Zeit z.T. bis auf den Pfennig übereinstimmen. Im übrigen wird das Landessozialgericht zu beachten haben, daß jemand, der nicht für eine Tätigkeit als solche, sondern für den Erfolg seiner Arbeit bezahlt wird, in diesem Sinne also die Gefahr für seine aufgewandte Arbeitsmühe trägt, in aller Regel freie Hand in der Einteilung und Ausführung der Arbeit haben wird. Da die Übernahme des Unternehmerrisikos oder eines wesentlichen Teiles davon im allgemeinen für Freiheit bei der Gestaltung der Arbeit spricht, ist umgekehrt das Fehlen jeglichen eigenen Risikos in der Regel kennzeichnend für eine persönlich abhängige, weisungsgebundene Stellung. Daß der Beigeladene hier – jedenfalls nach den schriftlich niedergelegten Abmachungen – zu einem erheblichen Teil das Arbeitsrisiko getragen hat, ergibt sich schon daraus, daß er nicht gegen ein festes Gehalt, sondern gegen Provision tätig war. Indessen kommt es, wie das LSG. zutreffend dargelegt hat, auf das Gesamtbild der Stellung des Beigeladenen R. an; die Übernahme eines Teiles des Unternehmerrisikos kann – neben anderen Gesichtspunkten – nur ein Anhalt für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sein. Die Zahlung von Provision reicht jedenfalls für sich allein nicht aus, die persönliche Abhängigkeit der Beschäftigung auszuschließen.
Sollte sich hiernach ergeben, daß die Art. der Beschäftigung des Beigeladenen in den genannten Beziehungen weder einen sicheren Schluß auf die Selbständigkeit noch auf die Unselbständigkeit seiner Tätigkeit erlaubt, so wird weiterhin zu erwägen sein, ob das Gesamtbild der vom Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (RVA. in Nr. 1943, 106 [107]) – in die eine oder andere Richtung weist, ob der Beigeladene mithin während der streitigen Zeit im Mittelpunkt eines eigenen Unternehmens gestanden hat oder nur Glied eines fremden. Betriebes gewesen ist. In diesem Zusammenhang könnte auch die Zugehörigkeit des Beigeladenen zum Kreise der regelmäßig in versicherungspflichtiger Beschäftigung stehenden Arbeitnehmer von Bedeutung sein. Zu berücksichtigen wäre ferner, ob der Beigeladene nach der ursprünglichen Vereinbarung mit der Klägerin auf die Dauer die Stellung eines „freien Mitarbeiters” bekleiden sollte oder ob diese Zeit von den Vertragspartnern von vornherein mehr als eine Übergangs- und Probezeit angesehen wurde, der Beigeladene also im Falle der Bewährung mit der „Übernahme in das Angestelltenverhältnis” rechnen durfte. Im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände kann schließlich auch die steuer- und gewerberechtliche Stellung des Beigeladenen ein wichtiges Merkmal für die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit seiner Tätigkeit darstellen (vgl. das angeführte Urteil des Senats vom 25.2.1958).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 926601 |
MDR 1959, 156 |