Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirksamkeit eines Berichtigungsbescheides. Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte. Gegenstand des Revisionsverfahrens
Orientierungssatz
1. In der Zeit vom 1.1.1953 bis 31.3.1955 gilt Nr 26 SVAnO 11 nicht mehr, § 41 KOVVfG aber noch nicht, die Rechtswirksamkeit eines in dieser Zeit ergangenen Berichtigungsbescheides kann also nur nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts beurteilt werden, die Gesetz im Sinne des § 77 SGG sind und eine Durchbrechung der bindenden Wirkung von Verwaltungsakten gestatten (vgl BSG 1959-06-11 11 RV 1188/57 = BSGE 10, 72).
Begünstigende Verwaltungsakte, die rechtswidrig, aber nicht nichtig sind, können danach nur zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich des durch den Verwaltungsakt Begünstigten fallen.
2. Für eine Widerklage wegen eines bereits rechtshängigen Anspruchs fehlt stets das Rechtsschutzbedürfnis.
3. Ergeht während des Revisionsverfahrens ein Bescheid, der einen vorangegangenen Bescheid nur ergänzt und auf neue Tatsachen stützt, so wird dieser zweite Bescheid nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens (vgl BSG 1961-09-20 7 RAr 28/58 = BSGE 15, 105).
Normenkette
SVAnO 11 Nr. 26; KOVVfG § 41; BVG § 84 Abs. 3
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 28.05.1959) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 17.08.1956) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Mai 1959 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußrevision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Mai 1959 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. August 1956 aufgehoben. Die Widerklage wird abgewiesen. Der Berichtigungsbescheid des Versorgungsamts H vom 28. April 1954 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger leistete in beiden Weltkriegen Wehrdienst. Im Juni 1951 beantragte er wegen einer Oberschenkelverwundung, einer Steckschußverletzung des linken Oberarmes und wegen Nierenleidens Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Nierenleiden führte er auf seinen Dienst als Transportbegleiter im zweiten Weltkrieg zurück. Die Versorgungsbehörde lehnte den Antrag zunächst mit der Begründung ab, die Verwundungsnarben des Klägers seien auf dessen Erwerbsfähigkeit ohne Einfluß und das Nierenleiden stehe nur in zeitlichem, nicht aber ursächlichem Zusammenhang mit dem Wehrdienst. Auf den Einspruch des Klägers hob der Beschwerdeausschuß den Bescheid auf, erkannte mit Beschluß vom 3. Juni 1952 Abflußbehinderung des linken Harnleiters nach Harnleitersteinentfernung (Narbenschrumpfung) sowie Oberschenkel- und Oberarmschußverletzung links ohne wesentliche Funktionsstörung als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG an und gewährte dem Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 v. H. Die Arzte der versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle, Dr. N und Dr. G, hatten in der Erkrankung des Klägers im Juli/August 1944 eine auf den Dienst als Transportbegleiter zurückzuführende Nierenbeckenentzündung gesehen, die zur Steinbildung und zu weiteren Beschwerden geführt habe. Der Kläger erhielt hierüber die Benachrichtigung vom 16. Juni 1952.
Im November 1952 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Die Untersuchung ergab unter Berücksichtigung der Krankengeschichte des Allgemeinen Krankenhauses B, daß im Juli 1952 eine Abflußbehinderung im linken Harnleiter nicht mehr bestanden habe. Rechtsseitige Nierenkoliken, deretwegen der Kläger im November 1952 behandelt worden sei, seien nicht als Versorgungsleiden anzusehen. Da sich nunmehr auch rechts eine Nierensteinbildung zeige, sei anzunehmen, daß bei dem Kläger die Steindiathese auch zur Nierensteinbildung links geführt habe, nicht aber eine im übrigen nicht bewiesene Nierenbeckenentzündung. Durch Bescheid vom 20. Mai 1953 lehnte die Beklagte den Verschlimmerungsantrag ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Nach Klageerhebung hob die Beklagte durch Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 die Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 auf und entzog dem Kläger die Rente ab 1. Juli 1954; am 17. August 1956 erhob sie hilfsweise Widerklage mit dem Antrag, festzustellen, das Leiden "Abflußbehinderung linker Harnleiter nach Harnleitersteinentfernung (Narbenschrumpfung)" sei nicht mehr Schädigungsfolge und die für die übrigen Schädigungsfolgen verbleibende MdE berechtige nicht mehr zum Bezug von Rente. Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 17. August 1956 den Berichtigungsbescheid vom 18. April 1954 auf, verurteilte die Beklagte, dem Kläger bis zum 30. September 1956 weiterhin wie bisher Versorgungsrente zu gewähren und wies im übrigen die Klage ab. Auf die Widerklage stellte es fest, das Versorgungsleiden "Abflußbehinderung linker Harnleiter nach Harnleitersteinentfernung (Narbenschrumpfung)" und folglich auch die Rentenzahlung entfalle ab 1. Oktober 1956. Die Anerkennung eines Nierenleidens sei nach den Gutachten von Prof. J, Dr. M und Dr. A zwar unzweifelhaft unrichtig gewesen, für den Berichtigungsbescheid habe aber die Rechtsgrundlage gefehlt. Die Widerklage trete an die Stelle eines neuen Berichtigungsbescheides; nach § 60 Abs. 2 BVG entfalle die Rente deshalb ab 1. Oktober 1956.
Mit der Berufung beantragte der Kläger Weiterzahlung seiner Rente über diesen Zeitpunkt hinaus sowie Abweisung der Widerklage. Er hielt sowohl den Berichtigungsbescheid als auch die Widerklage für unzulässig.
Die Beklagte beantragte mit ihrer Berufung die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin ihr Berichtigungsbescheid aufgehoben und sie verurteilt worden sei, Rente bis zum 30. September 1956 zu zahlen.
Das Landessozialgericht (LSG) zog ein weiteres Gutachten von Prof. J und Dr. M bei und hörte Dr. M als Sachverständigen. Mit Urteil vom 28. Mai 1959 wies es beide Berufungen zurück und ließ die Revision zu. Der Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 sei rechtswidrig. Er habe nicht auf die zu dieser Zeit bereits außer Kraft getretene Ziffer 26 der Sozialversicherungs-Anordnung (SVA) Nr. 11 und ebenfalls nicht auf den erst ab 1. April 1955 geltenden § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) gestützt werden können. Das sei durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gesichert. Auch die Voraussetzungen der §§ 1744 RVO und 62 BVG hätten nicht vorgelegen. Die Widerklage sei zulässig. Das BSG habe zwar entschieden, soweit die Verwaltungsbehörde eine Sache durch Verwaltungsakt zu regeln vermöge, könne sie nicht die Gerichte in Anspruch nehmen. Im vorliegenden Fall liege aber ein Entziehungsbescheid bereits vor. Es sei dasselbe, ob die Beklagte ihren Entziehungsbescheid gestützt auf § 41 VerwVG wiederhole und ihn so zum Gegenstand des Verfahrens mache oder ob sie Widerklage erhebe. Auf die Widerklage sei festzustellen, daß die Anerkennung der Abflußbehinderung im linken Harnleiter ohne Zweifel unrichtig gewesen sei, denn sie habe nach dem Gutachten von Prof. J und Dr. M niemals bestanden. Wenn die Widerklage an die Stelle eines Berichtigungsbescheides trete, habe sie die gleichen Wirkungen wie dieser. Das Versorgungsrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten sei deshalb am 1. Oktober 1956 erloschen und das Urteil des LSG richtig. Das Urteil des LSG wurde den Beteiligten am 22. Juni 1959 zugestellt.
Mit der am 17. Juli 1959 eingelegten und nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 22. September 1959 am 22. August 1959 begründeten Revision rügt die Beklagte Verletzung des § 84 Abs. 3 BVG. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 28. April 1954 sei Ziff. 26 der SVA Nr. 11. Diese Bestimmung habe nach dem 31. Dezember 1952 weitergegolten. § 84 Abs. 3 BVG habe nur die Befristung der Geltungsdauer, nicht aber die Vorschrift als solche aufgehoben. Außerdem sei der Berichtigungsbescheid auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zulässig gewesen, denn das öffentliche Interesse an der Aufhebung einer rechtswidrigen Entscheidung habe das Interesse des Klägers am weiteren Bezug einer ihm nicht zustehenden Versorgungsleistung überwogen. Jedenfalls habe aber die Beklagte gemäß § 41 VerwVG den Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 3. Juni 1952 und ihre darauf beruhende Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 mit dem inzwischen erlassenen Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1959 berichtigen dürfen. Dieser neue Bescheid gelte gemäß § 171 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als mit der Klage beim SG angefochten; der Kläger habe hierzu bisher keine Anträge gestellt. Unzutreffend sei die Auffassung des LSG, die Widerklage lasse den Rentenzahlungsanspruch erst mit Ablauf des auf ihre Zustellung folgenden Monats in Wegfall kommen. Insoweit seien die §§ 41 und 47 Abs. 3 VerwVG verletzt. Wie der Berichtigungsbescheid wirke auch die Widerklage auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zurück, dessen Rechtswidrigkeit sie festgestellt wissen wolle. Die Beklagte könne daher nicht zu Leistungen auf Grund ihrer rechtswidrigen Entscheidung vom 3. Juni 1952 und der Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 verurteilt werden, weil der Kläger jedenfalls beim Empfang dieser Leistungen gewußt habe, daß sie ihm nicht zustünden, und weil die Leistungen deshalb nach § 47 Abs. 3 VerwVG zurückgefordert werden könnten. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil unter gleichzeitiger Klageabweisung insoweit aufzuheben, als darin ihre Berufung gegen das Urteil des SG Hamburg vom 17. August 1956 zurückgewiesen worden ist.
Mit der am 19. September 1959 eingelegten und begründeten Anschlußrevision wendet sich der Kläger gegen die Auffassung der Vorinstanzen, die Widerklage sei zulässig. Das LSG habe dies rechtsirrig bejaht und es deshalb unterlassen, zu prüfen, ob der Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zulässig gewesen sei. Dies müsse verneint werden, weil die Rechtswidrigkeit der Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 nicht durch Umstände verursacht worden sei, die in den Verantwortungsbereich des Klägers fielen. Die Behauptung des Klägers, er habe eine Nierenentzündung durchgemacht, sei allein nicht ursächlich für die Rentenbewilligung, denn die Beklagte habe nach eigener Prüfung selbst eine Nierenentzündung angenommen und es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, daß er keine Nierenentzündung durchgemacht habe. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen und auf seine Anschlußrevision das Urteil des LSG Hamburg vom 28. Mai 1959 und das Urteil des SG Hamburg vom 17. August 1956 aufzuheben, ferner die Widerklage abzuweisen und den Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Anschlußrevision des Klägers zurückzuweisen.
Die durch Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig (§§ 160, 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sie erweist sich jedoch im Ergebnis als unbegründet. Auch die Anschlußrevision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166, 202 SGG iVm § 556 ZPO; BSG 8, 24). Sie ist sachlich begründet.
Der Auffassung der Revision, die Beklagte habe den Beschluß ihres Beschwerdeausschusses vom 3. Juni 1952 und ihre Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 rechtswirksam mit Wirkung ab 1. Juli 1954 aufgehoben, kann nicht gefolgt werden. Der Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954, mit dem die Beklagte zwar nicht ausdrücklich, wohl aber sinngemäß neben ihrer Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 auch den Beschluß ihres Beschwerdeausschusses vom 3. Juni 1952 mit Wirkung ab 1. Juli 1954 aufhob, ist mangels ausreichender gesetzlicher Grundlage rechtswidrig. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist Ziff. 26 der SVA Nr. 11 (ArbBl für die brit. Zone 1947 S. 234) bereits am 1. Januar 1953 außer Kraft getreten; seine Geltungsdauer ist durch § 84 Abs. 3 BVG nicht verlängert worden (BSG 8,11; 10, 72 sowie Urteil des erkennenden Senats vom 24. August 1960 - 9 RV 322/58). Der Bescheid vom 28. April 1954 konnte daher auf diese Bestimmung nicht mehr gestützt werden. Auch § 41 VerwVG kommt als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, weil dieser nach § 51 Abs. 1 VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getretenen Vorschrift keine Rückwirkung beigelegt ist und es für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Berichtigungsbescheides als eines Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (BSG 5, 238; 7, 8). Galt somit in der Zeit vom 1. Januar 1953 bis 31. März 1955 die Ziff. 26 der SVA Nr. 11 nicht mehr und § 41 VerwVG noch nicht, so kann die Rechtswirksamkeit eines in dieser Zeit ergangenen Berichtigungsbescheides nur nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts beurteilt werden, die "Gesetz" im Sinne des § 77 SGG sind und eine Durchbrechung der bindenden Wirkung von Verwaltungsakten gestatten (BSG 7, 51; 8, 11; 10, 72). Danach können begünstigende Verwaltungsakte, die rechtswidrig, aber nicht nichtig sind, zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich des durch den Verwaltungsakt Begünstigten fallen. Im vorliegenden Fall hat nach den Feststellungen des LSG das Versorgungsleiden "Abflußbehinderung linker Harnleiter nach Harnleitersteinentfernung (Narbenschrumpfung)" niemals bestanden. Diese Leidensbezeichnung stammt aber von der Beklagten. Der Kläger selbst hat nur ein "Nierenleiden" geltend gemacht. Daß auch ein "Nierenleiden" nie bestanden habe, hat das LSG nicht festgestellt. Wenn die Verwaltungsbehörde ein bestehendes Leiden bezw. dessen Restfolgen unrichtig bezeichnet oder beurteilt, so fällt die dadurch entstandene Unrichtigkeit grundsätzlich in ihren Verantwortungsbereich. Maßgebend für die Anerkennung des Harnleiterleidens durch die Beklagte war das ärztliche Gutachten von Dr. N und Dr. G vom 20. Mai 1952, das hinsichtlich des vom Kläger im Versorgungsantrag angegebenen Nierenleidens nach Munitionstransport auf offenen Loren, abweichend von dem früheren versorgungsärztlichen Gutachten vom 18. Februar 1952, die Wahrscheinlichkeit einer Nierenbeckenentzündung als Basis des Versorgungsleidens bejahte. Dieses Gutachten wurde auf Veranlassung der Beklagten von einer versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle erstattet und vom leitenden Arzt der Versorgungsbehörde überprüft. Die Verwaltungsbehörde muß sich seine Fehlerhaftigkeit daher zurechnen lassen und kann ihren darauf beruhenden Beschluß vom 3. Juni 1952 und ihre Benachrichtigung vom 16. Juni 1952 deshalb auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht zurücknehmen. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Verwaltungsbehörde die Rente nur für die Zukunft entzogen hat. Zwar hat der 11. Senat des BSG, wie die Revision zutreffend einwendet, am 6. September 1961 entschieden (BSG 15, 81), daß die Verwaltung einen Bescheid mit Wirkung für die Zukunft auch dann zurücknehmen kann, wenn die Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheids allein in den Verantwortungsbereich der Verwaltungsbehörde fällt. Er hat dabei darauf abgehoben, seit wann die (rechtswidrigen) Zahlungen gezahlt wurden und wie lange sie voraussichtlich noch zu gewähren sind. Hier handelt es sich jedoch um einen anders gelagerten Sachverhalt. Dort war die Unrichtigkeit des zurückgenommenen Bescheids auf das eindeutige Fehlen eines Unterhaltsanspruchs gegenüber dem geschiedenen Ehemann als Anspruchsvoraussetzung für eine Verschollenheitsrente gestützt, während hier der unveränderte Leidenszustand des Klägers nur medizinisch anders beurteilt wird. Durch die neuen, dem Kläger ungünstigen Gutachten ist insbesondere aber nicht widerlegt worden, daß der Kläger sich durch wehrdienstliche Einflüsse eine Nierenbeckenentzündung zugezogen hat. Das LSG hat eine Prüfung nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts unterlassen; es hat indes im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 rechtswidrig ist. Daß die Beklagte nach § 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) oder § 62 BVG zum Erlaß des Berichtigungsbescheides berechtigt war, hat sie weder behauptet noch bietet der vom LSG bindend festgestellte Sachverhalt einen Anhalt hierfür.
Rechtsirrig haben die Vorinstanzen dagegen die Widerklage als zulässig angesehen. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte die Möglichkeit hatte, ihren mit der Widerklage erhobenen Feststellungsanspruch auf "einfachere, schnellere und billigere Art als im Klagewege" durchzusetzen (BSG 3, 136; 6, 97; 15, 81). Bei Erhebung der Widerklage - August 1956 - konnte die Beklagte jedenfalls die Einstellung und Entziehung der Rente durch einen auf § 41 Abs. 1 VerwVG gestützten Berichtigungsbescheid selbst vornehmen, wenn sie die Voraussetzungen hierfür als gegeben ansah. Außerdem ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die geforderte Feststellung auch deshalb nicht einzusehen, weil die Widerklage den bereits mit der Anfechtungsklage des Klägers erhobenen Anspruch - Rechtswidrigkeit der Rentenentziehung, Fortbestehen des Versorgungsrechtsverhältnisses - nur in negativer Form wiederholt und somit einen schon rechtshängigen Anspruch betrifft. Für eine (Wider-)Klage wegen eines bereits rechtshängigen Anspruchs fehlt stets das Rechtsschutzbedürfnis (Baumbach, Komm. zur ZPO, 26. Aufl. 1961, Grundzüge 5 A vor § 253 S. 428). Das Rechtsschutzbedürfnis ist unverzichtbare Prozeßvoraussetzung für jede Klage und Widerklage (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S. 238 o; Mellwitz, Komm. zum SGG, § 53 Anm. 4; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. S. 402). Sein Fehlen ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BSG 2, 245 ff); im vorliegenden Fall wird das auch von der Anschlußrevision gerügt. Die Widerklage mußte daher als unzulässig abgewiesen und die Revision der Beklagten gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückgewiesen werden.
Den Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1959 hat die Beklagte während des Revisionsverfahrens erlassen. Dieser Bescheid hat den früheren Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 nicht ersetzt, vielmehr heißt es darin ausdrücklich: "im übrigen verbleibt es bei den Feststellungen des Bescheides vom 28. April 1954". Der neue Verwaltungsakt hat aber den angefochtenen Verwaltungsakt ergänzt und damit im Sinne des § 171 Abs. 2 SGG "abgeändert". Die Ausnahmefälle dieser Vorschrift sind nicht gegeben: Der Kläger ist durch den neuen Verwaltungsakt weder klaglos gestellt noch wird dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfange genügt. Denn auf Grund des ersten Verwaltungsaktes ist eine Überprüfung der Frage, ob die Versorgungsbehörde eine - neue - Berichtigung nach § 41 Abs. 1 VerwVG vornehmen durfte - wie oben dargetan - nicht möglich. Die Klage betraf zunächst die Ablehnung des Verschlimmerungsantrags des Klägers, später war nur noch der Berichtigungsbescheid vom 28. April 1954 im Streit. Im Berufungsverfahren hatte der Kläger beantragt, das SG-Urteil insoweit abzuändern, als es Versorgung über den 30. September 1956 hinaus versage. Im Revisionsverfahren wird Aufhebung des Berichtigungsbescheides vom 28. April 1954 sowie Abweisung der Widerklage als unzulässig beantragt. Der Kläger begehrt also zeitlich unbegrenzt eine Versorgungsrente nach einer MdE um 25 v. H. Durch den Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1959 ist der erkennende Senat jedoch gehindert, auf Grund des ersten Verwaltungsaktes von 1954 auch für die Zeit nach Erteilung des Bescheides von 1959 eine Entscheidung über den Versorgungsanspruch zu treffen. Da sonach dem Klagebegehren durch eine Entscheidung zum ersten Verwaltungsakt nicht in vollem Umfang genügt werden kann, gilt der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim SG angefochten (§ 171 Abs. 2 SGG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 20. September 1961 (BSG 15, 105). Zwar wurde hier entschieden, ein während des Revisionsverfahrens ergangener Bescheid, der den streitigen aufhebe, aber die gleiche Rechtsfolge nur mit einer neuen Begründung ausspreche, sei nicht als neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 171 Abs. 2 SGG anzusehen und daher vom Revisionsgericht nachzuprüfen. Im vorliegenden Fall hat jedoch der im Revisionsverfahren ergangene Bescheid den streitigen nicht aufgehoben und auch nicht lediglich die gleiche Rechtsfolge mit einer neuen (rechtlichen) Begründung ausgesprochen. Vielmehr ist der alte Bescheid "im übrigen" aufrechterhalten worden, ferner wurde der neue Bescheid ua auch mit dem Ergebnis des Gutachtens vom 13. Januar 1956 und 24. Februar 1959, also mit erst nach Erlaß des Bescheides von 1954 gewonnenen Beweisergebnissen, begründet und schließlich kann der auf § 41 VerwVG gestützte Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1959 nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 10 zu § 41 VerwVG tatsächlich gewährte Versorgung nur mit Wirkung für die Zukunft entziehen. Wenn auch eine Verwaltungsvorschrift nicht einer Rechtsverordnung gleichkommt, so darf doch von ihr in einem Einzelfall nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden. Dadurch könnte der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verletzt werden (Bayr. VerfGH vom 10. April 1962 in MDR 1962, 458 Nr. 2). Der Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1959 ist daher auch nach diesen Erwägungen nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Der Anschlußrevision des Klägers kann der Erfolg nicht versagt bleiben, da sich die Widerklage als unzulässig erwiesen hat. Das Urteil des LSG war daher, soweit es die Berufung des Klägers zurückweist, und das Urteil des SG hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage, aufzuheben.
Die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge waren der Beklagten, die in allen Streitpunkten, abgesehen vom Verfahren über den nicht mehr streitigen Verschlimmerungsantrag, unterlegen ist, aufzuerlegen (§ 193 SGG).
Fundstellen