Entscheidungsstichwort (Thema)
Ankündigung eines bestimmten Verhaltens
Leitsatz (redaktionell)
Der Senat hält an der in den Urteilen vom 1966-02-15 11 RA 289/65 = BSGE 24, 236 und vom 1967-05-23 11 RA 280/65 = BSGE 26, 266 und in weiteren Urteilen vertretenen Auffassung fest, daß SGG § 96 auch dann anzuwenden ist, wenn der Versicherungsträger in scheinbar verbindlicher Weise ein bestimmtes künftiges Verhalten ankündigt und später einen entsprechenden Verwaltungsakt erläßt.
Normenkette
SGG § 96 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. September 1966 abgeändert. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Klägerin begehrt hat, den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1965 hinsichtlich der "Berichtigung" des Bescheides vom 25. Juli 1958 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Anpassung nach dem 8. RAG auf Grund der Berechnung in dem Bescheid vom 25. Juli 1958 vorzunehmen.
Die Anschlußberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Unter Aufhebung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts zu erstatten. Für das Revisionsverfahren sind der Klägerin Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Bescheid vom 25. Juli 1958 gewährte die Beklagte der Klägerin (geb. am 13. Januar 1893) ab 1. Januar 1958 Altersruhegeld; bei der Rentenberechnung wurde für Pflichtbeitragszeiten der Klägerin zur Angestelltenversicherung (AnV) das Arbeitsentgelt der Klägerin nach Art. 2 § 54 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG - (i. d. F. vor dem Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965) erhöht. Diese Rente wurde für die Jahre 1960 bis 1964 nach dem 2. bis 6. Rentenanpassungsgesetz (RAG) angepaßt. Die nach dem 7. RAG angepaßte Rente betrug ab 1. Januar 1965 monatlich 340,30 DM. Während des Berufungsverfahrens wurde die Rente nach dem 8. RAG ab 1. Januar 1966 mit 358,50 DM angepaßt.
Im November 1960 hatte die Klägerin eine Rentenerhöhung nach Art. 2 § 55 des Arbeiterrentenversicherungs- Neuregelungsgesetzes (ArVNG) für Versicherungszeiten in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) von 1909 bis 1915 beantragt. Am 8. Februar 1965 erließ die Beklagte einen neuen Bescheid folgenden Inhalts:
"Eine Überprüfung hat ergeben, daß Ihre Rente nicht richtig berechnet worden ist, weil die neben den Pflichtbeiträgen der AnV gleichzeitig zur ArV nachgewiesenen Pflichtbeiträge für Sie eine Leistungssteigerung nicht auslösen. Wir verweisen u. a. auch auf Art. 2 § 11 Abs. 2 AnVNG.
Danach dürfte Ihre Rente anstatt 340,30 nur 331,- DM monatlich betragen. Hierzu verweisen wir auf die beigefügte Berechnungsanlage.
Da der derzeitige monatliche Zahlbetrag jedoch besitzgeschützt ist, wird die Rente in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Wir behalten und aber vor, Ihre Rente in Zukunft erst dann anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen, monatlichen Zahlbetrag übersteigt. Die überzahlten Beträge fordern wir nicht zurück.
..."
Der Bescheid enthielt u. a. folgende Zusätze:
"Für einen Teil der Beitragszeiten der ArV gewähren wir nachträglich die Erhöhung nach Art. 2 § 55 ArVNG.
Der Bescheid vom 25. Juli 1958 wird hinsichtlich der Berechnung hiermit aufgehoben."
Dem Bescheid war als Anlage eine Rentenberechnung beigefügt, die den Stempelaufdruck trägt: "Kein Bescheid - Nur Berechnungsanlage. Die Angaben in den Feldern 2 bis 11 und über den Wegfall der bisherigen Zahlungen treffen nicht zu."
Nach dieser Berechnungsanlage hätte die Rente der Klägerin in den Jahren 1958 und 1959 223,80 DM (statt der gezahlten 230,10 DM), in den folgenden Jahren jeweils etwa 7,- bis 8,- DM weniger als der gezahlte Betrag, im Jahre 1965 331,- DM (statt 340,30 DM) betragen müssen; bei dieser Berechnung wurden im wesentlichen entsprechend dem Antrag der Klägerin 238 zur ArV entrichtete Wochenbeiträge nach Art. 2 § 55 ArVNG erhöht angerechnet; 48 bisher angerechnete Wochenbeiträge zur ArV und 7 bisher angerechnete freiwillige Beiträge zur AnV (Inflationsbeiträge) wurden jedoch nicht mehr angerechnet. Die Zahl der Versicherungsjahre wurde von 42 auf 40,5 herabgesetzt, die "persönliche" Bemessungsgrundlage von 96,48 auf 97,32 erhöht.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 8. Februar 1965 insoweit aufzuheben, als dadurch der Bescheid vom 25. Juli 1958 berichtigt worden sei, und die Beklagte zu verurteilen, unter Berücksichtigung der nach Art. 2 § 55 ArVNG anerkannten Zeiten eine höhere Rente zu gewähren. Das Sozialgericht (SG) Hamburg gab der Klage zum ersten Teil des Klagebegehrens statt, es betrachtete damit auch den "Vorbehalt" in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 hinsichtlich der künftigen Rentenanpassungen als hinfällig, soweit er sich auf die Berichtigung stütze. Im übrigen wies es die Klage ab: Da die Beklagte der Klägerin zu Unrecht eine Rente bewilligt habe, die höher gewesen sei als die richtig mit der erhöhten Anrechnung der ArV-Beiträge nach Art. 2 § 55 ArVNG berechnete Rente, könne die Klägerin nicht zusätzlich zu den fehlerhaft angerechneten Beiträgen die erhöhte Anrechnung der jetzt anerkannten Zeiten nach Art. 2 § 55 ArVNG verlangen (Urteil vom 7. Oktober 1965).
Die Beklagte legte Berufung, die Klägerin Anschlußberufung ein. Die Beklagte beantragte, das Urteil des SG aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Kostentragung verurteilt wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen (sowie die Anschlußberufung der Klägerin zurückzuweisen). Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen, die Anpassung nach dem 8. RAG auf Grund der Berechnung in dem Bescheid vom 25. Juli 1958 vorzunehmen (und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg erließ am 2. September 1966 folgendes Urteil:
"Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Oktober 1965 insoweit geändert, als es den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 1965 aufgehoben hat. Die Klage wird insoweit abgewiesen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, die Anpassung nach dem 8. RAG auf Grund der Berechnung im Bescheid vom 25. Juli 1958 vorzunehmen.
Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des zweiten Rechtszuges zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen."
Das LSG führte im wesentlichen aus: Das SG habe zwar verkannt, daß der Bescheid vom 8. Februar 1965 kein anfechtbarer Verwaltungsakt und die Klage insoweit unzulässig sei; inzwischen habe aber die Beklagte die Rente der Klägerin nach dem 8. RAG entsprechend der Ankündigung in dem "Bescheid" vom 8. Februar 1965 angepaßt, sie habe jedoch keinen Anpassungsbescheid erlassen, der gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand dieses Verfahrens geworden wäre, der Klägerin sei nur von der Postanstalt eine Anpassungsmitteilung mit dem berichtigten Rentenzahlbetrag zugegangen; hiergegen habe sich die Klägerin nur im Wege der Anschlußberufung wehren können, die deshalb zulässig sei. Die Anschlußberufung sei begründet, die Berufung der Beklagten im wesentlichen unbegründet. Die Voraussetzungen, unter denen ein fehlerhafter, den Versicherten begünstigender Rentenfeststellungsbescheid, der bindend geworden sei, nach § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zuungunsten des Berechtigten geändert oder aufgehoben werden könne, und die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 138 SGG lägen nicht vor. Bei der Durchführung der Rentenanpassung sei eine "Korrektur" von Berechnungsfehlern in früheren Rentenfeststellungsbescheiden und damit eine "umschriebene Berichtigung" dieser Bescheide nach allen bis jetzt ergangenen Rentenanpassungsgesetzen (damals 1. bis 8. RAG) verboten. Dies ergebe sich für den hier vorliegenden Fall einer nach der neuen Rentenformel berechneten Rente (der sogenannten 1. Rentengruppe) aus den jeweils in § 2 des 4. bis 8. RAG enthaltenen Worten, daß die Anpassung "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" durchzuführen sei, und aus der Entstehungsgeschichte der §§ 2 und 3 dieser Rentenanpassungsgesetze sowie dem Sinn und Zweck der Rentenanpassung. Dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 236 ff), nach dem der Versicherungsträger bei der Anpassung dieser Renten nach dem 4. und den folgenden RAGen an eindeutig falsch ermittelte bisherige Berechnungsfaktoren nicht gebunden sei, könne nicht gefolgt werden. Es sei auch widerspruchsvoll, wenn der erkennende Senat in dem Urteil vom 15. Februar 1966 einerseits aus den Worten "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" nicht eine Bindung an falsch ermittelte Berechnungsfaktoren entnehme, andererseits aber in den Fällen der §§ 4 und 5 des 4. bis 8. RAG, in denen (weiterhin) an den "Rentenzahlbetrag" angeknüpft werde, die Bindungswirkung auch für einen falschen Rentenzahlbetrag bejahe. In den weitaus meisten Fällen, in denen nach dem 1. bis 3. RAG und nach den §§ 4 und 5 der folgenden RAGe an den Rentenzahlbetrag angeknüpft werde, handele es sich nicht um den im Verfügungssatz des letzten Bescheids bindend zugesprochenen Betrag, vielmehr habe sich dieser Betrag durch die "bescheidlose Hinzufügung" der Rentenzulage, des Mehrbetrags, der Grundbetragserhöhung und der "postseitig vorgenommenen Umstellung" verändert, die von der Bindungswirkung des Verfügungssatzes im Rentenfeststellungsbescheid nicht erfaßt würden; konsequenterweise müßte der erkennende Senat daher auch in den Fällen der Rentenanpassung nach dem 1. bis 3. RAG und nach den §§ 4 und 5 des 4. bis 8. RAG als Rentenzahlbetrag nur den materiell rechtmäßigen Zahlbetrag zugrundelegen. Der erkennende Senat habe ferner verkannt, daß bei dem Ziel der Rentenanpassung weniger wesentlich die Teilnahme der Rentner an der Aufwärtsentwicklung als vielmehr die Erhaltung der Rentenkaufkraft sei. Schließlich widerspreche es auch dem Gleichheitssatz, wenn falsch berechnete Renten bei den einzelnen Rentengruppen in der Frage der Anpassung unterschiedlich behandelt würden.
Die Beklagte legte frist- und formgerecht Revision ein. Sie beantragte,
unter entsprechender Änderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Oktober 1965 die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ferner die Anschlußberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Begründung berief sie sich auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats, insbesondere das Urteil vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 237), ferner wies sie auf die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 des - damals erst im Entwurf vorliegenden, inzwischen in Kraft getretenen - 9. RAG hin, durch welche die Rechtsauffassung des Senats bestätigt worden sei.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Sie ist auch begründet.
Das LSG hat - ebenso wie das SG - den Inhalt des angefochtenen Bescheides vom 8. Februar 1965 nicht in vollem Umfang richtig erkannt. Der Inhalt ist aus den gesamten Umständen der getroffenen Regelung unter Berücksichtigung der von der Verwaltungsbehörde gegebenen Begründung zu ermitteln (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 29. April 1958, SozR Nr. 39 zu § 54 SGG). Danach ergibt sich folgendes:
a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid nicht den Rentenbescheid vom 25. Juli 1958 und die Rentenanpassungsbescheide (Anpassungsmitteilungen) nach dem 2. bis 6. RAG "berichtigt" (zurückgenommen), sie hat nicht die Rente für die Jahre 1958 bis 1964 neu - niedriger - festgestellt. Sie hat vielmehr auf der "Anlage" zu dem Bescheid vom 8. Februar 1965 ausdrücklich vermerkt: "Kein Bescheid - Nur Berechnungsanlage" und weiter darauf hingewiesen, daß die Angaben in der Anlage u. a. über den monatlichen Zahlbetrag in den Jahren 1958 bis 1964 "nicht zutreffen"; dies gilt auch für die "laufende Zahlung" für das Jahr 1965, auch für dieses Jahr ist die nach dem 7. RAG angepaßte - zu hohe - Rente mit 340,30 DM durch den angefochtenen Bescheid nicht geändert worden, vielmehr ist in dem Bescheid ausdrücklich gesagt, diese Rente werde als "besitzgeschützt" weitergezahlt. Der allerdings mißverständliche Zusatz in dem angefochtenen Bescheid, daß "der Bescheid vom 25. Juli 1958 ... hinsichtlich der Berechnung hiermit aufgehoben" werde, bezieht sich nach dem gesamten sonstigen Inhalt des Bescheides nur auf die künftigen Rentenanpassungen. Da der angefochtene Bescheid keine Neufeststellung der Rente enthält, ist er vom SG zu Unrecht, "soweit darin der Rentenbescheid vom 25. Juli 1958 berichtigt wurde", aufgehoben worden. Das LSG hat insoweit ("im übrigen") zu Unrecht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin ist insoweit durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, ihre Klage ist insoweit unzulässig gewesen.
b) Soweit die Beklagte sich in dem angefochtenen Bescheid zu der Rentenberechnung bei künftigen Rentenanpassungen geäußert hat, hat sie auch für die Zukunft nicht die Rente neu festgestellt; sie hat dies gar nicht tun können, weil bei Erlaß des Bescheides die Rentenanpassung für das Jahr 1966 (und weiterhin) gesetzlich noch nicht geregelt gewesen ist. Die Beklagte hat insoweit nur das von ihr beabsichtigte Verhalten bei künftigen Rentenanpassungen angekündigt. Das LSG hat richtig erkannt, daß dieser "Vorbehalt" kein Verwaltungsakt ist, es hat - insoweit zu Recht - das Urteil des SG abgeändert und die Klage als unzulässig (vgl. die Urteilsgründe) abgewiesen. Da die Klägerin keine Revision eingelegt hat, ist das Urteil des LSG insoweit rechtskräftig geworden.
c) Entschieden hat die Beklagte jedoch mit dem angefochtenen Bescheid, auch wenn dies in dem Bescheid nicht ausdrücklich gesagt ist, über den von der Klägerin im November 1960 gestellten Antrag auf Erhöhung der Rente. Die Beklagte hat zwar, wie sich aus dem Bescheid ergibt, entsprechend dem Antrag der Klägerin "für einen Teil der Beitragszeiten der ArV ... nachträglich die Erhöhung nach Art. 2 § 55 ArVNG" gewährt, aber trotzdem die Rente - auch für die zurückliegende Zeit - nicht erhöht, weil trotz der erhöhten Anrechnung von Beitragszeiten, die zu einer Erhöhung der sog. "persönlichen" Bemessungsgrundlage (§ 32 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) von 96,48 auf 97,32 geführt hat, in dem Bescheid vom 25. Juli 1958 und bei den Rentenanpassungen nach dem 2. bis 7. RAG infolge der Anrechnung von (unrichtig) 42 statt (richtig) 40,5 Versicherungsjahren der Klägerin eine zu hohe Rente gewährt worden ist. Ob die Beklagte damit den Antrag der Klägerin auf Rentenerhöhung abgelehnt oder die Rente nochmals in der bisherigen "besitzgeschützten" Höhe festgestellt hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat das SG den Bescheid vom 8. Februar 1965 insoweit aus den im vorletzten Absatz seines Urteils dargelegten Gründen für rechtmäßig gehalten, es hat die Klage insoweit ("im übrigen") abgewiesen. Die Klägerin hat das Begehren auf Rentenerhöhung für die zurückliegende Zeit (1958 bis 1965) mit der Berufung nicht weiterverfolgt. Insoweit ist das Urteil des SG rechtskräftig geworden.
Auf die Revision der Beklagten ist daher nur noch über die Höhe der Rente der Klägerin nach dem 8. RAG zu entscheiden. Die Rentenanpassung nach dem 8. RAG ist während des Berufungsverfahrens durchgeführt, der Rentenanpassungsbescheid ist dem LSG von der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung des LSG vorgelegt worden (vgl. B. 53 der Akten des LSG). Die Beklagte hat bei dieser Rentenanpassung - erstmals - von dem "Vorbehalt" in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 Gebrauch gemacht. Entgegen der Auffassung des LSG ist dieser Anpassungsbescheid (die Anpassungsmitteilung) nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens des LSG geworden, obwohl der sich auf die künftigen Rentenanpassungen beziehende "Vorbehalt" in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 keinen Verwaltungsakt dargestellt hat und deshalb nicht als "Bescheid" durch den Anpassungsbescheid hat "abgeändert oder ersetzt" werden können. Der Senat hält an der in den Urteilen vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 237), vom 23. Mai 1967 (BSG 26, 266) und in weiteren Urteilen vertretenen Auffassung fest, daß § 96 SGG auch dann anzuwenden ist, wenn der Versicherungsträger, wie er dies hier getan hat, in scheinbar verbindlicher Weise ein bestimmtes künftiges Verhalten ankündigt und später einen entsprechenden Verwaltungsakt erläßt. Das LSG hat (als 1. Instanz, vgl. Urteil des BSG vom 30. Januar 1963, SozR Nr. 17 zu § 96 SGG) über die Rechtmäßigkeit der Rentenanpassung nach dem 8. RAG auf Grund der von der Klägerin erhobenen Klage entscheiden müssen. Hieran ändert nichts, daß die Beklagte sich bei der Durchführung der Anpassung der Postverwaltung bedient hat. Da die Klägerin mit der "Anschlußberufung" nichts anderes beantragt hat als das, was bereits Gegenstand der Klage gewesen ist (nämlich das Begehren auf Erlaß eines der Klägerin günstigeren Anpassungsbescheides), hat für die Anschlußberufung kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Die Anschlußberufung ist daher als unzulässig zu verwerfen. Das LSG hat jedoch materiell-rechtlich auch insoweit "entschieden", es hat den Rentenanpassungsbescheid nach dem 8. RAG für rechtswidrig gehalten, es hat - in Wirklichkeit - der Klage stattgegeben und die Beklagte zum Erlaß eines der Klägerin günstigeren Anpassungsbescheides verurteilt. Diese Entscheidung kann nicht aufrechterhalten werden.
Der Senat hält trotz der abweichenden Auffassung des LSG daran fest, daß der Versicherungsträger bei der Anpassung der nach den §§ 30 ff AVG berechneten Renten - der sogenannten 1. Rentengruppe, zu der die Rente der Klägerin gehört - auf Grund des 8. RAG (und der entsprechenden Vorschriften des 4. bis 7. RAG) an eindeutig falsch ermittelte bisherige Berechnungsfaktoren nicht gebunden ist. Das gleiche gilt nach dem Urteil des Senats vom 28. Juni 1966 - 11 RA 50/66 - und nach dem Urteil des 1. Senats vom 30. August 1966 (BSG 25, 181) für die Anpassung der nach Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG umgestellten Renten (der sogenannten 2. Rentengruppe). Mit den gegen diese Rechtsauffassung von einigen Berufungsgerichten und auch in der Literatur erhobenen Einwendungen hat sich der Senat insbesondere in seinen Urteilen vom 23. Mai 1967 (BSG 26, 266 ff), vom 16. Januar 1968 - 11 RA 266/66 - und vom 14. März 1968 - 11 RA 246/66 - auseinandergesetzt; auf die Begründung dieser Urteile wird verwiesen. Es trifft nicht zu, daß ein eindeutiger Gesetzeswortlaut - hier die Worte "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" in § 2 des 8. RAG und den entsprechenden Vorschriften des 4. bis 7. RAG - jede Auslegung des Gesetzes ausschließe; dieser Auffassung ist auch der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 19. Oktober 1967 entgegengetreten (bei der Auslegung der Worte "abgelegte Meisterprüfung" des § 5 Abs. 1 der DVO vom 30. Juli 1964 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, SozR Nr. 2 zu dieser Vorschrift; vgl. auch das Urteil des 1. Senats vom 14. Dezember 1967 - 1 RA 133/66 - zum Inkrafttreten des § 9 Abs. 7 AVG, SozR Nr. 1 zu dieser Vorschrift). Die Worte "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" zwingen nicht zu der Auslegung, daß auch eindeutig unrichtige Berechnungsfaktoren, die dem Rentenanpassungsbescheid (und etwaigen früheren Rentenanpassungen zugrunde liegen, bei künftigen Rentenanpassungen beizubehalten sind; diese Worte betreffen den "typischen" Fall, daß die "übrigen Berechnungsfaktoren" richtig sind. Weiter wird es weder der allgemeinen Anpassungsregelung in § 49 AVG noch der Erfahrungswirklichkeit gerecht, die Anpassungen als durch fortschreitende Geldentwertung bedingte allgemeine Rentenerhöhungen zu erklären; das wird nicht zuletzt dadurch widerlegt, daß z. B. von 1957 bis 1965 der Realwert der Renten trotz der im Jahre 1958 unterbliebenen Anpassung um 24 v. H. gestiegen ist. Die Rentenanpassungen dienen ferner weder ausschließlich noch auch nur in erster Linie der Erhaltung der Rentenkaufkraft; dieser Gedanke darf daher für die Auslegung der Anpassungsvorschriften nicht maßgebend sein. Der Senat verkennt auch nicht die Unterschiede zwischen der Rentenfeststellung und der Anpassung. Er ist ebenso wie das LSG der Auffassung, daß die Rentenanpassungsgesetze seit dem 4. RAG zwar an eine hypothetische Neuberechnung der Rente anknüpfen, daß sie aber nicht zu einer völligen Neufeststellung der Rente ermächtigen. Die Bindungswirkung des Rentenfeststellungsbescheides, die sich auf Art, Beginn und Höhe der Rente erstreckt und eine - hier nicht zu erörternde - Bindungswirkung späterer Mitteilungen über die auf Grund gesetzlicher Vorschriften "hinzugefügten" Rentenerhöhungen (Rentenzulage, Mehrbetrag, Grundbetragserhöhung, Rentenanpassung) sind auch nach der Rechtsauffassung des Senats bei den jeweiligen späteren Rentenanpassungen zu beachten, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist" (§ 77 SGG). Die Berechnungsfaktoren (und die Gründe sowie die Berechnungsart) einer Rente nehmen an dieser Bindungswirkung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG aber nicht teil (vgl. z. B. BSG 24, 236; Urteile des Senats vom 21. September 1966 - 11 RA 189/64 -, vom 23. Mai 1967 - 11 RA 280/65 - und vom 14. März 1968 - 11 RA 246/66 -, ferner das Urteil des 1. Senats vom 1. Februar 1967 - 1 RA 43/64 -). In Bindung erwächst die Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch; zu ihr gehört die Feststellung des Rentenanspruchs nach Art, Dauer und Höhe, nicht dazu gehören die Berechnungsfaktoren der Rente. Bei der Prüfung, welche Beitragszeiten der Versicherte zurückgelegt hat und wie sie zu bewerten sind, handelt es sich nur um Vorfragen für die Entscheidung über den Rentenanspruch, die Beurteilung von Vorfragen nimmt an der Bindungswirkung eines Bescheides nicht teil. Anders ist es dagegen in den Fällen, in denen (nach dem 1. bis 3. RAG für alle drei Rentengruppen, nach dem 4. bis 8. RAG für die sogenannte 3. Rentengruppe, die "Vergleichs- und Besitzstandsrenten", vgl. die §§ 4 und 5 des 4. RAG und die entsprechenden Vorschriften des 5. bis 8. RAG) an den "Rentenzahlbetrag" angeknüpft ist. Bei diesem Rentenzahlbetrag handelt es sich auch für die folgenden Anpassungen nicht um einen Berechnungsfaktor, sondern um das Ergebnis früherer Rentenfeststellungen, also die Entscheidung über die Rentenhöhe, die auch dann bindend ist, wenn die Rente fälschlich zu hoch festgestellt ist; Vorschriften über den Wegfall der Bindungswirkung des Rentenzahlbetrags bei der Rentenanpassung sind in dem 1. bis 3. RAG und für die Anpassung der 3. Rentengruppe in dem 4. bis 8. RAG nicht enthalten. Deshalb geht die hierauf gestützte Kritik des LSG an der Rechtsauffassung des Senats fehl. Sie geht aber auch deshalb fehl, weil nach dem 9. RAG vom 18. Dezember 1966 (BGBl I 768), das im Zeitpunkt des Urteils des LSG noch nicht vorgelegen hat, bei der Anpassung der "Vergleichs- und Besitzstandsrenten" (der 3. Rentengruppe) im Jahre 1967 an den für Januar 1967 festgestellten Zahlbetrag nur noch anzuknüpfen ist, wenn seine Höhe richtig festgestellt worden ist, und andernfalls der falsche Betrag bei der Anpassung durch den richtigen zu ersetzen ist. Nach der in dem Urteil vom 23. Mai 1967 ausführlich dargelegten Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift sollte damit - unter ausdrücklicher Bezugnahme der Amtlichen Begründung auf die Rechtsauffassung des erkennenden Senats in dem Urteil vom 15. Februar 1966 für die Anpassung der 1. und 2. Rentengruppe - der Versicherungsträger auch für die 3. Rentengruppe ermächtigt sein, in den Fällen, in denen ein früherer Bescheid Berechnungsfehler enthält, die Rentenanpassungen so lange "auszusetzen", bis die richtig berechnete und angepaßte Rente den bisherigen Rentenbetrag überschreitet. Mit dem 9. RAG ist damit offensichtlich die Auffassung des Senats insbesondere in dem Urteil vom 15. Februar 1966 "akzeptiert" und gebilligt worden. Zugleich ist aber auch die unterschiedliche Behandlung, die sich aus den früheren Anpassungsgesetzen für die Fälle der 3. Rentengruppe gegenüber den Fällen der 1. und 2. Rentengruppe ergeben hat (vgl. jeweils die §§ 4 und 5 des 4. bis 8. RAG), für die Zukunft beseitigt worden. Die Einwände, die das LSG aus dem seiner Meinung nach unbilligen Ergebnis einer unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Rentengruppen hergeleitet hat, sind damit entkräftet. Der Gesetzgeber hat diese Unbilligkeit gesehen und mit dem 9. RAG beseitigt.
Die Beklagte ist daher berechtigt gewesen, bei der Rentenanpassung nach dem 8. RAG die Zahl der Versicherungsjahre, die sie in dem Bescheid vom 25. Juli 1958 mit 42 statt 40,5 zu hoch angerechnet hat, durch die niedrigere Zahl zu ersetzen. Einwendungen gegen die Berechnung der Zahl der Versicherungsjahre in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 hat die Klägerin in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht, es ist auch nicht erkennbar, daß die Berechnung der Versicherungsjahre in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 unrichtig wäre. Die Beklagte hat bei der Rentenanpassung nach dem 8. RAG auch die Bindungswirkung des Rentenfeststellungsbescheids vom 25. Juli 1958 und des bei der Rentenanpassung nach dem 7. RAG festgestellten Zahlbetrags beachtet. Die Rente, die der Klägerin bei der Rentenanpassung nach dem 8. RAG ab 1. Januar 1966 gewährt worden ist (358,50 DM), ist höher als die Rente, die die Klägerin für das Jahr 1965 erhalten hat (340,30 DM). Das LSG hat zu Unrecht die Beklagte zur Gewährung einer höheren Rente verurteilt. Die Klage ist, soweit sie die Rentenanpassung nach dem 8. RAG betrifft, unbegründet und abzuweisen.
Bei der Entscheidung über die Kosten der Vorinstanzen hat der Senat berücksichtigt, daß die Beklagte der Klägerin durch den in dem Bescheid vom 8. Februar 1965 enthaltenen "Vorbehalt" Anlaß zur Erhebung der Klage gegeben hat. Es erscheint deshalb angemessen, daß die Beklagte der Klägerin, obwohl diese im wesentlichen unterlegen ist, ein Drittel der im Verfahren der Vorinstanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet. Für das Revisionsverfahren sind Kosten nicht zu erstatten.
Fundstellen