Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßige Prüfung des § 183 Abs 6 idF des AFKG vom 22.12.1981
Orientierungssatz
Ist § 183 Abs 6 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Art 4 § 1 Nr 1 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22.12.1981 mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, soweit der Anspruch auf Krankengeld auch dann in vollem Umfang ruht, wenn der Versicherte Verletztengeld bezieht, bei dessen Berechnung nicht ein individuelles Einkommen zugrunde gelegt wird?
(Aktenzeichen des BVerfG - 1 BvL 71/86)
Normenkette
RVO § 183 Abs. 6 Fassung: 1981-12-22; GG Art. 3 Abs. 1; RVO § 565 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf den Unterschiedsbetrag zwischen Verletztengeld und Krankengeld (sogenannter Krankengeldspitzenbetrag).
Der Kläger ist Unternehmer und satzungsgemäß bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover (BG) gegen Arbeitsunfall versichert. Er ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse.
Der Kläger erlitt am 27. April 1983 einen Arbeitsunfall, der ihn arbeitsunfähig machte. Sein Krankengeld würde täglich 100,-- DM betragen. Er erhielt von der BG ein Verletztengeld von 56,-- DM täglich. Seinen Antrag, ihm Krankengeld zu gewähren, lehnte die Beklagte ab und wies seinen Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Der Krankengeldanspruch ruhe, solange der Kläger Verletztengeld beziehe. Er habe auch keinen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem niedrigeren Verletztengeld gegenüber dem höheren Krankengeld. § 183 Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG).
Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 183 Abs 6 und 560 Abs 3 RVO. Der Gesetzgeber habe nicht bezwecken wollen, die Ruhensregelung in jedem Falle dazu führen zu lassen, daß die für den Betroffenen ungünstigste Lösung zum Tragen komme. Bei sinngemäßer Anwendung des § 565 Abs 1 RVO habe der Verletzte Anspruch nur auf die Leistungen der Krankenversicherung ohne Rücksicht auf den Umfang etwaiger aus der Unfallversicherung zustehenden Ansprüche. Lediglich im Fall des § 565 Abs 2 RVO könne § 183 Abs 6 RVO angewendet werden. Es könne nicht der Willkür und dem Zufall überlassen bleiben, ob § 565 Abs 1 oder Abs 2 RVO angewendet werde. Im übrigen habe er, der Kläger, als freiwilliges Mitglied der Beklagten den Krankengeldanspruch durch freiwillige Zahlungen erworben. Dieser zur Existenzsicherung begründete Anspruch gehöre zum Wesenskern des Eigentums und müsse ihm ungeschmälert erhalten bleiben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. September 1984 und den Bescheid der Beklagten vom 2. September 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Dauer der Erkrankung einen Krankengeldspitzenbetrag von 44,-- DM täglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das gegenüber dem Krankengeld niedrigere Verletztengeld beruhe darauf, daß der Kläger sich nur mit dem niedrigst zulässigen Betrag bei der BG versichert (für 1983 habe dieser 25.200 DM betragen) und nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich höher zu versichern.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Das Verfahren wird nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG ausgesetzt.
Der Senat hält die Regelung in § 183 Abs 6 RVO idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) insoweit nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar, als danach der Krankengeldanspruch in vollem Umfang für die Zeit ruht, in der der Versicherte ein Verletztengeld aus der Unfallversicherung bezieht, das nach einem Betrag bemessen ist, der im Rahmen der gesetz- und satzungsmäßig zulässigen Mindest- und Höchstgrenze als Versicherungssumme der Berechnung des Verletztengeldes zugrunde liegt.
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Gültigkeit der genannten Vorschrift in dem oben beschriebenen Umfang ab. Mit der am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen - und deshalb hier anzuwendenden - Neufassung des § 183 Abs 6 RVO sollte "klargestellt" werden, daß der Anspruch auf Krankengeld in voller Höhe ruht, solange der Versicherte eine der dort genannten Leistungen bezieht, also kein Spitzenbetrag des Krankengeldes zu zahlen ist (so die gleichlautenden Begründungen der Gesetzesentwürfe in BT-Drucks 9/799 S 51 zu Nr 3 und 9/846 S 52 zu Nr 3). Der hinzugefügte Satzteil ... "und zwar auch insoweit als das Krankengeld höher ist als eine dieser Leistungen" läßt eine Auslegung, wie sie das Bundessozialgericht (BSG) in gefestigter Rechtsprechung dem bis zum 31. Dezember 1981 gültig gewesenen § 183 Abs 6 (idF des § 21 Nr 8 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 -RehaAnglG- -BGBl I 1881- und des Art II § 4 Nr 4 des Gesetzes vom 18. August 1980 -BGBl I 1469-) gegeben hat, nicht mehr zu, daß nämlich dem Versicherten grundsätzlich im Ergebnis der Anspruch auf die höhere der zusammentreffenden Leistungen verbleiben müsse (vgl dazu ua BSGE 43, 68, 71; SozR 2200 § 183 Nr 20; vor allem BSGE 44, 226 und BSGE 49, 41). Der Gesetzgeber wollte - wohl auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG - eindeutig regeln, daß beim Zusammentreffen der in§ 183 Abs 6 RVO nF genannten Sozialleistungen mit Krankengeldansprüchen in jedem Fall unabhängig von der Höhe der hinzutretenden Leistung der Krankengeldanspruch in vollem Umfang ruht.
Der streitige Krankengeldanspruch des Klägers läßt sich auch nicht - wie der Kläger meint - daraus herleiten, daß der Unfallversicherungsträger in Fällen, in denen der Versicherte neben seinen Ansprüchen aus der Unfallversicherung einen, das Verletztengeld übersteigenden Krankengeldanspruch hat, ermessenswidrig handele, wenn er gemäß § 565 Abs 2 RVO die Heilbehandlung und die Zahlung der zu gewährenden Geldleistungen übernehme und damit die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers nach § 565 Abs 1 RVO insoweit wegfällt. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers, ob er das sogenannte berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einleitet oder die Heilbehandlung dem Krankenversicherungsträger überläßt. Diese Entscheidung hängt aber von der Art der Unfallfolgen und der Zweckmäßigkeit der Heilbehandlungsmaßnahmen ab. Eine Übernahme nur der Heilbehandlung, nicht jedoch der Geldleistungen ist - wenn überhaupt möglich - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des sonst eintretenden Ruhens eines höheren Krankengeldanspruchs nicht zwingend. Im übrigen macht § 183 Abs 6 RVO nF das Ruhen des Krankengeldanspruches davon abhängig, daß der Versicherte eine der dort genannten Leistungen "bezieht", also nicht etwa von dem Bestehen eines Anspruchs.
Danach hätte der Kläger des vorliegenden Verfahrens den streitigen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem bezogenen (niedrigeren) Verletztengeld und dem (höheren) Krankengeld gegen die Beklagte nicht.
Der Senat hält jedoch § 183 Abs 6 RVO nF in dieser umfassenden Weise für mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar und deshalb im vorliegenden Fall nicht für anwendbar.
Es kann dahinstehen, ob die "Anwartschaft" auf Krankengeld, die ein Versicherter vom Beginn seiner Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse an für den Fall erwirbt, daß die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen eintreten, dem Eigentumsschutz des Art 14 GG unterliegt. Denn daraus würde nicht folgen, daß der Krankengeldanspruch unter allen Umständen und in jedem Fall dem Versicherten jedenfalls teilweise erhalten bleiben muß. Der Gesetzgeber kann nämlich im Rahmen seiner Befugnis, Inhalt und Grenzen des Eigentums zu bestimmen (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG), die Voraussetzungen regeln, unter denen Krankengeld zu gewähren ist. Diese Regelungsbefugnis erlaubt es, jedenfalls ohne daß dadurch in ein Eigentumsrecht des Versicherten unzulässig eingegriffen wird, unter bestimmten Voraussetzungen einen Krankengeldanspruch nicht entstehen, wegfallen oder ruhen zu lassen. Die Gliederung des deutschen Systems der sozialen Sicherung in mehrere selbständige Zweige bringt es mit sich, daß Ansprüche auf Leistungen getrennt erwachsen und sich häufen können, wenn ein einziger Vorgang mehrere Leistungsfälle in verschiedenen Zweigen gleichzeitig herbeiführt. Bei Barleistungen kann die Kumulierung zu einer Gesamthöhe der Bezüge führen, die sozialpolitisch unerwünscht ist. Der Empfänger erhielte unter Umständen weit mehr, als ihm das System der sozialen Sicherung von ihrem Grundgedanken her verschaffen soll. Der Gesetzgeber hat daher das Zusammentreffen mehrerer Leistungen so geregelt, daß jedenfalls nicht beide Leistungen voll gewährt werden. Wie der Gesetzgeber im einzelnen unerwünschte Doppelleistungen verhindert, unterliegt weitgehend seiner Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 31, 185, 189, 190, 192; 53, 313, 331, 332).
Regelungen, mit denen Doppelleistungen mit gleicher Zweckbestimmung vermieden werden sollen, sind mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar, denn der Betroffene erhält im Ergebnis die Leistung, die er im Rahmen des Systems der sozialen Sicherung erhalten soll. Der Schutzzweck dieses Systems ist also erfüllt, wenn er nur eine dieser Leistungen erhält. Mit einem Doppelbezug würde er ungerechtfertigt begünstigt und deshalb ungleich behandelt (BVerfG aaO). Es ist auch sachgerecht, wenn § 183 Abs 6 RVO nF diejenige Leistung unberührt läßt, die dem speziellen Zweig zugeordnet ist, der wegen der Besonderheiten des auslösenden Ereignisses primär für die Entschädigung zuständig ist. Es ist deshalb systematisch gerechtfertigt, daß etwa einem Unfallversicherten sein Anspruch auf Verletztengeld aus der Unfallversicherung voll erhalten bleibt und der Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, der unabhängig von der Ursache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit entsteht, zurücktritt. Das Ruhen des Krankengeldanspruchs ist im übrigen für den Betroffenen der am wenigsten belastende Eingriff in seine sozialversicherungsrechtliche Position, denn der Anspruch bleibt in seinem Kernbereich - anders als beim Wegfall - bestehen, wodurch ua die Mitgliedschaft nach § 311 RVO erhalten bleibt (vgl BT-Drucks 7/1237 S 64 zu § 21 Nr 8). Im übrigen bleibt der Krankengeldanspruch in Fällen, in denen die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit andere Ursachen hat, voll wirksam.
Eine Regelung, mit der die Kumulierung auch von Leistungen mit unterschiedlicher Zweckbestimmung verhindert wird, ist dagegen, soweit sie diese Leistungen erfaßt, mit Art 3 Abs 1 GG jedenfalls insoweit nicht vereinbar, als die höhere Leistung völlig ausfällt. Sie würde damit ungleiche Sachverhalte ohne sachlichen Grund systemwidrig gleich behandeln. Es ist mit den Zielen der gegliederten Sozialversicherung nicht nur vereinbar, sondern entspricht deren Zweckbestimmung, wenn in bestimmten Zweigen bestimmte Leistungen gewährt werden, die dem besonderen Schutz der in diesen Zweig einbezogenen Personengruppen dienen, den von einem anderen Zweig erfaßten Personen jedoch nicht zugute kommen sollen.
Das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung soll den Lohn- oder Einkommensverlust des Versicherten in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ersetzen, das heißt sein individuelles, auf seiner Arbeitsleistung beruhendes Nettoeinkommen sichern und nicht seine Existenz schlechthin. Es wird deshalb nicht nach festen, an einem allgemeinen Existenzbedarf gemessenen Sätzen bemessen, sondern nach dem vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Arbeitsentgelt (§ 182 Abs 4, 5, 6 und 8 RVO). Eine hinzutretende Leistung hat daher nur dann dieselbe sozialpolitische Zweckbestimmung, wenn sie nach ihrer Art und ihrem Umfang nach dem entgangenen Lohn oder Arbeitseinkommen bemessen und damit der individuelle Lohn- oder Einkommensausfall, ähnlich wie durch das Krankengeld, ausgeglichen wird. Wenn dabei die Berechnungsmodalitäten der jeweiligen Leistungen nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen und die Ansprüche deshalb in ihrer Höhe nicht völlig gleich sind, ändert das nichts an ihrer grundsätzlich identischen Zweckbestimmung, so daß auch ein höheres Krankengeld vollständig ruhen kann, ohne daß damit unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in die Rechtsposition des Betroffenen aus der Krankenversicherung unzulässig eingegriffen wird. Auch der 1. Senat des BSG hatte es in seinem Urteil vom 31. August 1977 (BSGE 44, 226, 230) offen gelassen, ob auch dann ein Spitzenbetrag des Krankengeldes zu zahlen ist, wenn die hinzutretende Leistung, die das Ruhen des Krankengeldes bewirkt, ihrer Art nach dazu bestimmt ist, den Lebensunterhalt zu sichern und auch den Lebensunterhalt tatsächlich abdeckt (ebenso im Ergebnis der 16. Senat des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 8. März 1985 - L 16 Kr 18/84 -). Es mag zwar auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, daß ein Betroffener, der wegen ein und desselben Sachverhalts (durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eingetretener Lohn- oder Einkommensausfall) Ansprüche aus zwei (oder mehreren) Versicherungs- oder Versorgungssystemen auf Lohnersatzleistungen hat, schlechter gestellt sein kann als ein anderer, der einen solchen Anspruch nur aus einem Zweig - nämlich der Krankenversicherung - hat, wenn nämlich die hinzutretende Leistung niedriger als das Krankengeld ist. Hierin liegt aber keine willkürliche Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Denn der Betroffene erhält in jedem Fall im Rahmen der aufeinander abgestimmten verschiedenen Systeme der sozialen Sicherung eine individuelle Lohn- oder Einkommensersatzleistung, solange die Bemessungsgrundlage und die Bemessungsmaßstäbe für die einzelnen Leistungen im Ausgangspunkt gleichartig sind.
Das Verletztengeld, welches der Kläger von der BG bezogen hat, ist jedoch keine in dem oben genannten Sinne seinem Krankengeldanspruch gleichartige Leistung. Der Kläger ist gemäß § 543 RVO iVm § 43 der Satzung der BG als Unternehmer bei dieser gegen Arbeitsunfälle pflichtversichert. Anders als bei Arbeitnehmern, bei denen nach § 561 Abs 1 RVO Verletztengeld und Krankengeld im wesentlichen identisch sind, richtet sich das Verletztengeld der versicherten Unternehmer nicht nach einem individuellen Einkommensverlust, sondern nach einem Jahresarbeitsverdienst, der vom individuellen Einkommen unabhängig ist. Nach § 632und § 571 Abs 3 RVO iVm § 44 der Satzung gilt für die Berechnung der Beiträge und Geldleistungen als Jahresarbeitsverdienst (Versicherungssumme) ein Betrag in Höhe von 80 vH der Bezugsgröße gemäß § 18 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV), der sich auf den nächsthöheren durch 900 teilbaren Betrag erhöht. § 45 der Satzung gibt dem Unternehmer die Möglichkeit, seiner Versicherung eine höhere Versicherungssumme zugrunde zu legen, die jedoch den Höchstbetrag von 84.000,-- DM nicht übersteigen darf. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, bei denen das Verletztengeld entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung bemessen wird (§ 561 Abs 1 iVm § 182 Abs 4, 5 und 8 RVO), kann der versicherte Unternehmer den Umfang seines Anspruchs auf Geldleistungen - also auch auf Verletztengeld - im Rahmen der gesetzlich zulässigen und satzungsmäßig geregelten Mindest- und Höchstgrenzen selbst bestimmen (§§ 575, 632 RVO).
Demgegenüber ist der Umfang des Krankengeldanspruchs auch für freiwillig Versicherte gesetzlich geregelt. Es steht dem Betroffenen lediglich frei, ob er von der Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung oder der Versicherungsberechtigung Gebrauch machen will oder nicht. Ist er Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung geworden und schließt die Satzung den Krankengeldanspruch nicht aus (§ 215 RVO), so richtet sich sein Krankengeldanspruch allein nach § 182 Abs 4ff RVO. Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, setzt § 182 Abs 6 RVO den Maßstab für den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu leistenden Einkommensersatz. Als Regellohn (§ 182 Abs 4 RVO) gilt der Grundlohn (§ 180 RVO), der zuletzt von Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend war. Der Grundlohn für freiwillig Versicherte richtet sich nach § 180 Abs 4 RVO, das heißt nach dem Arbeitsentgelt oder sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt bis zur Jahresarbeitsverdienstgrenze des § 165 Abs 1 Nr 2 RVO. Bis zu dieser Grenze bemißt sich die Höhe des Krankengeldes also auch bei dieser Gruppe der Versicherten nach tatsächlich vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten dem Lebensunterhalt dienenden Einkünften. Dementsprechend hat die Beklagte den Krankengeldanspruch des Klägers für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls nach dem höchstzulässigen Grundlohn berechnet (für 1983 = 45.000,-- DM).
Das Verletztengeld des Klägers dagegen richtet sich innerhalb der zulässigen Grenzen nicht nach bestimmten tatsächlichen Einkünften, sondern lediglich bei der Mindesthöhe nach der Bezugsgröße des § 18 SGB IV, die ebenfalls individuelles Einkommen nicht berücksichtigt. Im übrigen unterliegt die zu vereinbarende Versicherungssumme als Grundlage unter anderem auch für den Anspruch auf Verletztengeld keinerlei gesetzlichen Bestimmungen und ist deshalb in das freie Ermessen, insbesondere des Versicherten, gestellt. Es fehlt damit an jeder Beziehung zu einem tatsächlichen Einkommensverlust, der bei einem Unternehmer kaum festgestellt werden könnte. Die ohnehin systemwidrige Einbeziehung von Unternehmern in die gesetzliche Unfallversicherung findet in diesen Regelungen ihren zwangsläufig systemfremden Niederschlag mit dem Ergebnis, daß das versicherte Risiko mit dem der gesetzlichen Krankenversicherung unvergleichbar ist.
Ist danach das Verletztengeld des Klägers von einem konkreten und individuellen Einkommensverlust unabhängig, so ist es sachwidrig und daher unzulässig, es beim Ruhen des Krankengeldes dem einkommensabhängigen Verletztengeld nach § 561 RVO gleichzusetzen. Eine solche Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Tatbestände wäre zwar wegen der gesetzgeberischen Befugnis zu typisierenden Regelungen hinzunehmen, wenn es sich um atypische Unterschiede handelte. Das ist aber nicht der Fall, denn die satzungsmäßige Pflichtversicherung der Unternehmer ist trotz der Systemwidrigkeit kein atypischer Sachverhalt, sondern eine dem Gesetzgeber bewußte regelungsbedürftige Erscheinung, die nicht nur bei der besonderen Berechnung des Verletztengeldes, sondern auch bei dessen Auswirkung auf das Krankengeld einer Regelung unter Berücksichtigung der Besonderheiten bedarf.
Fundstellen