Verfahrensgang
AG Meldorf (Beschluss vom 17.02.2011; Aktenzeichen 49 II 51/11) |
AG Meldorf (Beschluss vom 17.01.2011; Aktenzeichen 49 II 51/11) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren wegen der Ablehnung der Gewährung von Beratungshilfe nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) im Zusammenhang mit der Feststellung eines Rechts auf Arbeitslosengeld II.
I.
1. Die Beschwerdeführerin zog Ende 2010 in den Zuständigkeitsbereich des Grundsicherungsträgers und beantragte unter Vorlage der entsprechenden und ihrer Auffassung nach vollständigen Unterlagen die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010, dem ein Hinweis über die Folgen fehlender Mitwirkung beigefügt war, forderte der Sozialleistungsträger die Beschwerdeführerin auf, ihm noch einen Nachweis über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihrer bisherigen Arbeitgeberin beziehungsweise bei Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses eine von dieser ausgefüllte Einkommensbescheinigung zukommen zu lassen. Daraufhin nahm die Beschwerdeführerin Kontakt zu einem Rechtsanwalt auf, der sich an den Verwaltungsträger wandte und die angeforderten Unterlagen übersandte. Gleichzeitig beantragte der Rechtsanwalt im Namen der Beschwerdeführerin beim Amtsgericht die Gewährung von Beratungshilfe.
2. Die Rechtspflegerin am Amtsgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 17. Januar 2011 zurück. Die anwaltliche Tätigkeit habe lediglich darin bestanden, gegenüber dem Grundsicherungsträger Tatsachenangaben zu machen, die von der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden seien. Hierfür hätte es nicht der Einschaltung eines Rechtsanwalts bedurft.
Nachdem der Erinnerung nicht abgeholfen worden war, wies sie der Richter am Amtsgericht aus den nach seiner Ansicht zutreffenden Gründen der Vorentscheidung mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurück.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG.
Sie trägt im Wesentlichen vor, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnten Rechtsuchende nicht auf die Beratung durch diejenige Behörde verwiesen werden, deren Entscheidung sie angreifen wollten. Gleiches müsse hinsichtlich der Überprüfung eines behördlichen Verhaltens gelten. Auch für den Tatsachenvortrag sei die Kenntnis und Würdigung rechtlicher Normen erforderlich gewesen. Es sei ihr darauf angekommen, dem Verwaltungsträger ein Fehlverhalten bei der Bearbeitung des Antrages vor Augen zu führen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unbegründet ist.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG.
Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG darf Bedürftigen die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden (vgl. BVerfGE 9, 124 ≪130 f.≫; 10, 264 ≪270 f.≫; 22, 83 ≪86 f.≫; 51, 295 ≪302≫; 63, 380 ≪394 f.≫; 67, 245 ≪248≫; 78, 104 ≪117 f.≫; stRspr).
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaats- und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG) gebietet die Gewährung von Rechtsschutzgleichheit nicht nur im gerichtlichen Bereich. Das Grundgesetz verlangt darüber hinaus, dass Vorkehrungen getroffen werden, damit Rechtsuchende mit der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich nicht von vornherein an mangelnden Einkünften oder fehlendem Vermögen scheitern. Diese Erwägung, dass der gleiche Rechtszugang unabhängig von den Einkunfts- und Vermögensverhältnissen möglich sein muss, trägt nicht nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsschutzgleichheit beim Zugang zu den Gerichten, sondern gilt entsprechend für die Wahrnehmung und Verfolgung subjektiver Rechte im außergerichtlichen Bereich. Weder der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG noch das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG oder das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sind in ihrer Geltung auf gerichtliche Verfahren beschränkt. Die im gerichtlichen Verfahren auf Rechtsschutzgleichheit zielenden Gewährleistungen des Grundgesetzes gewährleisten im außergerichtlichen Bereich Rechtswahrnehmungsgleichheit (vgl. BVerfGE 122, 39 ≪50≫).
Dabei sind Unbemittelte allerdings nur solchen Bemittelten gleichzustellen, die ihre Aussichten vernünftig abwägen und bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen (vgl. BVerfGE 51, 295 ≪302≫; 81, 347 ≪357≫; 122, 39 ≪49 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, NJW 2009, S. 3417). Kostenbewusste Rechtsuchende werden dabei insbesondere prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte brauchen oder selbst dazu in der Lage sind. Dabei ist die Frage nach möglicher und zumutbarer Selbsthilfe einfachrechtlich im Rahmen des Beratungshilfegesetzes durchaus umstritten (für eine Berücksichtigung im Rahmen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses: Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 5. Aufl. 2010, Rn. 954, 960; generell ablehnend Schoreit, in: Schoreit/Groß, Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe, 10. Aufl. 2010, § 1 Rn. 99). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist aber jedenfalls kein Verstoß gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit erkennbar, wenn Unbemittelten eine finanzielle Unterstützung in Fällen versagt wird, in denen auch Bemittelte wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, NJW 2009, S. 3417 ≪3418≫).
Ob die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung notwendig ist oder Rechtsuchende zumutbar auf Selbsthilfe verwiesen werden können, haben die Fachgerichte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Insbesondere kommt es darauf an, ob der dem Beratungsanliegen zugrunde liegende Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft und ob Rechtsuchende über Rechtskenntnisse verfügen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, NJW 2009, S. 3417 ≪3419≫). Zudem ist die konkrete Konstellation zu berücksichtigen, die ein Rechtsschutzverfahren prägt. Verfassungsrechtlich mag zu beanstanden sein, wenn Rechtsuchende für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen werden, gegen die sie sich mit einem Widerspruch richten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, NJW 2009, S. 3417 ≪3419≫). Die angefochtenen Entscheidungen sind mit der dann entstehenden Problematik jedoch nicht vergleichbar. Sie verlangen von der Beschwerdeführerin lediglich, die für die Feststellung eines Rechts auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erforderlichen, aus Sicht der Behörde noch fehlenden Unterlagen vorzulegen. Selbst wenn die Beschwerdeführerin diese dem Verwaltungsträger bereits hat zukommen lassen, verbleibt einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt im Fall der Nachforderung der Behörde nichts anderes, als diese Unterlagen (erneut) vorzulegen, damit der Antrag bearbeitet werden kann.
Bemittelte Rechtsuchende müssten darüber hinaus die Kosten der Rechtsverfolgung für das Verwaltungsverfahren selbst tragen. Aufwendungen für die Hinzuziehung anwaltlicher Unterstützung werden im Erfolgsfall erst für das Widerspruchsverfahren, nicht aber für das Verwaltungsverfahren erstattet (vgl. § 63 Abs. 2 SGB X). Kosten, die durch eine anwaltliche Vertretung während des Verwaltungsverfahrens bis zur Entscheidung durch einen Verwaltungsakt entstanden sind, werden weder nach den Regelungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechtes noch nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstattet (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2010 – 1 BvR 465/10 –, NZS 2011, S. 177 ≪178≫; BSG, Urteil vom 20. April 1983 – 5a RKn 1/82 –, juris). Daher steht auch Unbemittelten eine solche Kostenerstattung hier nicht zu.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Schluckebier, Baer
Fundstellen