Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Einkommensteuererstattung auf Arbeitslosengeld II
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG wird durch die Anrechnung der Einkommensteuererstattung als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II nicht verletzt, weil einerseits der Steuererstattungsanspruch als solcher nicht gekürzt wird, was gesondert gerechtfertigt werden müsste, da dieser geschützt ist und andererseits die grundsätzlich subsidiäre, fürsorgliche, steuergestützte Sozialleistung der Grundsicherung nicht als Eigentum geschützt ist.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1; SGB II § 11 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein sozialgerichtliches Verfahren wegen der teilweisen Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II aufgrund des Zuflusses einer Einkommensteuererstattung.
1. Der Grundsicherungsträger hob einen Leistungen nach dem SGB II gewährenden Verwaltungsakt für August 2009 wegen des Zuflusses einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 2007 in diesem Monat teilweise auf und verlangte von der Beschwerdeführerin Erstattung eines Betrages in Höhe von 429,86 EUR.
2. Das Sozialgericht wies die Klage, unter Nichtzulassung der Berufung, mit Urteil vom 15. April 2011 ab. Nach einhelliger Rechtsprechung beider für das Grundsicherungsrecht zuständiger Senate des Bundessozialgerichts, von denen abzuweichen die Kammer keinen Anlass sehe, stelle eine nach Antragstellung auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugeflossene Einkommensteuererstattung Einkommen und nicht Vermögen dar und sei daher im Monat des Zuflusses bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Das Landessozialgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung mit Beschluss vom 7. Juli 2011 zurück.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG. Sie trägt vor, die angefochtenen Entscheidungen verletzten sie in ihrem Grundrecht auf Eigentum. Dadurch, dass die Einkommensteuererstattung als Einkommen und nicht als Vermögen behandelt werde, werde ihre eigentumsrechtliche Position, die sie bereits im Jahre 2007 erworben habe, entwertet. Die Sichtweise des Verwaltungsträgers und der Gerichte bedeute, dass sie den als Einkommensteuererstattung erhaltenen Betrag zurückzahlen müsse.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie jedenfalls unbegründet ist.
Die Beschwerdeführerin wird durch die Anrechnung der Einkommensteuererstattung auf eine steuerfinanzierte Sozialleistung nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.
Ein Eingriff in den Schutzbereich des Eigentums liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn der Bestand an individuell geschützten vermögenswerten Rechten aufgrund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪42≫; BVerfGK 6, 266 ≪269≫). Vorliegend geschieht dies jedoch nicht. Denn die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen verringern nicht etwa den Steuererstattungsanspruch der Beschwerdeführerin, was gesondert gerechtfertigt werden müsste, da dieser Anspruch als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist (vgl. BVerfGE 70, 278 ≪285≫). Vielmehr wird die Erstattung als Einkommen nach Maßgabe der §§ 11 ff. SGB II, also nach § 11 Abs. 3 SGB II auch erst in dem Augenblick, in dem es tatsächlich zufließt, auf die nach § 9 Abs. 1 SGB II grundsätzlich subsidiäre Sozialleistung angerechnet (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R –, juris, Rn. 23; Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 47/08 R –, juris, Rn. 24). Diese Anrechnung ist ein Mittel, mit dem der Gesetzgeber in Ausnutzung seines weiten Gestaltungsspielraumes den aus Art. 20 Abs. 1 GG erwachsenden sozialstaatlichen Gestaltungsauftrag erfüllt.
Eine fürsorgerische Sozialleistung wie die Grundsicherung ist nicht als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG geschützt. Sozialrechtliche Ansprüche genießen vielmehr nur dann grundrechtlichen Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und der Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪300≫; 92, 365 ≪405≫; 97, 271 ≪284≫; 100, 1 ≪32 f.≫). So stehen etwa sozialversicherungsrechtliche Rechtspositionen in Form von Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie aus eigener Versicherung der Leistungsberechtigten resultieren, grundsätzlich unter dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪293≫ m.w.N.; 100, 1 ≪33≫). Dies ist hingegen bei steuerfinanzierten Fürsorgeleistungen nicht der Fall (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. Dezember 2010 – 1 BvR 2628/07 –, NJW 2011, S. 1058 ≪1059 f.≫). Die Verringerung dieses Sozialleistungsanspruchs verletzt die Beschwerdeführerin hier ebenso wenig in ihrem Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG wie die Anrechnung der Verletztenrente auf derartige Ansprüche (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 –, juris, Rn. 41).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 2829973 |
BFH/NV 2012, 365 |