Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die drohende Veröffentlichung ihrer Vergütungen als Vorstandsmitglieder einer Krankenversicherung.
I.
1. § 35a SGB IV regelt die Rechtsverhältnisse der Vorstände von Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie von Ersatzkassen. Mit Art. 5 Nr. 6 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 wurde die Vorschrift des § 35a Abs. 6 SGB IV um folgenden Satz 2 ergänzt:
Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen.
2. Die Beschwerdeführer sind Vorstände der Bertelsmann BKK, einer gesetzlichen Krankenversicherung. Sie halten die Regelung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV für verfassungswidrig und wenden sich daher gegen die Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen. Weder zum vorgesehenen Erstveröffentlichungstermin noch in der Zeit seither sind die Vergütungen der Beschwerdeführer daher veröffentlicht worden.
Einen vom Bundesversicherungsamt, das die Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen führt, erlassenen Verpflichtungsbescheid über die Veröffentlichungspflicht fochten die Beschwerdeführer erfolglos beim Sozialgericht Detmold an. Ferner begehrten sie einstweiligen Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung ihrer Vergütungen beim Landgericht Bielefeld, welches den Antrag mit Urteil vom 14. August 2007 zurückwies. Die hiergegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Hamm wies dieses mit Urteil vom 18. Dezember 2007 zurück.
Die Gerichte stützen sich zur Begründung ihrer Entscheidungen maßgeblich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Februar 2007 – B 1 A 3/06 – (GesR 2007, 472-478).
Dieses führt zur Sache aus, § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Vorstandsmitglieder als verfassungswidrig anzusehen. Zwar könne die Veröffentlichungspflicht den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berühren. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Entsprechend den Ausführungen in der Begründung zum Gesetzentwurf ziele die Vorschrift in legitimer Weise auf die Schaffung höherer Transparenz über Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität im Gesundheitswesen und solle damit dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung tragen. Im demokratischen Rechtsstaat stelle es geradezu den Regelfall dar, dass Bedienstete in öffentlicher Funktion die Kontrolle ihrer aus öffentlichen Abgaben finanzierten Bezüge durch die Öffentlichkeit hinnehmen müssten und deshalb auch deren Publizität zu dulden hätten.
Zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks sei die Regelung auch geeignet, erforderlich und angemessen. Da es nicht um hochsensible Daten, sondern um berufsbezogene Angaben gehe, die von vornherein einen Drittbezug und einen Bezug zur Öffentlichkeit aufwiesen, handele es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff. In ihrer herausgehobenen Funktion in der öffentlichen Verwaltung hätten die Beschwerdeführer Einschränkungen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinzunehmen.
3. Mit ihrer gegen die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte, gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold und gegen die gesetzliche Regelung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV gerichteten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei unverhältnismäßig und daher nicht gerechtfertigt. Er diene bereits keinem legitimen Zweck. Die erstrebte Transparenz sei kein Selbstzweck, sondern bedürfe ihrerseits einer Rechtfertigung. Alle insoweit in Betracht kommenden Zielsetzungen seien im Bereich des Gesundheitswesens bereits dadurch erfüllt, dass die Krankenkassen zur Offenlegung der Gesamthöhe ihrer Verwaltungsausgaben verpflichtet seien. Die darüber hinausgehende Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen könne lediglich noch dazu dienen, öffentlichen Druck auf deren Höhe auszuüben, um einen Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen zu leisten. Angesichts der geringfügigen Auswirkungen der Vorstandsvergütungen auf die Beitragssätze der Krankenkassen sei dieses Ziel auf diesem Wege jedoch nicht zu erreichen. Die Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen führe lediglich dazu, dass die Öffentlichkeit von der eigentlichen Problematik im Bereich der Kosten des Gesundheitswesens abgelenkt werde.
Selbst zur Herstellung zusätzlicher Transparenz im Gesundheitswesen sei die in Mitgliederzeitschriften und an schwer zugänglicher Stelle im Bundesanzeiger vorgesehene Veröffentlichung jedenfalls nicht geeignet.
Die Regelung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV sei zur Erreichung des etwaigen Gesetzeszweckes auch nicht erforderlich. Für die Effizienz einer Krankenkasse seien die Verwaltungskosten insgesamt, nicht die Vorstandsbezüge entscheidend. Unangemessen hohe Vergütungen von Vorständen könnten bereits im Wege der Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt ausgeschlossen werden. Im Übrigen habe das Bundesversicherungsamt festgestellt, dass die Bezüge der Krankenkassenvorstände weit überwiegend nicht überhöht, sondern angemessen seien.
Letztlich sei die Regelung auch nicht angemessen. Sie belaste die Vorstandsmitglieder in erheblichem Maße, weil sie ein Hindernis für die freie Aushandlung der Vorstandsbezüge darstelle. Der Fall der Vergütung anderer im öffentlichen Dienst Beschäftigter sei insoweit nicht vergleichbar. Das Interesse an der angestrebten Transparenz wiege angesichts der Geringfügigkeit des damit verfolgbaren Zweckes nur gering und könne den Eingriff nicht rechtfertigen.
Dies gelte umso mehr, wenn man die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Europäischen Gerichtshofs in den Blick nehme, die bei der informationellen Selbstbestimmung einen wesentlich strengeren Maßstab anlegten als das Bundessozialgericht.
Die Beschwerdeführer beantragen darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Bundesversicherungsamt beabsichtige, den Verpflichtungsbescheid in naher Zukunft zu vollstrecken, so dass der endgültige Verlust der von den Beschwerdeführern verteidigten Rechtsposition drohe.
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf. Ebenso wenig ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde in vollem Umfang zulässig ist. Jedenfalls hat sie in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
1. Allerdings ermächtigt § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪41 ff.≫; 96, 171 ≪181≫; 103, 21 ≪32 f.≫; 115, 320 ≪341≫). Es sichert seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43≫; 84, 239 ≪279≫; 115, 320 ≪341≫). Auch die öffentliche Bekanntmachung personenbezogener Daten als Sonderform der Datenübermittlung ist vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst (vgl. BVerfGE 78, 77 ≪84≫).
Die Vergütungen der Vorstände von Krankenkassen sind personenbezogene Daten, die sich bei Veröffentlichung in der vorgesehenen Form auch einem individualisierbaren Grundrechtsträger zuordnen lassen. Die öffentliche Bekanntmachung der Vergütungen in der vorgesehenen Form bedeutet einen Eingriff in das Grundrecht, zu dem § 35a Abs. 6 Satz 2 SGV IV die Krankenkassen ermächtigt und verpflichtet.
2. Der Eingriff ist durch § 35a Abs. 6 Satz 2 SGV IV gerechtfertigt. Die gegen diese Vorschrift erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43 f.≫). Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪44≫; 115, 320 ≪345≫). Dieser Grundsatz ist nicht verletzt.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verfolgt die Regelung einen legitimen Zweck.
Nach dem Gesetzentwurf vom 8. September 2003 (BTDrucks 15/1525) soll mit der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen Transparenz geschaffen werden, um dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit an dem Einsatz öffentlicher Mittel, die auf gesetzlicher Grundlage erhoben werden, Rechnung zu tragen.
Die Schaffung einer solchen Transparenz ist ein legitimer Zweck der Gesetzgebung. In einer demokratischen Gesellschaft tragen solche Informationen zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess bei. Mit entsprechenden Regelungen zur Gewährleistung verbesserter Informationen trägt der Bundesgesetzgeber in jüngerer Zeit vermehrt dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Rechnung, so etwa durch das Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 und das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz vom 3. August 2005. Dies steht auch in Übereinstimmung mit internationalen Entwicklungen (vgl. zusammenfassend Kugelmann, DÖV 2005, S. 851 ff.).
Ob, wie von den Beschwerdeführern vermutet, der Gesetzgeber mit seiner Regelung noch andere Zwecke, etwa die Senkung der Kosten des Gesundheitswesens, verfolgte, kann dahinstehen. Dafür, dass er entgegen seinen eigenen Ausführungen in der Gesetzesbegründung ausschließlich andere oder gar illegitime Zwecke anstrebte, ist nichts ersichtlich.
b) Die Regelung ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks auch geeignet und erforderlich.
Ein Gesetz ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪173, 175≫; 100, 313 ≪373≫; 115, 320 ≪345≫). Die Information über die Vorstandsgehälter kann den Gesetzeszweck der Herstellung von Transparenz im Gesundheitswesen fördern. Die Eignung entfällt nicht deshalb, weil die vorgesehenen Orte der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße zugänglich wären. Vielmehr liegt es für den Interessierten nahe, aufgrund gesetzlicher Anordnung bekannt zu machende Informationen in amtlichen Mitteilungsblättern wie dem Bundesanzeiger zu suchen oder sie in Publikationen der Einrichtung zu vermuten, die zur Veröffentlichung verpflichtet ist. Auch wenn möglicherweise nur wenige Versicherte selbst den Bundesanzeiger oder die Mitgliederzeitschriften von Krankenkassen im Hinblick auf die Vorstandsvergütungen auswerten werden, so ist doch für den Gesetzeszweck entscheidend, dass die Informationen überhaupt öffentlich zugänglich sind. Insbesondere für die Medien ist ein als Quelle zitierfähiges amtliches Organ eine geeignete Grundlage für die Informationsgewinnung. Es ist von der publizistischen Aufgabe der Medien umfasst, Informationen, die sich der Einzelne auch bei Bestehen eines gewissen Interesses angesichts des damit verbundenen Aufwandes in der Regel nicht verschaffen würde, zusammenzutragen und über entsprechende Sachverhalte zu berichten.
Zur Zweckerreichung ist die angegriffene Regelung auch erforderlich. Die vom Gesetzgeber gewollte Art der Transparenz der Vorstandsbezüge kann nur durch deren Veröffentlichung hergestellt werden.
c) Die angegriffene Regelung wahrt auch die Grenzen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
Die Schwere des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪173≫; 115, 320 ≪345≫).
aa) Für die Beschwerdeführer ist das allgemeine Bekanntwerden von Informationen über ihre Vergütungen ein Eingriff von nicht unerheblichem Gewicht.
Personenbezogene Daten über die Vergütung im ausgeübten Beruf des Grundrechtsträgers ermöglichen Rückschlüsse über dessen wirtschaftliche Verhältnisse im privaten Bereich. Indem diese Daten veröffentlicht und damit allgemein bekannt werden, wird jedermann in die Lage versetzt, in diese Verhältnisse, wenngleich nur in einem begrenzten Maße, Einblick zu nehmen. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten stellt im Vergleich zu anderen Eingriffsmöglichkeiten, etwa der bloßen Erhebung, verwaltungsinternen Speicherung und Weitergabe an bestimmte Dritte, eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Gewicht gewinnt dieser Eingriff zusätzlich, wenn die hier zu veröffentlichenden Informationen, wie die Beschwerdeführer unter Beifügung von Belegen anführen, Gegenstand einer umfangreichen, teilweise unsachlich geführten öffentlichen Diskussion zu werden drohen. Damit besteht zumindest die Gefahr, dass allein aufgrund des Bekanntwerdens der hier verfahrensgegenständlichen Angaben persönliche Verhältnisse der Beschwerdeführer öffentlich in einer Weise erörtert werden, die ihnen aufgrund von Umständen, die sie selbst nicht beeinflussen können, in Bezug auf ihr öffentliches Ansehen und ihr öffentliches Handeln nicht zum Vorteil gereicht.
Bei der Gewichtung des Eingriffs ist andererseits zu berücksichtigen, dass die Informationen nicht die engere Privatsphäre der Beschwerdeführer, sondern ihren beruflichen Bereich betreffen. Veröffentlicht werden nicht die für die persönliche Lebensgestaltung entscheidenden Einkünfte der Beschwerdeführer, zu denen auch Zuflüsse aus anderen Quellen zählen können, sondern lediglich die von Seiten der Krankenkasse gezahlten Vergütungen und Versorgungsleistungen. Rückschlüsse auf Einkommen oder gar Vermögen der Beschwerdeführer sind daher nicht umfassend möglich.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Funktion beim Träger einer gesetzlichen, insbesondere durch Beiträge der Versicherten finanzierten Krankenkasse unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. So wie es für den öffentlichen Dienst möglich ist, die Bezüge der Funktionsträger aus öffentlich zugänglichen Quellen weitgehend zutreffend zu ermitteln, wird durch die Neuregelung in § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV Ähnliches jedenfalls für Funktionsträger bei gesetzlichen Krankenkassen ermöglicht.
Die besonderen Bedingungen, denen die Beschwerdeführer nach ihrem Vorbringen etwa bei der Aushandlung ihrer Bezüge unterliegen, fallen allenfalls unwesentlich ins Gewicht. Zwar mag das Bekanntwerden der Vergütungen bei etwaigen Vertragsverhandlungen mit anderen Krankenkassen die Verhandlungslage verändern. Das Vorbringen der Beschwerdeführer lässt jedoch nicht erkennen, dass diese Veränderung sich naheliegenderweise zu ihrem Nachteil auswirken würde. Zwar befürchten sie einerseits eine Schwächung ihrer Verhandlungsposition, gleichzeitig erwarten sie aber, dass die gesetzliche Regelung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV keinen Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen liefern könne, weil sie in der Tendenz eher zu einem Ansteigen der Vorstandsgehälter führen werde.
bb) Auf der anderen Seite dient die angegriffene Regelung einem öffentlichen Belang von erheblichem Gewicht. Sie soll dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung tragen und gleichzeitig die Möglichkeit für einen Vergleich schaffen.
(1) Dabei kann entsprechend den auch von den Fachgerichten übernommenen Ausführungen der Beschwerdeführer davon ausgegangen werden, dass die Vorstandsvergütungen, gemessen am Gesamthaushalt der Krankenkasse, nur einen geringfügigen Anteil ausmachen, der die Schwelle der Beitragsrelevanz grundsätzlich nicht erreicht. Auch unterhalb dieser Schwelle können Angaben über die Vorstandsvergütungen Rückschlüsse auf Finanzgebaren und gegebenenfalls Einsparpotentiale der Krankenkasse ermöglichen, die für den Vergleich der Kassen untereinander von Interesse sein können. Dabei bestehen Möglichkeiten, die jeweils zu veröffentlichenden Vorstandsvergütungen nicht gesondert zu betrachten, sondern ihre Entwicklung, etwa seit Beginn der Veröffentlichungspflicht im Jahr 2004, heranzuziehen und sie in Zusammenhang mit anderen, der Öffentlichkeit ebenfalls zugänglichen Informationen zu bewerten.
(2) Darüber hinaus soll die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge für die Allgemeinheit die Transparenz im Umgang mit öffentlichen Mitteln – hier: im Gesundheitswesen – erhöhen.
Die Vergütungen leitender Funktionsträger sind, sowohl im Bereich öffentlicher Verwaltung als auch im Bereich der Privatwirtschaft, seit einiger Zeit Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion. Zu ihr liefern schon jetzt auch die Vergütungen von Krankenkassenvorständen, soweit bereits veröffentlicht, einen Beitrag. In diesem Zusammenhang werden Fragen der Angemessenheit von Gegenleistungen und damit der Gerechtigkeit erörtert, insbesondere werden Vorstandsbezüge und ihre Entwicklung ins Verhältnis gesetzt zu den Bezügen anderer Beschäftigter oder – im Falle der Sozialversicherungen – auch den von den Versicherten zu leistenden Beiträgen.
Der Vergütung von Führungspersonal wird erhebliche praktische Bedeutung beigemessen, auch etwa für die Unternehmenspolitik und die Motivation der betroffenen Personen bei ihrem unternehmerischen Handeln. Informationen darüber können Bedeutung für Anlageentscheidungen, etwa von Aktionären, haben (vgl. etwa Baums, ZIP 2004, S. 1877 ≪1879≫) und sie können öffentliche Diskussionen über die Angemessenheit der Vergütungen ermöglichen. Um Derartiges zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber im Jahre 2005 durch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz die Transparenz erhöht (s. hierzu Baums, ZIP 2004, S. 1877 ff.; Hennke, BB 2007, S. 1267 ff.). Werden auch Vergütungen des Führungspersonals im öffentlichen Bereich, hier speziell die der Krankenkassenvorstände, offen gelegt, kann sich dies nicht nur auf die allgemeine öffentliche Diskussion über deren Angemessenheit auswirken, sondern auch den Beitragszahlern aufschlussreiche Informationen vermitteln.
Soweit die Beschwerdeführer anführen, es sei zu befürchten, dass die Presse über die zu veröffentlichenden Bezüge unseriös berichten werde und eine verzerrte Darstellung der Verhältnisse von den eigentlichen Problemen des Gesundheitswesens ablenken könnte, steht dies der angegriffenen gesetzgeberischen Entscheidung nicht entgegen. Konkrete Verletzungen ihrer Rechte bei der Verwertung der Informationen im Einzelfall können sie mit den gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten abwehren.
cc) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums bei der Abwägung dieser gegenläufigen Interessen dem Transparenzinteresse und damit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Vorstandsbezüge von öffentlichen Funktionsträgern den Vorzug vor deren Interesse an Geheimhaltung gegeben hat.
d) Nach dem Gesagten ist auch das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 12 GG nicht verletzt. Die vom Gesetzgeber verfolgten Interessen rechtfertigen eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit.
e) Keiner Entscheidung bedarf, wie weit die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend machen können, die Fachgerichte hätten ihre Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention oder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unzureichend berücksichtigt (vgl. dazu BVerfGE 111, 307 ≪323 ff.≫). Denn es ist nicht erkennbar, dass die angegriffene Regelung insoweit zu beanstanden sein könnte.
Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK sind zulässig, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Fall, wenn ein zwingendes gesellschaftliches Bedürfnis besteht und die Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtigten Zweckt steht (vgl. EGMR, Urteil vom 24. November 1986, Gillow/Vereinigtes Königreich – Appl. Nr. 9063/80). Dabei verfügen die Behörden über ein Ermessen, dessen Umfang nicht nur von der Zielsetzung, sondern auch vom Wesen des Eingriffs abhängig ist (vgl. EGMR, Urteil vom 26. März 1987, Leander/Schweden – Appl. Nr. 9248/81). Gerade im Umgang mit Daten zum Arbeitseinkommen ist nicht ersichtlich, dass der Gerichtshof insoweit einen besonders strengen Maßstab anlegen würde (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 21. Januar 1999, Fressoz and Roire/Frankreich – Appl. Nr. 29183/95, dort insb. Rn. 26, 48 ff., im Zusammenhang mit einer Regelung über die weitgehend öffentliche Einsichtnahme in Steuerlisten).
Der vom Österreichischen Verfassungsgerichtshof anhand von Art. 8 EMRK entschiedene Fall (s. Entscheidung vom 28. November 2003 – KR 1/00-33) lässt sich dem vorliegenden schon deshalb nicht vergleichen, weil die Veröffentlichungspflicht dort allein an die Höhe des Gehalts, nicht aber an die besondere Funktion des Betroffenen anknüpfte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hoffmann-Riem, Eichberger
Fundstellen
Haufe-Index 1976425 |
NJW 2008, 1435 |
NWB 2008, 1550 |
EuGRZ 2008, 548 |
DSB 2009, 21 |
SGb 2008, 295 |
DVBl. 2008, 649 |
GesR 2008, 269 |