Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 05.03.2009; Aktenzeichen 3 U 232/08) |
Tenor
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. März 2009 – 3 U 232/08 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.
2. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO), die von Verfassungs wegen keinen Bestand haben kann, weil sie die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verletzt. Materiellrechtlich lag dem Ausgangsverfahren die Frage zu Grunde, welche Auswirkungen der Widerruf des Beitritts eines Kommanditisten zu einer – zwischenzeitlich insolventen – Gesellschaft nach dem Haustürwiderrufsgesetz auf den von der Insolvenzverwalterin geltend gemachten Anspruch auf Erbringung einer rückständigen Einlage hat.
I.
Durch Erklärung vom 20. Dezember 1996 trat der Beschwerdeführer einer Kommanditgesellschaft (künftig: Gesellschaft) als Kommanditist bei. Er übernahm eine Pflichteinlage von 30.000 DM sowie eine Hafteinlage von 42.000 DM, erbrachte allerdings nur die Pflichteinlage. Im Juli 2007 stellte die Gesellschaft Insolvenzantrag. Die Insolvenzverwalterin machte daraufhin gegenüber dem Beschwerdeführer als Kommanditist der Gesellschaft einen noch bestehenden Einlageanspruch in Höhe von 6.135,50 EUR geltend. Der Beschwerdeführer widerrief am 20. August 2007 seine Beitrittserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz und behauptete, er habe die Erklärung in einer sogenannten Haustürsituation abgegeben.
Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer am 16. Oktober 2008 antragsgemäß zur Zahlung des rückständigen Teils der Einlage. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer erklärten Widerrufs seines Beitritts zur Gesellschaft vertrat es die Rechtsauffassung, der Beschwerdeführer könne sich darauf – die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt – nicht berufen; denn seine Haftung ergebe sich aus seiner Eintragung als Kommanditist im Handelsregister und damit unmittelbar aus dem Gesetz (§ 171 Abs. 1 HGB).
Bereits zuvor, durch Beschluss vom 5. Mai 2008 (WM 2008, S. 1026), hatte der Bundesgerichtshof in einem eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffenden Rechtsstreit das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Ist die Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen, dass davon der Beitritt eines Verbrauchers zu einer Personen-, einer Personenhandelsgesellschaft, einem Verein oder einer Genossenschaft umfasst ist, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied der Gesellschaft, des Vereins oder der Genossenschaft zu werden, sondern – was vor allem bei der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds häufig zutrifft – die mitgliedschaftliche Beteiligung nur ein anderer Weg der Kapitalanlage oder der Erlangung von Leistungen ist, die typischerweise Gegenstand von Austauschverträgen sind?
- Ist die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen, dass sie einer nationalen (richterrechtlichen) Rechtsfolge im Sinne des Art. 7 der Richtlinie entgegensteht, die besagt, dass ein solcher in einer Haustürsituation erklärter Beitritt eines Verbrauchers im Falle des Widerrufs des Beitritts dazu führt, dass der widerrufende Verbraucher einen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs berechneten Anspruch gegen die Gesellschaft, den Verein oder die Genossenschaft auf sein Auseinandersetzungsguthaben, d.h. einen dem Wert seines Gesellschafts-, Vereins- oder Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält, mit der (möglichen) Folge, dass er wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft, des Vereins oder der Genossenschaft entweder weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich ihnen gegenüber sogar noch über den Verlust der geleisteten Einlage hinausgehenden Zahlungspflichten ausgesetzt sieht, weil das Auseinandersetzungsguthaben negativ ist?
Das Landgericht sah diesen Vorlagebeschluss als auf den vertraglichen, innergesellschaftlichen Nachschussanspruch beschränkt an, während im vorliegenden Ausgangsverfahren das Außenrecht der Gesellschaft betroffen sei. Eine Aussetzung des Verfahrens oder eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei deshalb nicht erforderlich.
Das Oberlandesgericht schloss sich dieser Rechtsauffassung des Landgerichts an und wies die vom Beschwerdeführer eingelegte Berufung mit seinem hier angegriffenen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Eine vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge blieb ebenfalls erfolglos.
Entscheidungsgründe
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt: Art. 267 AEUV). In Kenntnis der Umstände, dass der Bundesgerichtshof eine zumindest ähnliche Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt habe, ein echtes Parallelverfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die dort eingelegte Revision vorliege (Az.: II ZR 269/07) und andere deutsche Gerichte Parallelverfahren förmlich ausgesetzt hätten, habe das Oberlandesgericht hier dennoch nach § 522 ZPO entschieden und ihm dadurch sowohl den Zugang zur Revisionsinstanz wie auch zum Europäischen Gerichtshof in verfassungswidriger Weise verwehrt.
III.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens misst der Verfassungsbeschwerde keine Erfolgsaussicht bei und meint, die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts werde auch von mehreren weiteren Fachgerichten vertreten, so dass die Entscheidung jedenfalls nicht willkürlich sei. Der Bundesgerichtshof hat eine Stellungnahme seines II. Zivilsenats übermittelt. Darin wird unter anderem mitgeteilt, das dort anhängige, ebenfalls eine Kommanditeinlage betreffende Revisionsverfahren II ZR 269/07 sei analog § 148 ZPO bis zur Erledigung desjenigen Revisionsverfahrens ausgesetzt, in dem die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erfolgt ist. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Äußerung abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93c BVerfGG).
1. Das Oberlandesgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss über die Zurückweisung der Berufung das Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, indem es durch eine aus Sachgründen nicht zu rechtfertigende Handhabung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO den Zugang des Beschwerdeführers zur Revisionsinstanz unzumutbar eingeschränkt hat.
a) Für den Zivilprozess ergibt sich das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪345≫ 97, 169 ≪185≫).
Effektiver Rechtsschutz in diesem Sinne umfasst nicht nur das Recht auf Zugang zu den Gerichten sowie auf eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪345≫; 97, 169 ≪185≫). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Es begründet zwar keinen Anspruch auf eine weitere Instanz; die Entscheidung über den Umfang des Rechtsmittelzuges bleibt vielmehr dem Gesetzgeber überlassen (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 89, 381 ≪390≫; 107, 395 ≪401 f.≫). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 ≪385≫; 74, 228 ≪234≫; 77, 275 ≪284≫).
Diese Grundsätze finden auch auf den einstimmigen Beschluss des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO Anwendung, da er gemäß § 522 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar ist und damit den Weg zur Revision versperrt (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 – 1 BvR 2587/06 –, NJW 2009, S. 572 ≪573≫ m.w.N.).
b) Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.
aa) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des hier maßgebenden § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt einer Sache zu, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und die deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage setzt die Revisibilität des anzuwendenden Rechts nach § 545 Abs. 1 ZPO voraus. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 – 1 BvR 2587/06 –, NJW 2009, S. 572 ≪573≫ m.w.N.).
bb) Für die Entscheidung des Oberlandesgerichts war eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage entscheidungserheblich, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung in materiellrechtlicher Hinsicht darauf gestützt, dass bei einem in das Handelsregister eingetragenen Kommanditisten im Verhältnis zu den außenstehenden Gläubigern der Gesellschaft das Haustürwiderrufsgesetz auf dessen Beitrittserklärung von vornherein nicht anwendbar sei. Es hat damit für diese hier erhebliche Frage einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, der in einer Vielzahl von Fällen Bedeutung erlangen kann, und bei seiner Entscheidung insoweit auch nicht etwa auf besondere Umstände des Einzelfalls abgehoben.
Diese – als Bundesrecht revisible und damit klärungsfähige – Rechtsfrage war und ist auch klärungsbedürftig. Insoweit verweist die Verfassungsbeschwerde zwar nicht auf einen in Rechtsprechung oder Schrifttum bestehenden Streit über die vom Oberlandesgericht als entscheidungserheblich angesehene Rechtsfrage. Deren Klärungsbedürftigkeit ergibt sich aber schon daraus, dass der Bundesgerichtshof selbst in seinem Vorlagebeschluss diese Rechtsfrage als von seinem Vorabentscheidungsersuchen umfasst erachtet hat. Zwar betrifft der Rechtsstreit, der dem vom Bundesgerichtshof eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegt, nur die Geltendmachung eines negativen Auseinandersetzungsguthabens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegen einen ihrer vormaligen Gesellschafter, nachdem dieser seine Mitgliedschaft fristlos gekündigt und seine Beitrittserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufen hatte. Es geht dort also um vertragliche Ansprüche des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses. In seiner Begründung für die Vorlagefragen verweist der Bundesgerichtshof aber darauf, dass sich dasselbe Problem auch bei Immobilienfonds in Gestalt von Kommanditgesellschaften stellen könne. Dieser Hinweis auf eine gleichartige Fragestellung bei einer Kommanditgesellschaft wäre nicht erklärlich, wenn der Bundesgerichtshof davon ausginge, dass die Eintragung des Kommanditisten im Handelsregister zu einer grundlegend anderen Beurteilung der Rechtslage führen würde. Ob die Vergleichbarkeit der Rechtslage in Bezug auf einen schlicht-bürgerlichen Gesellschafter einerseits sowie einen eingetragenen Kommanditisten andererseits nur für das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gelten soll oder ob im Hinblick auf das Haustürwiderrufsgesetz hier nur eine einheitliche Anwendung im Innen- wie auch im Außenverhältnis in Betracht kommt, lässt sich den Gründen des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs zwar nicht eindeutig entnehmen. Die mehrfache gemeinsame Erwähnung der Interessen der Mitgesellschafter sowie der Gläubiger in Abgrenzung zu den Interessen des ausscheidenswilligen Gesellschafters belegt indes, dass der Bundesgerichtshof zumindest die Möglichkeit einheitlicher Rechtsfolgen für das Innen- und Außenverhältnis erwägt. Dennoch hat sich das Oberlandesgericht in Kenntnis der aktuellen Bedeutung dieser Rechtsfrage – die zudem über den Einzelfall hinaus von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite ist – dahingehend festgelegt, dass eine Erstreckung der Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes auf die Außenhaftung eines Kommanditisten nicht in Betracht komme.
Danach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass das Oberlandesgericht überdies bereits zum Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers in dessen Stellungnahme zum Hinweisbeschluss (nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO) Kenntnis davon haben musste, dass dem Bundesgerichtshof in einem Parallelfall zum hiesigen Ausgangsverfahren die dort zugelassene Revision zur Entscheidung vorliegt. In jenem Verfahren geht es – wie hier – um die grundsätzliche Frage, ob nach einem wirksamen Widerruf im Sinne des Haustürwiderrufsgesetzes die Außenhaftung des widerrufenden Gesellschafters und Kommanditisten gegenüber den Gläubigern bestehen bleibt. Jenes Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof, wie dessen eingeholter Stellungnahme zu entnehmen ist, durch Beschluss vom 26. November 2008 im Hinblick auf das vor dem Europäischen Gerichtshof anhängige Vorabentscheidungsverfahren entsprechend § 148 ZPO ausgesetzt. Durch diese Entscheidung, die mehr als drei Monate vor dem hier angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts ergangen war, hat der Bundesgerichtshof nochmals verdeutlicht, dass er auf Grundlage der Richtlinie 85/577/EWG nicht nur für die Innenhaftung eines Kommanditisten eine Neubewertung der bisherigen Rechtslage erwägt, sondern dass er gleichartige Rechtsfolgen auch im Außenverhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft in Betracht zieht.
cc) Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO hier in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verneint. Es hätte vielmehr zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Begründung des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs die Frage der Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auch für die Außenhaftung eines Kommanditisten unabweisbar als klärungsbedürftig aufzeigte. Eine Entscheidung durch Beschluss kam dann aber nicht in Betracht. Das Oberlandesgericht hätte – sofern es nicht wie andere Berufungsgerichte den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem dort anhängigen Revisionsverfahren aussetzen wollte – durch Urteil und unter Zulassung der Revision (gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) entscheiden müssen.
2. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts über die Zurückweisung der Berufung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, da das Gericht seine Entscheidung in der Sache allein auf seine oben dargestellte Rechtsauffassung gestützt hat. Auch kann derzeit nicht angenommen werden, dass bei Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht kein anderes, für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis in Betracht kommt (vgl. dazu BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Allein die – im Hinblick auf die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak (vgl. ZIP 2009, S. 1902) denkbare – Möglichkeit, dass der Europäische Gerichtshof – und ihm später folgend der Bundesgerichtshof – den materiellrechtlichen Standpunkt des Oberlandesgerichts bestätigen könnte, ändert nichts daran, dass das Oberlandesgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung von der prozessrechtlichen Möglichkeit des § 522 Abs. 2 ZPO keinen Gebrauch machen durfte. Indem es dennoch so verfahren ist, hat es seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Wahrung des Rechts des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht genügt.
V.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt, wenn der Verfassungsbeschwerde durch die Entscheidung einer Kammer stattgegeben wird, in der Regel 8.000 EUR. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2320890 |
DStR 2010, 12 |
NZG 2010, 714 |
WM 2010, 794 |
GWR 2010, 215 |