Entscheidungsstichwort (Thema)
Befugnisse des BND zur Überwachung, Aufzeichnung und Auswertung des Telekommunikationsverkehrs sowie zur Übermittlung der daraus erlangten Daten an andere Behörden nicht in vollem Umfang mit dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses und teilweise der Rechtsschutzgarantie sowie der Pressefreiheit vereinbar. Verpflichtung des Gesetzgebers zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes. Schutzumfang des Fernmeldegeheimnisses. Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Grundrechtsbeschränkungen zum Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 10 GG schützt nicht nur gegenüber der staatlichen Kenntnisnahme von Telekommunikationskontakten. Sein Schutz erstreckt sich auch auf den Informations- und Datenverarbeitungsprozeß, der sich an zulässige Kenntnisnahmen anschließt, und den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird.
2. Der räumliche Schutzumfang des Fernmeldegeheimnisses ist nicht auf das Inland beschränkt. Art. 10 GG kann vielmehr auch dann eingreifen, wenn eine im Ausland stattfindende Telekommunikation durch Erfassung und Auswertung im Inland hinreichend mit inländischem staatlichem Handeln verknüpft ist.
3. Art. 73 Nr. 1 GG gibt dem Bund die Kompetenz zur Regelung der Erfassung, Verwertung und Weitergabe von Telekommunikationsdaten durch den Bundesnachrichtendienst. Dagegen berechtigt Art. 73 Nr. 1 GG den Bundesgesetzgeber nicht dazu, dem Bundesnachrichtendienst Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind.
4. Ermächtigt der Gesetzgeber den Bundesnachrichtendienst zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis, so verpflichtet ihn Art. 10 GG, Vorsorge gegen diejenigen Gefahren zu treffen, die sich aus der Erhebung und Verwertung personenbezogener Daten ergeben. Dazu gehört insbesondere die Bindung der Verwendung erlangter Kenntnisse an den Zweck, der die Erfassung rechtfertigt.
5. Die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes aus § 1, § 3 G 10, zur Früherkennung bestimmter aus dem Ausland drohender schwerer Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland und zur Unterrichtung der Bundesregierung den Telekommunikationsverkehr zu überwachen, aufzuzeichnen und auszuwerten, ist grundsätzlich mit Art. 10 GG vereinbar.
6. Die Übermittlung personenbezogener Daten, die der Bundesnachrichtendienst für seine Zwecke aus der Telekommunikationsüberwachung erlangt hat, an andere Behörden ist mit Art. 10 GG vereinbar, setzt jedoch voraus, daß sie für deren Zwecke erforderlich sind, die Anforderungen an Zweckänderungen (BVerfGE 65, 1 ≪44 ff., 62≫) beachtet werden und die gesetzlichen Übermittlungsschwellen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
Normenkette
GG Art. 10 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, Art. 1 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 19 Abs. 4 S. 3, Art. 25, 73 Nr. 1; BVerfGG § 90 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 2, § 92; BNDG § 12
Verfahrensgang
Tenor
1. § 3 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Nummer 5, Absatz 3, Absatz 4, Absatz 5 Satz 1, Absatz 7 Satz 1 und Absatz 8 Satz 2 sowie § 9 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (G 10) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28. Oktober 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 3186), geändert durch das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) vom 17. Dezember 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 3108), sind mit Artikel 10 des Grundgesetzes unvereinbar. § 3 Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 und Absatz 5 Satz 1 ist überdies mit Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes und § 3 Absatz 8 Satz 2 außerdem mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes unvereinbar.
2. Im übrigen werden die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1), 2a) und 3) zurückgewiesen.
3. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2b) wird verworfen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern zu 1), 2a) und 3) die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes zur Überwachung, Aufzeichnung und Auswertung des Telekommunikationsverkehrs sowie zur Übermittlung der daraus erlangten Daten an andere Behörden und weitere Regelungen des 1994 durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz geänderten Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.
I.
1. Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (G 10) vom 13. August 1968 (BGBl I S. 949), das in Geltung trat, nachdem zuvor im Zug der verfassungsrechtlichen Notstandsvorkehrungen Art. 10 GG geändert worden war (Siebzehntes Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, BGBl I S. 709), sah von Anfang an die Möglichkeit der Fernmeldeüberwachung vor (§ 1). Sie war in zwei Formen zulässig. § 2 G 10 regelte die individuelle Aufklärung. Personenbezogene Überwachungen waren danach zulässig, wenn Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden, daß jemand näher bezeichnete, besonders schwere Straftaten plante, beging oder begangen hatte, die den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer demokratischen Ordnung bedrohten. § 3 G 10 regelte die sogenannte strategische Aufklärung, die vor allem der Gewinnung von Lagebildern über bestimmte der Bundesrepublik drohende Gefahren diente.
In den vorliegenden Verfahren geht es allein um die strategische Überwachung. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 a.F. war sie ursprünglich nur zur Früherkennung und Abwehr der Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik zulässig. Sie beschränkte sich daher geographisch auf Gebiete, aus denen eine Kriegsgefahr drohte. Die Bestimmung dieser Gebiete traf nach § 3 Abs. 1 Satz 1 G 10 a.F. der zuständige Bundesminister mit Zustimmung des in § 9 Abs. 1 G 10 vorgesehenen Abgeordnetengremiums. Dieser ordnete gemäß § 5 Abs. 1 bis 3 G 10 auch an, welche Fernmeldeverkehrsbeziehungen im einzelnen Beschränkungen des Geheimnisses unterlagen. Unter einer Fernmeldeverkehrsbeziehung wurde dabei ein planmäßig festgelegter Fernmeldeverkehr zwischen zwei bestimmten Endpunkten in beiden Richtungen verstanden, zum Beispiel ein bestimmtes grenzüberschreitendes Sammelkabel zwischen zwei Fernsprechknotenämtern, das in der Regel mit einer konkreten Kennummer bezeichnet war (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪174≫). Über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Beschränkungsmaßnahmen entschied gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 G 10 a.F. die G 10-Kommission.
Wesentliches Merkmal der Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G 10 a.F. war es, daß sie sich gegen einzelne Personen weder richteten noch aus technischen Gründen richten konnten, sondern der Gewinnung nicht personenbezogener Nachrichten dienten, die der Bundesregierung Informationen über außen- und verteidigungspolitische Sachverhalte verschafften. Soweit bei der strategischen Überwachung personenbezogene Daten anfielen, etwa weil die Kommunikationspartner selbst ihre Identität lüfteten, durften die Daten gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 G 10 a.F. nicht zum Nachteil der Betroffenen verwendet werden. Von dieser Regel sah das Gesetz zwei Ausnahmen vor. Das Nachteilsverbot galt gemäß Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn gegen die betroffene Person Fernmeldebeschränkungen nach § 2 G 10 angeordnet worden waren oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden, daß eine der in § 2 G 10 oder in § 138 StGB genannten Handlungen geplant oder begangen wurde.
In seiner Ursprungsfassung untersagte das Gesetz in § 5 Abs. 5 die Unterrichtung der von Überwachungsmaßnahmen betroffenen Personen. § 9 Abs. 5 G 10 schloß den Rechtsweg gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen und ihren Vollzug in Anwendung der 1968 in das Grundgesetz eingefügten Regelungen der Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 Satz 3 GG aus. Während das Bundesverfassungsgericht diese Vorschriften als vereinbar mit Art. 79 Abs. 3 GG ansah, erklärte es § 5 Abs. 5 G 10 für nichtig, soweit er eine Unterrichtung auch dann ausschloß, wenn der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wurde (BVerfGE 30, 1 ≪3≫). Der Gesetzgeber sah daraufhin in dem novellierten § 5 Abs. 5 G 10 eine Mitteilung an den Betroffenen vor, wenn keine Zweckgefährdung mehr drohte. Nach der Mitteilung sollte dem Betroffenen gemäß § 5 Abs. 5 Satz 4 G 10 der Rechtsweg offen stehen. Bei der strategischen Überwachung hielt das Bundesverfassungsgericht eine Mitteilung nicht für erforderlich, wenn die Kontrolle durch unabhängige und nicht weisungsgebundene staatliche Organe und Hilfsorgane sichergestellt sei (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪183 ff.≫).
2. Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3186) hat das G 10 in verschiedener Hinsicht geändert. Die Novellierung wurde damit begründet, daß die Überwachung des internationalen Fernmeldeverkehrs auch ermöglicht werden sollte, um Erkenntnisse auf den Gebieten des internationalen Terrorismus, des Rauschgiftschmuggels nach Deutschland, des illegalen Handels mit Kriegswaffen und der internationalen Geldwäsche- und Geldfälschungsaktivitäten zu gewinnen, die in zunehmendem Maße die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Staates und die Sicherheit der Bürger bedrohten. Die Erkenntnisse sollten den zuständigen Sicherheitsbehörden zur Verhinderung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten zur Verfügung gestellt werden können (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BTDrucks 12/6853, S. 42).
In thematischer Hinsicht wurden aufgrund der Novellierung die Zwecke, die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses erlauben, ausgeweitet. Neben die Gefahr eines bewaffneten Angriffs (Nr. 1) sind fünf weitere von verschiedenen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen mit Auslandsbezug ausgehende Gefahren getreten. Im einzelnen handelt es sich um die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge (Nr. 2), der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen und des konventionellen Rüstungshandels (Nr. 3), des Drogenexports in die Bundesrepublik (Nr. 4), der im Ausland begangenen Geldfälschungen (Nr. 5) und der Geldwäsche im Zusammenhang mit den in Nummern 3 bis 5 genannten Handlungen (Nr. 6).
Dagegen erstreckt sich die Überwachung hinsichtlich der neu aufgenommenen Erkenntniszwecke nur auf den – bei Erlaß des G 10 technisch noch unentwickelten – nicht leitungsgebundenen internationalen Telekommunikationsverkehr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 G 10). Leitungsgebundene Telekommunikationsbeziehungen dürfen nur überwacht werden, soweit es um die Gefahr eines Angriffskriegs geht (§ 3 Abs. 1 Satz 3 G 10). Andererseits vergrößert sich die geographische Reichweite der Überwachung durch die neu eingeführten Gefahrentatbestände der Nummern 2 bis 6. Während eine Kriegsgefahr seinerzeit nur aus dem Gebiet des Warschauer Paktes befürchtet wurde, sind die neuen Gefahren nicht auf ein einziges Gebiet beschränkt.
Ferner führt die Neuregelung zu einer Ausweitung in personeller Hinsicht. Zwar ist die gezielte Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G 10 ausgeschlossen. Die Selektion erfolgt vielmehr gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 G 10 über Suchbegriffe, die zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet sind. Doch gilt dies nach Satz 3 der Vorschrift nicht für Telekommunikationsanschlüsse von Ausländern im Ausland. Deren Anschlußnummern dürfen als sogenannte formale Suchbegriffe verwendet werden. Faktisch weitet sich der Personenbezug dadurch aus, daß es im Gegensatz zu früher heute technisch grundsätzlich möglich ist, die an einem Fernmeldekontakt beteiligten Anschlüsse zu identifizieren.
Soweit personenbezogene Daten bei der Überwachung erlangt werden, gilt das Nachteilsverbot nicht mehr. Vielmehr sind die Daten gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 G 10 zur Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung bestimmter Straftaten den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst, dem Zollkriminalamt, dem Bundesausfuhramt, den Staatsanwaltschaften und den Polizeibehörden vollständig zu übermitteln, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Katalog der Straftaten, die eine Verwendung personenbezogener Daten rechtfertigen, ist gegenüber der Ursprungsfassung erheblich erweitert worden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 G 10). Die Verwendung setzt aber weiterhin voraus, daß gegen die Person eine Beschränkung nach § 2 G 10 angeordnet ist oder tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand eine der aufgezählten Straftaten plant, begeht oder begangen hat.
Schließlich ist die Mitteilungspflicht nach § 3 Abs. 8 G 10 dadurch eingegrenzt, daß sie im Fall von § 3 G 10 entfällt, wenn die aus der Fernmeldeüberwachung stammenden personenbezogenen Daten vom Bundesnachrichtendienst binnen drei Monaten oder von den Empfangsbehörden binnen weiteren drei Monaten gelöscht worden sind (§ 3 Abs. 8 Satz 2 G 10).
Dem Grunde nach ergibt sich die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation aus § 1 Abs. 1 G 10. Er lautet in der Fassung des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3108):
Es sind
- die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für den Militärischen Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages,
- der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 des BND-Gesetzes auch zu den in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 bestimmten Zwecken
berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, in den Fällen der Nummer 1 auch die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.
§ 3 G 10 lautet in der hier maßgeblichen Fassung:
(1) Außer in den Fällen des § 2 dürfen auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes Beschränkungen nach § 1 für internationale nicht leitungsgebundene Telekommunikationsbeziehungen angeordnet werden, die der nach § 5 zuständige Bundesminister mit Zustimmung des Abgeordnetengremiums gemäß § 9 bestimmt. Sie sind nur zulässig zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr
- eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland,
- der Begehung internationaler terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland,
- der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie des unerlaubten Außenwirtschaftsverkehrs mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien im Sinne des Teils I der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) in Fällen von erheblicher Bedeutung,
- der unbefugten Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus dem Ausland in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,
- im Ausland begangener Geldfälschungen sowie
- der Geldwäsche im Zusammenhang mit den in den Nummern 3 bis 5 genannten Handlungen
rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. In den Fällen der Nummer 1 dürfen Beschränkungen nach Satz 1 auch für leitungsgebundene Telekommunikationsbeziehungen und für Postverkehrsbeziehungen angeordnet werden.
(2) Für Beschränkungen im Sinne des Absatzes 1 darf der Bundesnachrichtendienst nur Suchbegriffe verwenden, die zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet sind. Die Suchbegriffe dürfen keine Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Satz 2 gilt nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, daß Anschlüsse
- deutscher Staatsangehöriger oder
- von Gesellschaften mit dem Sitz im Ausland, wenn der überwiegende Teil ihres Vermögens oder ihres Kapitals sowie die tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft deutschen natürlichen oder juristischen Personen zusteht und die Mehrheit der Vertretungsberechtigten deutsche Staatsangehörige sind,
gezielt erfaßt werden. Die Suchbegriffe sind in der Anordnung zu benennen. Die Durchführung ist mit technischen Mitteln zu protokollieren; sie unterliegt der Kontrolle gemäß § 9 Abs. 2. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen.
(3) Bei der Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten dürfen nur zur Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten verwendet werden, die in § 2 dieses Gesetzes und in § 138 des Strafgesetzbuches bezeichnet sind, sowie von Straftaten nach den §§ 261 und 264 des Strafgesetzbuches, § 92 a des Ausländergesetzes, § 34 Abs. 1 bis 6 und 8 und § 35 des Außenwirtschaftsgesetzes, §§ 19 bis 21 und 22 a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 1, 4 oder § 30 a des Betäubungsmittelgesetzes, soweit gegen die Person eine Beschränkung nach § 2 angeordnet ist oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand eine der vorgenannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. § 12 des BND-Gesetzes bleibt unberührt.
(4) Der Bundesnachrichtendienst prüft, ob durch Maßnahmen nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten für die dort genannten Zwecke erforderlich sind.
(5) Die nach Absatz 1 erlangten Daten sind vollständig zu den in Absatz 3 bezeichneten Zwecken den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst, dem Zollkriminalamt, dem Bundesausfuhramt, den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien zu übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Die Entscheidung erfolgt durch einen Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat.
(6) Sind nach Absatz 1 erlangte Daten für die dort genannten Zwecke nicht oder nicht mehr erforderlich und sind die Daten nicht nach Absatz 5 anderen Behörden zu übermitteln, sind die auf diese Daten bezogenen Unterlagen unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu vernichten und, soweit die Daten in Dateien gespeichert sind, zu löschen. Die Vernichtung und die Löschung sind zu protokollieren. In Abständen von jeweils sechs Monaten ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Vernichtung oder Löschung vorliegen.
(7) Der Empfänger prüft, ob er die nach Absatz 5 übermittelten Daten für die in Absatz 3 bezeichneten Zwecke benötigt. Benötigt er die Daten nicht, hat er die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig.
(8) Betroffenen, deren Daten durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, ist die Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung und der Verwendung ausgeschlossen werden kann. Eine Mitteilung unterbleibt, wenn die Daten
- vom Bundesnachrichtendienst innerhalb von drei Monaten nach Erlangung oder
- von der Behörde, der sie nach Absatz 5 übermittelt worden sind, innerhalb von drei Monaten nach Empfang
vernichtet worden sind. Die Mitteilung obliegt dem Bundesnachrichtendienst, im Falle der Übermittlung nach Absatz 5 der Empfängerbehörde.
(9) Die Kommission kann dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Maßnahme nach § 9 Abs. 2 Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. Die Stellungnahme erfolgt ausschließlich gegenüber der Kommission.
(10) Das Gremium nach § 9 Abs. 1 erstattet dem Bundestag jährlich einen Bericht über die Durchführung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 9.
§ 7 Abs. 4 G 10 regelt die Vernichtung personenbezogener Daten, die durch Maßnahmen nach § 2 und § 3 G 10 erlangt worden sind, § 9 G 10 die Kontrolle der Maßnahmen und den Ausschluß des Rechtswegs. § 9 G 10 lautet:
(1) Der nach § 5 Abs. 1 für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen zuständige Bundesminister unterrichtet in Abständen von höchstens sechs Monaten ein Gremium, das aus neun vom Bundestag bestimmten Abgeordneten besteht, über die Durchführung dieses Gesetzes.
(2) Der zuständige Bundesminister unterrichtet monatlich eine Kommission über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzuge kann er den Vollzug der Beschränkungsmaßnahmen auch bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen. Die Kommission entscheidet von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Anordnungen, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat der zuständige Bundesminister unverzüglich aufzuheben.
(3) Der zuständige Bundesminister unterrichtet monatlich die Kommission über von ihm vorgenommene Mitteilungen an Betroffene (§ 5 Abs. 5) oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Hält die Kommission eine Mitteilung für geboten, hat der zuständige Bundesminister diese unverzüglich zu veranlassen.
(4) und (5) …
(6) Im übrigen ist gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 2 und 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und ihren Vollzug der Rechtsweg nicht zulässig.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat auf Antrag des Beschwerdeführers zu 1) am 5. Juli 1995 eine einstweilige Anordnung erlassen (BVerfGE 93, 181). Danach ist § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei der Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten nur dann verwendet werden dürfen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß jemand eine der in der Vorschrift genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 ist einstweilen mit der Maßgabe anzuwenden, daß die nach Absatz 1 erlangten Daten den in der Vorschrift genannten Behörden nur dann zu übermitteln sind, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß jemand eine der in § 3 Abs. 3 G 10 genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat.
4. Aufgrund des Gesetzes und der Maßgaben, die sich aus der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nimmt der Bundesnachrichtendienst seit dem 1. März 1996 Fernmeldeüberwachungen vor. Anordnungen nach dem G 10 sind zu den Bereichen Proliferation (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) mit Gültigkeit ab 1. März 1996, internationaler Terrorismus (Nr. 2) mit Gültigkeit ab 1. April 1996, internationaler Rüstungshandel und Rüstungsproduktion (Nr. 3) mit Gültigkeit ab 1. Mai 1996 und internationaler Drogenhandel (Nr. 4) mit Gültigkeit ab 1. September 1996 ergangen. Dabei wurden bis August 1998 in den Bereichen Proliferation und Rüstungshandel rund 5.200 Meldungen selektiert, die zur Auswertung gelangten. Siebzehn Meldungen wurden nach § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 übermittelt. Empfänger war in allen Fällen das Zollkriminalamt. In den Bereichen internationaler Terrorismus und internationaler Drogenhandel wurden 204 Meldungen ausgewertet. Übermittlungen an andere Behörden haben nicht stattgefunden. In diesen Zahlen sind auch Meldungen enthalten, die aus zugeliefertem Fernmeldeaufkommen ausländischer Nachrichtendienste stammten und vom Bundesnachrichtendienst im gesetzlichen Rahmen verwertet wurden. Wegen des geringen Ertrags sind die Anordnungen in den Gefahrenbereichen des Terrorismus und des Drogenhandels im Frühjahr 1998 nicht verlängert worden.
II.
1. Der Beschwerdeführer zu 1) wendet sich nach seinem Antrag gegen die Erweiterung der Eingriffsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 und gegen die Regelung der Mitteilungspflicht in § 3 Abs. 8 G 10. Nach seiner Begründung der Verfassungsbeschwerde umfaßt die Rüge auch § 3 Abs. 4 G 10, der die Prüfungs- und Auswertungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes (für eigene Aufgaben) betrifft, sowie § 3 Abs. 3, 5 und 7 G 10, der die Übermittlungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes sowie die Prüfungs- und Auswertungsbefugnisse und weitere Verwendungsmöglichkeiten der aufgrund der Eingriffsbefugnisse erlangten personenbezogenen Daten durch andere Behörden regelt.
Er bringt vor, als Teilnehmer am internationalen Fernmeldeverkehr werde er aller Wahrscheinlichkeit nach von der verdachtslosen Rasterfahndung nach § 3 Abs. 1 G 10 in seinem Grundrecht aus Art. 10 GG betroffen sein. Als Universitätslehrer habe er einen Arbeitsschwerpunkt im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts. Im Zusammenhang damit unterhalte er vielfältige private und dienstliche Kontakte – auch per Telefon und per Telefax – in das östliche und westliche Ausland. Den Leitungsweg könne er nicht beeinflussen. Da er als Unverdächtiger von Überwachungsmaßnahmen, die ihn beträfen, nach der gesetzlichen Regelung nichts erfahre, müsse die gesetzliche Regelung selbst angegriffen werden können.
Durch das angegriffene Gesetz würden seine Grundrechte aus Art. 10 und aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Jedesmal wenn er eine ausländische Rufnummer wähle und die Verbindung über Satellit oder Funk hergestellt werde, könne die Kommunikationsbeziehung ohne jeden Verdacht nach den in einer geheimen Anordnung enthaltenen Suchbegriffen inhaltlich durchforscht und bei vorkommenden Suchworten aufgezeichnet werden. Die sogenannte strategische Kontrolle möge zwar der allgemeinen Aufklärung bestimmter Gefahrenlagen durch Mosaiksteine dienen. Für die grundrechtliche Eingriffsqualität sei indes entscheidend, daß zu diesem Zweck eine Vielzahl individueller Kommunikationen überwacht würden. Der Sache nach handele es sich um eine nicht nur vom konkret täterbezogenen, sondern sogar vom tatbezogenen Gefahrenverdacht absehende Methode der Rasterfahndung.
Der Bundesnachrichtendienst verwandele sich, wie durch die Weitergabebefugnisse des § 3 Abs. 5 G 10 offengelegt werde, im Ergebnis in eine Gefahrenvorfeld-Ermittlungsbehörde mit polizeilichen und prozessualen Eingriffsbefugnissen in Grundrechte. Die Behauptung der amtlichen Gesetzesbegründung, es liege keine Erweiterung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes vor, sei falsch. Unrichtig sei auch die Annahme, bei der Aufklärung ließen sich allgemeine außenpolitische Gefahrenlagen einerseits und personenbezogene Tatgefahren andererseits trennen. Da die Gefahrenlage nicht eigentlich eine außenpolitische sei, sondern aus delinquenten Handlungen von Personen erwachse, bilde beides eine Einheit. Deshalb werde der Bundesnachrichtendienst entgegen seiner gesetzlichen Zuständigkeit und entgegen dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot zu einer auf die innere Sicherheit bezogenen eingreifenden Geheimpolizei-Ermittlungsbehörde.
Hinsichtlich des Umfangs der Überwachung müsse man entgegen der Ansicht der Bundesregierung davon ausgehen, daß in Anbetracht der zahlreichen Überwachungseinrichtungen für Funksignale von Satelliten, Funk und Richtfunk bei vollautomatischer Ausfilterung des aufgezeichneten Materials eine vollständige Überwachung aller erreichbaren internationalen Funk- und Fernmeldeverkehrsvorgänge möglich sei. Die Realisierung dieser Möglichkeit hänge allenfalls von der Beschaffung entsprechender technischer Einrichtungen und Geräte ab. Eine Eingrenzung der sogenannten strategischen Kontrolle auf räumlich oder anders definierte Gefahrenfelder im Sinn bestimmter Fernmeldebeziehungen sei nicht möglich.
Bei dem dreistufigen Vorgehen, das die Bundesregierung darlege – generelle Erfassung (vorläufige Aufzeichnung oder Pufferung), Wortbankabfrage und nähere Auswertung des ausgefilterten Materials – habe jede der drei Stufen für sich genommen die Qualität eines Grundrechtseingriffs. Die beiden ersten Eingriffsstufen, nämlich die Erfassung und Aufzeichnung der Fernmeldeverbindung sowie der Wortbankabgleich, träfen den Grundrechtsträger ohne jeden von ihm veranlaßten Gefahren- oder Tatverdacht. Auch ein sonstiger Tat- oder Gefahrenverdacht, der über die generelle Möglichkeit hinausgehe, daß sich Verursacher der gesetzlich bezeichneten Gefahren der Fernmeldetechnik bedienten, werde vom Gesetz nicht vorausgesetzt.
Die Eingriffsintensität erhöhe sich bei allen Fernmeldekommunikationen, die Suchwörter enthielten. Sie würden ausgewertet, das heißt nach ihrem Kommunikationsinhalt von Bediensteten der Behörde abgehört. Das Fernmeldegeheimnis werde dadurch vollständig geöffnet. Für einen computergestützten Wortbankabgleich, von dem das Gesetz ausgehe, fehlten bisher die technischen Voraussetzungen. Das Gesetz sei daher nicht verfassungsmäßig ausführbar. Auch die Auswertung sei nicht verdachtsgesteuert. Die durch Suchwortabgleich ermittelte Verwendung einer bestimmten Semantik könne für sich genommen keinen gefahr- oder tatbezogenen Anfangsverdacht begründen. Es liege vielmehr im Wesen der Rasterfahndungsmethode, daß sie eine Vielzahl unverdächtiger Grundrechtsträger miterfasse. Es handele sich um eine Gefahrenverdachtssuche.
Die angegriffenen Regelungen verletzten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Erweiterung der Überwachungsbefugnisse auf allgemeine Kriminalitätsgefahren werde mit der besonderen Bedrohungslage durch internationale organisierte Kriminalität begründet. Der Gesetzgeber habe die Gefahreneinschätzung jedoch nicht substantiiert. Die Gleichstellung mit der äußeren Angriffsgefahr sei auch nicht ansatzweise belegt. Dem Gesetzgeber komme zwar eine Einschätzungsprärogative zu. Hier habe er sich einer Einschätzung des Sachphänomens aber gänzlich enthalten.
Abgesehen davon sei auch die Eignung zum angegebenen Zweck der Ermittlung gefährlicher organisierter Kriminalität zweifelhaft. Der Erfolg der Überwachungsmaßnahmen werde durch den Einsatz von Verschlüsselungsverfahren in Frage gestellt. Auch die Erforderlichkeit sei nicht hinreichend belegt. Wegen des besonders hohen persönlichkeitsrechtlichen Rangs von Art. 10 GG müßten die Anforderungen an die Notwendigkeit des Eingriffs besonders hoch sein („Unerläßlichkeit”). Das Gesetz trage dem nicht Rechnung. Es setze schon keinen schweren Gefahren- oder Tatverdacht voraus. Zur Erforderlichkeit, gerade die geheimpolizeilichen Eingriffsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes auszuweiten, fehlten jegliche abwägenden Überlegungen im Vergleich zu rechtsstaatlichen Regelungsalternativen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verlange rechtsstaatliche Eingriffsprinzipien. In Betracht kämen die polizeirechtliche Störer- oder Anscheinsstörerverantwortung, die strafprozeßrechtliche Tatverdachtsverantwortung sowie die auf das Notwendige und relativ Geringfügige beschränkte Aufopferungspflicht von Nichtstörern oder Nichtverdächtigen für die Verfolgung eines Tat- oder Gefahrenverdachts. In diese Systematik ließen sich die bisherigen rechtsstaatlichen Eingriffsbefugnisse des klassischen Polizeirechts und Strafverfahrensrechts einordnen. Die Voraussetzung der Gefahr oder des Verdachts seien für grundrechtsbeschränkende Eingriffe elementar und unterschieden den Rechtsstaat fundamental von einem nach Gutdünken ermittelnden und dabei unverdächtige Bürger beeinträchtigenden totalitären Staat.
Zwar sähen jüngere polizeirechtliche Regelungen Eingriffsbefugnisse auch bei abstrakten Gefahren vor. Keine gehe aber so weit wie das angegriffene Gesetz. Mit der Erlaubnis zur Rasterfahndung verlasse es die klassisch-rechtsstaatlichen polizei- und strafverfahrensrechtlichen Eingriffsprinzipien, daß entweder eine polizeirechtliche Gefahr oder ein strafprozessualer Tatverdacht gegeben sein müsse. Außer gesetzlich bezeichneten „Gefahrenfeldern” würden Gefahren oder ein bestimmter Tatverdacht nicht vorausgesetzt. Eingriffe, die von einem faßbaren Tatverdacht völlig gelöst seien, hätten bisher stets als verfassungswidrig gegolten. Die betroffenen Grundrechtsträger seien nicht nur geringfügig betroffen. Vielmehr werde der Kerngehalt der gewährleisteten grundrechtlichen Freiheit kontinuierlich aufgehoben. Dies taste das Grundrecht in seinem Wesensgehalt an.
Das angegriffene Gesetz verletze ferner den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung, indem die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlich der Befugnis zur Anordnung der Überwachung und durch den weitestgehenden Ausschluß der Mitteilung an Betroffene der Justizkontrolle entzogen werde. Soweit es im praktischen Regelfall die Mitteilung an unverdächtige Betroffene ausschließe, verstoße es gegen Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die gegenständliche Erweiterung der strategischen Kontrolle auf allgemeine Kriminalitätsgefahren unterfalle nicht der Ausnahmenorm des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG. Die dort zugelassene Ausnahme vom rechtsstaatlichen Verfahren gelte nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Auslegung nur zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung eines Landes. Die Ausnahme vom Prinzip der judikativen Kontrolle exekutiver Akte sei vom Verfassungsgeber zugelassen worden, soweit dafür ein willkürfreier Sachgrund vorhanden, die ratio der Gewaltenteilung wechselseitiger Begrenzung und Kontrolle aber gewahrt sei. Im Hinblick auf die strategische Kontrolle außenpolitischer Angriffsgefahren sei es für vertretbar gehalten worden, der an sich gebotenen justizförmigen Verfahrensweise die Kontrolle durch ein sogenanntes politisches Gremium vorzuziehen. Dem Gesetzgeber stehe es nicht frei, diese auf weitere Gefahrenfälle, insbesondere allgemeine Kriminalitätsgefahren, auszudehnen.
Im übrigen habe der Bund nicht die Gesetzgebungskompetenz, den Bundesnachrichtendienst der Sache nach in eine innerstaatlich eingreifende Bundesgeheimpolizeibehörde zu verwandeln. Der Bundesnachrichtendienst werde in den Kompetenznormen des Grundgesetzes nicht erwähnt. Die Bundeskompetenz zu seiner Einrichtung werde in der Regel auf Art. 73 Nr. 1 GG gestützt. Dann müsse aber auch die darin liegende Beschränkung respektiert werden. Diese Bundeskompetenz gestatte deshalb nicht die Zuweisung innerstaatlicher materiell-polizeilicher oder kriminalpolizeilicher Eingriffsbefugnisse. Dies verletze das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst, soweit es hinsichtlich des Bundesnachrichtendienstes in den grundgesetzlichen Kompetenznormen Ausdruck gefunden habe.
2. Die Beschwerdeführerin zu 2a) und der Beschwerdeführer zu 2b) wenden sich zusätzlich gegen Maßnahmen der strategischen Kontrolle nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 sowie Satz 3 G 10, gegen die in § 3 Abs. 6 und Abs. 7 Satz 2 und 3, § 7 Abs. 4 G 10 vorgesehene Vernichtung erlangter Daten ohne Einwilligung der Betroffenen sowie gegen den Ausschluß des Rechtswegs in § 9 Abs. 6 G 10. Die Beschwerdeführer sehen sich durch die angegriffenen Vorschriften in ihren Grundrechten aus Art. 10, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG, die Beschwerdeführerin zu 2a) auch in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
Die Beschwerdeführerin zu 2a) trägt vor, sie sei freie Journalistin und für eine Vielzahl deutscher und ausländischer Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsender tätig. Sie recherchiere insbesondere in den Bereichen, auf die sich die Abhörtätigkeit des Bundesnachrichtendienstes richte. Es sei daher in hohem Maße wahrscheinlich, daß in ihrem Fernsprech- und Faxverkehr Worte vorkämen, die als Suchbegriffe verwendet würden und zu einer Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs führten. Der Beschwerdeführer zu 2b) ist uruguayischer Staatsbürger. Er bringt vor, in den Zeiten der dienstlichen Abwesenheit der Beschwerdeführerin zu 2a) deren Fernmeldeverkehr zu betreuen, und zwar sowohl von ihren Fernmeldeanschlüssen als auch von seinem eigenen Telefonanschluß aus. Art. 10 GG könne auch von Ausländern gegenüber Maßnahmen geltend gemacht werden, die die deutsche Staatsgewalt im Ausland treffe.
Die Verfassungsbeschwerde sei auch hinsichtlich der Rüge der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 und des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 G 10 zulässig und begründet. Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Juni 1984 (BVerfGE 67, 157) solche Überwachungsmaßnahmen für zulässig erklärt habe, bestünden nicht mehr. Der Warschauer Pakt sei aufgelöst. Die Überwachung werde trotzdem aufrechterhalten und beschränke sich nicht auf bestimmte Fernmeldeverkehrsbeziehungen. Der auf den Äther gerichtete „elektronische Staubsauger” des Bundesnachrichtendienstes lasse sich nicht in der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Weise regional und personal begrenzen. Das Aufnahmegerät registriere auch die genutzten Fernsprechanschlüsse und insoweit die Identität der betroffenen Personen. § 3 Abs. 2 Satz 3 G 10 gestatte es sogar ausdrücklich, daß bei Nichtvorliegen der dort genannten Voraussetzungen die Suchbegriffe Identifizierungsmerkmale enthielten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Fernmeldeanschlüsse führten. Der Fernmeldeanschluß des Beschwerdeführers zu 2b) könne darum auch gezielt überwacht werden.
Das Bundesverfassungsgericht habe die strategische Kontrolle nur unter der Bedingung als zulässig erachtet, daß sie nicht zu sachfremden Zwecken mißbraucht werde. Sachfremd sei danach die Einzelüberwachung von Personen oder die Überwachung zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig sei, um Gefahren für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Gerade derartige Zwecke würden aber nach der Neuregelung der strategischen Kontrolle im Verbrechensbekämpfungsgesetz verfolgt. Die Überwachung erfolge gezielt zur Erlangung von Erkenntnissen für die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10 genannten Verwendungszwecke.
Das Verbrechensbekämpfungsgesetz unterscheide zwar bei der Erhebung der Daten zwischen dem Zweck der strategischen Kontrolle und den Zwecken der inneren Sicherheit. Die Verwendung der Daten werde in § 3 Abs. 3 bis 7 G 10 jedoch einheitlich behandelt. Folgerichtig sei § 3 Abs. 2 G 10 a.F. aufgehoben worden, wonach die für Zwecke der strategischen Kontrolle erhobenen Daten grundsätzlich nicht zum Nachteil von Personen verwendet werden durften. Das Gesetz gehe nicht mehr von der Konzeption der monofunktionalen, sondern der multifunktionalen Erhebung und Verwendung aus. Dieses Konzept habe das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits für verfassungswidrig erklärt.
In bezug auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 und Abs. 3 bis 7 G 10 sei die Verfassungsbeschwerde ebenfalls begründet. Die Regelungen bewegten sich nicht nur im Vorfeld der Strafverfolgung, sondern auch im Vorfeld der Gefahrenabwehr. Für die vorbeugende und schon im Vorfeld beginnende Verhinderung der in § 3 Abs. 3 G 10 genannten Straftaten sei der Bundesgesetzgeber nicht regelungskompetent. Außerdem setzten Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis einen konkreten Anfangsverdacht einer Straftat oder Tatsachen für das Bestehen einer konkreten Gefahr voraus und seien nur als ultima ratio zulässig.
Verfassungswidrig sei des weiteren die Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 in Verbindung mit § 12 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG). Sie gestatte die Übermittlung an die dort genannten politischen Instanzen ohne irgendeine Begrenzung der Zwecke, zu denen diese die übermittelten Informationen erhalten und verwenden dürften. Sicher sei nur, daß diese Zwecke neben diejenigen des § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 träten. Aus dem BND-Gesetz lasse sich eine Begrenzung der Zwecke nicht entnehmen. Dies gelte sowohl für § 12 BNDG als auch für § 1 Abs. 2 BNDG. Dieser weise dem Bundesnachrichtendienst die Aufgabe zu, Erkenntnisse zu gewinnen und auszuwerten, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland seien. Eine solche Regelung entspreche nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Normenklarheit.
§ 3 Abs. 5 G 10 sei verfassungswidrig, weil das Grundgesetz es verbiete, den in Art. 73 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG genannten Verfassungsschutzämtern Polizeiaufgaben, das heißt Aufgaben der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr, zu übertragen.
§ 3 Abs. 6 und 7, § 7 Abs. 4 G 10 verletzten Art. 19 Abs. 4 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dies auch in seinem Wesensgehalt. Wenn eine Behörde Daten, die sie erlangt habe, nicht mehr benötige und vernichten wolle, habe sie diese dem Betroffenen zur Verfügung zu stellen und ihn spätestens in diesem Augenblick über die ihm gegenüber vorgenommenen Informationseingriffe zu informieren, damit er zumindest dann in die Lage versetzt werde, seine Rechte zu verteidigen und dafür gegebenenfalls auch die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen. Die Vernichtung von Daten sei darum erst dann zulässig, wenn der Betroffene in den darin liegenden Informationseingriff eingewilligt habe. Erfolge diese Einwilligung nicht, seien die Daten an den Betroffenen herauszugeben.
Aus den gleichen Gründen erweise sich auch das Unterlassen der Mitteilung nach § 3 Abs. 8 G 10 als verfassungswidrig. Jeder Zweifel der Behörden, ob die Mitteilung den Zweck der Beschränkungsmaßnahme oder der Verwendung der Daten gefährden würde, werde vom Gesetz honoriert. Dies beruhe auf einer fehlerhaften Abwägung der einander gegenüberstehenden Rechtsgüter. Hinter der Vorschrift des § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 stünden reine Praktikabilitätserwägungen, die die in der Unterlassung der Mitteilung liegende Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen könnten.
§ 9 Abs. 6 G 10 sei verfassungswidrig, weil er bei den Maßnahmen der strategischen Kontrolle den Rechtsweg ausschließe. Art. 19 Abs. 4 GG stehe nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, der eine solche Einschränkung des gesetzlichen Rechtsschutzes gestattete. Er kenne auch keine „immanenten Schranken” dieser Art. Die Regelung verletze ferner Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, weil sie gegen das Übermaßverbot verstoße. Es sei kein legitimer Zweck ersichtlich, der eine solche Beschränkung rechtfertigen könne.
3. Die Beschwerdeführer zu 3) wenden sich mit der Rüge einer Verletzung von Art. 10, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 2 und Art. 73 Nr. 1 und 10 GG gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 bis 6, Abs. 2 bis 8 G 10.
Die Beschwerdeführerin zu 3a) verlegt die „tageszeitung”. Sie trägt vor, sie unterhalte in zahlreichen Ländern Korrespondentenstellen oder arbeite mit freien Autoren oder anderen Verlegern in der ganzen Welt zusammen. Einige der Schwerpunkte ihrer Berichterstattung seien Artikel auf dem Gebiet der Korruption, des internationalen Terrorismus, des internationalen Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche, der organisierten Kriminalität, der nachrichtendienstlichen Aktivitäten, des Plutoniumschmuggels oder des Geldtransfers aus der Ersten in die Dritte Welt.
Der Beschwerdeführer zu 3b) ist Journalist, der in Deutschland und Italien lebt und dort auch jeweils einen Wohnsitz hat. Er führt aus, er recherchiere und publiziere unter anderem auf dem Gebiet des internationalen Terrorismus, des internationalen Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche, der organisierten Kriminalität sowie der nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Er verfüge über zahlreiche Kontakte im In- und Ausland zu Angehörigen von Kreisen, die als Betroffene von Abhörmaßnahmen in Betracht kämen.
Als Teilnehmer am internationalen Fernmeldeverkehr seien sie von den angegriffenen Regelungen unmittelbar betroffen. Die Beschwerdeführerin zu 3a) führt dazu aus, sie tausche mit dem Beschwerdeführer zu 3b) und anderen deutschen und ausländischen Korrespondenten, Journalisten und Verlagen außerhalb Deutschlands Rechercheergebnisse und Erkenntnisse aus, die Suchbegriffe und Suchbegriffskombinationen enthalten könnten, die zur Erfassung durch den Bundesnachrichtendienst führten. Der Beschwerdeführer zu 3b) führt aus, daß er überwiegend von Italien aus Recherchen durchführe und hauptsächlich für deutsche Verlage und Redaktionen arbeite. Da beide Beschwerdeführer von den Umsetzungsakten, also den Überwachungsanordnungen, dem Hineinhören in den Fernmeldeverkehr und den Aufzeichnungen, nichts erführen, müßten sie unmittelbar die gesetzliche Regelung angreifen.
Die angegriffenen Regelungen verletzten Art. 10, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 2 GG. Das Gesetz verstoße im übrigen gegen die Gesetzgebungskompetenzregelungen des Grundgesetzes, weil der Bund polizeiliche Inlandsaufgaben regele, für die ihm keinerlei Gesetzgebungskompetenz zustehe. Ergebnis der umfassenden verdachtslosen fernmeldetechnischen Überwachung sei, daß wirksame Recherchen auf den bezeichneten Feldern, soweit sie per Fernmeldeverkehr über die deutschen Landesgrenzen hinweg geführt werden müßten, nicht mehr möglich seien. Redaktionelle Vorhaben, die im Entstehungs- oder Vorbereitungsstadium Gegenstand fernmündlicher Erörterungen seien, könnten nicht ohne Kenntnis des Bundesnachrichtendienstes stattfinden, da eine solche Fernkommunikation die Suchbegriffe und Suchbegriffskombinationen berühre und damit die Überwachung auslöse. Folge der Überwachung werde weiter sein, daß Auskunftspersonen Auskünfte am Telefon verweigerten und terminliche Absprachen fernmündlich oder per Telefax nicht mehr träfen. Recherchen etwa zu Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes oder anderer Geheimdienste seien von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sich der Bundesnachrichtendienst darauf einstellen könne.
Im übrigen breche die Neuregelung des § 3 G 10 mit den bisher geltenden Prinzipien bei Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis. In Zukunft könnten völlig unverdächtige Personen in das Erfassungssystem der elektronischen Fernmeldeaufklärung geraten. Selbst wenn die erlangten Daten nicht an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben würden, dürfe der Bundesnachrichtendienst nach § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 in Verbindung mit § 12 BNDG den Chef des Bundeskanzleramtes und die Bundesminister im Rahmen ihrer Zuständigkeit über personenbezogene Daten unterrichten. Der Betroffene dagegen habe kein Recht auf Unterrichtung, wenn der Bundesnachrichtendienst oder die Empfangsbehörde die Daten innerhalb von drei Monaten nach Erlangung vernichtet habe.
Es sei davon auszugehen, daß ausschließlich der Bundesnachrichtendienst in der Lage sei, die adäquaten Suchbegriffe und die Kombination unterschiedlicher Suchbegriffe zu entwickeln. Damit besitze er eine faktische Definitionsmacht, die durch die G 10-Kommission kaum wirksam kontrolliert werde. Die neuen Gesetzesbestimmungen schlössen auch eine eigenständige Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten aus. Der Datenschutzbeauftragte könne nicht von sich aus, sondern lediglich im Auftrag der G 10-Kommission tätig werden und dürfe nur diese informieren (§ 3 Abs. 9 G 10).
Die Erweiterung der Kompetenzen auf die Gefahren des Terrorismus, der Verbreitung von Kriegswaffen, des Drogenhandels und der Geldwäsche lasse sich auch nicht unter den Begriff der „Sicherung des Bundes oder eines Landes” subsumieren. Deshalb hätten sowohl das Bundeskanzleramt als auch das Bundesinnenministerium zunächst eine Änderung von Art. 10 Abs. 2 GG für erforderlich gehalten. Der Rechtsausschuß des Bundestages sei allerdings zu dem Ergebnis gekommen, daß die Aufgabenbestimmung der „sicherheitspolitischen Bedeutung” in § 1 Abs. 2 BNDG auch eine elektronische Fernmeldeaufklärung im Ausland in den Bereichen Terrorismus, Waffen- und Drogenhandel sowie Geldwäsche decke. § 1 Abs. 2 BNDG sei aber nicht identisch mit dem Verfassungsbegriff der „Sicherung des Bundes oder eines Landes” in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG.
III.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben Stellung genommen: der Bundesminister des Innern namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, die Datenschutzbeauftragten der Länder Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein.
1. Der Bundesminister des Innern, der seiner Stellungnahme einen Bericht des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes beigefügt hat, hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
a) In tatsächlicher Hinsicht führt er aus, Kontrollmaßnahmen nach dem novellierten § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 fänden seit dem 1. März 1996 statt. Ihnen lägen Bestimmungen der Fernmeldeverkehrsbeziehungen zugrunde, die der strategischen Kontrolle unterzogen werden sollten. Sie legten fest, welche Staaten oder Krisenregionen Anfangs- oder Endpunkt der überwachten Fernmeldeverkehrsbeziehungen seien. Innerhalb dieses Rahmens würden die konkreten Beschränkungsanordnungen getroffen. Im wesentlichen enthielten sie die Suchbegriffe, anhand derer die erfaßten Fernmeldekontakte selektiert würden. Dabei werde alles getan, um die Betroffenheit von Unbeteiligten auf ein Minimum zu reduzieren.
Bestimmungen seien durch den Bundesminister des Innern getroffen worden hinsichtlich der Gefahren der Proliferation (Nr. 3) für Fernmeldeverkehrsbeziehungen zwischen Europa und den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas; des internationalen Terrorismus (Nr. 2) für dasselbe Gebiet; des Rauschgifthandels (Nr. 4) für Fernmeldeverkehrsbeziehungen zwischen Europa und Afrika, Südamerika, Mittelamerika sowie Asien. Auf der Basis dieser Bestimmungen seien befristete Anordnungen ergangen betreffend die Proliferation im engeren Sinn (sogenannte A-, B- und C-Waffen), zum konventionellen Rüstungs- und Waffenhandel, zum internationalen Terrorismus und zum Rauschgifthandel. Die Anordnungen hätten die geographisch oft weit gezogenen Bereiche der Bestimmungen auf wenige Staaten eingeengt.
Zur Anordnung gehöre die Liste der Suchbegriffe. Es würden formale Suchbegriffe (Anschlüsse von Ausländern oder ausländischen Firmen im Ausland, soweit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 G 10 erlaubt) und inhaltliche Suchbegriffe (beispielsweise Bezeichnungen aus der Waffentechnik oder Namen von Chemikalien, die zur Drogenherstellung benötigt würden) verwendet. Zur Gefahrenerkennung im Bereich der Proliferation würden etwa 2.000 Suchbegriffe eingesetzt, im Bereich des konventionellen Rüstungshandels knapp 1.000, im Bereich des Terrorismus rund 500 und im Bereich des Drogenhandels etwa 400. Wegen des geringen Ertrags im Bereich des Terrorismus und des Drogenhandels seien diese Anordnungen im Jahr 1998 nicht mehr verlängert worden.
Die Erfassung von Fernmeldekontakten sei sowohl rechtlich als auch technisch und kapazitätsmäßig beschränkt. Aus rechtlichen Gründen seien der innerdeutsche sowie der innerhalb ausländischer Staaten geführte Fernmeldeverkehr von der Beobachtung ausgenommen, ferner der leitungsgebundene internationale Verkehr. Technisch sei die Erfassung vor allem dadurch begrenzt, daß der Bundesnachrichtendienst bei dem über Satelliten geleiteten Fernmeldeverkehr nur die Abstrahlung nach Deutschland („Downlink”), nicht diejenige von Deutschland ins Ausland („Uplink”) erfassen könne. Über Richtfunk geleitete Fernmeldekontakte könnten nur erfaßt werden, wenn die Richtfunklinie in der Nähe einer der wenigen Erfassungsstellen liege. Eine gezielte Beobachtung bestimmter Kommunikationsvorgänge scheide aus, weil die Übertragungswege nicht vorherbestimmbar seien.
Die Kapazität des Bundesnachrichtendienstes erlaube die Erfassung von täglich etwa 15.000 Fernmeldevorgängen aus insgesamt etwa 8 Millionen täglichen Fernmeldekontakten zwischen Deutschland und dem Ausland. Die materiellen und personellen Ressourcen des Bundesnachrichtendienstes reichten aber nicht aus, das Aufkommen vollständig auszuwerten. In der Gesamtzahl der erfaßten Fernmeldevorgänge seien erfahrungsgemäß etwa 700 enthalten, die in den Anwendungsbereich des G 10 fielen. Nur diese würden mit Hilfe der Suchbegriffe selektiert. Etwa 70 von ihnen gelangten in die nähere Prüfung durch Mitarbeiter. Der Fachauswertung würden täglich nicht mehr als 15 Meldungen zugeführt. Von allen internationalen Fernmeldekontakten mit Anschlüssen in Deutschland gelangten weniger als 0,1 Promille in den maschinellen Selektionsprozeß und weniger als 0,01 Promille zur Kenntnis von Bearbeitern des Bundesnachrichtendienstes.
Die Auswertung anhand der Suchbegriffe sei nur im Telex-Bereich vollautomatisch möglich. Beim Telefax-Verkehr, der erst im Oktober 1997 in die strategische Kontrolle einbezogen worden sei, könnten nur die formalen Suchbegriffe maschinell erfaßt werden, während die inhaltliche Selektion durch Mitarbeiter erfolge. Im Telefonverkehr scheide eine automatische Selektion sowohl nach Anschlußnummern als auch nach Inhalten derzeit aus. Insbesondere seien die Spracherkennungsverfahren nicht so weit entwickelt, daß sie für Zwecke des Bundesnachrichtendienstes einsetzbar wären. Daher werde eine Spracherfassung derzeit nur in wenigen ausgewählten Fällen durchgeführt.
b) In rechtlicher Hinsicht trägt der Bundesminister vor:
aa) Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig. Die strategische Fernmeldeaufklärung sei keine „Überwachung” des Fernmeldeverkehrs der Beschwerdeführer. Die bloße Möglichkeit, daß ein Fernmeldeverkehr der Beschwerdeführer von der Aufklärung erfaßt und nicht sogleich als irrelevant wieder ausgeschieden werde, genüge nicht für die Annahme, daß die Beschwerdeführer mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihren Grundrechten beeinträchtigt würden. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2420/95 sei überdies unzulässig, weil die Beschwerdeführer im Ausland lebten und der Beschwerdeführer zu 2b) auch nicht deutscher Staatsangehöriger sei, so daß der für den Grundrechtsschutz erforderliche territoriale Bezug des möglichen Eingriffs fehle. Maßnahmen der Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, die Fernmeldeverkehr von Ausländern im Ausland erfaßten, richteten sich nicht gegen Personen, die von Art. 10 GG geschützt seien.
Das Fernmeldegeheimnis schütze zwar seinem personellen Geltungsbereich nach Deutsche und Ausländer. Damit sei aber noch nicht entschieden, welchen sachlichen Schutzumfang das Grundrecht habe und ob sein Schutz auch Handlungen und Wirkungen der deutschen Staatsgewalt erreiche, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Grundgesetzes und der Gebietshoheit Deutschlands stattfänden oder einträten. Auch wenn der Grundrechtsschutz gegen die deutsche Staatsgewalt sich nicht ausschließlich auf das deutsche Territorium beschränke, müsse der Sachverhalt, der als Grundrechtseingriff zu qualifizieren sei, eine die Schutzbedürftigkeit begründende Gebietsbezogenheit aufweisen. Die Auffassung, wonach die deutsche Staatsgewalt überall und unterschiedslos an die Grundrechte gebunden sei, könne keine allgemeine Anerkennung beanspruchen.
Aus den allgemeinen Grundsätzen über die Grundrechtsgeltung im Ausland lasse sich der Schluß ziehen, daß die Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes gemäß § 3 G 10 nicht unter die Bindung des Art. 10 GG falle, soweit sie Fernmeldeverkehre im Ausland erfasse. Die Geltung des Grundgesetzes sei räumlich auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt. Die Grundrechte bänden ungeachtet dessen die deutsche Staatsgewalt auch insoweit, als diese kraft Völkerrechts oder aufgrund besonderer Zulassung durch den Gebietsstaat im Ausland wirksam werde und der Eingriff auf der Gebietshoheit oder der Personalhoheit Deutschlands beruhe. Auswirkungen der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, die sich weder auf die Gebietshoheit noch auf die Personalhoheit zurückführen ließen, könnten dagegen nicht unter Berufung auf Grundrechte des Grundgesetzes abgewehrt werden.
Die Rüge einer Grundrechtsverletzung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 6 G 10 in der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2420/95 sei verspätet.
bb) Jedenfalls seien die Verfassungsbeschwerden unbegründet.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folge aus Art. 73 Nr. 1 GG. Die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten umschließe die Kompetenz zur Errichtung eines Nachrichtendienstes, soweit dieser im Ausland oder in Richtung Ausland tätig werde. Der Auslandsbezug sei im Verbrechensbekämpfungsgesetz gewahrt. § 1 Abs. 1 Nr. 2 G 10 beschränke die Befugnisse zur Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 ausdrücklich auf die Aufgabenstruktur des Bundesnachrichtendienstes gemäß § 1 Abs. 2 BNDG. Dementsprechend beziehe sich die Befugnis zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs in § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 auf internationale Fernmeldeverkehrsbeziehungen. Ebenso wiesen die neuen Anordnungsgründe in § 3 Abs. 1 G 10 über den internationalen Charakter der Gefährdungstatbestände in Nr. 2, 3 und 6 und über die vom Ausland aus oder im Ausland erfolgenden Angriffshandlungen gemäß Nr. 4 und 5 den notwendigen sachlichen Zusammenhang zum Kompetenztitel des Art. 73 Nr. 1 GG auf.
Die Regelungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes räumten dem Bundesnachrichtendienst keine Kompetenzen ein, die von Verfassungs wegen nur Polizeibehörden vorbehalten wären. Dabei könne dahinstehen, ob das Grundgesetz ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot zwischen Polizei und (Inlands-) Nachrichtendiensten enthalte. Jedenfalls seien die von den Befürwortern eines verfassungsrechtlichen Trennungsgebots aufgestellten Grundsätze nicht verletzt. Eine organisatorisch-institutionelle Verbindung zwischen dem Bundesnachrichtendienst und Polizeistellen werde nicht hergestellt. Polizeiliche Eingriffsbefugnisse habe der Bundesnachrichtendienst nicht erhalten. Die Befugnisse beschränkten sich auch im Rahmen der Überwachungszwecke nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 auf die „Auslandsaufklärung” mit nachrichtendienstlicher Zielrichtung.
Das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten werde auch durch die Verpflichtung zur Weitergabe der nach § 3 Abs. 1 G 10 erlangten Daten gemäß § 3 Abs. 5 G 10 nicht unterlaufen. Aus dem Gebot lasse sich kein generelles Verbot der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Austauschs von Informationen ableiten. Sinn und Zweck des Trennungsgebots bestünden darin, die Zusammenführung des Wissens der Nachrichtendienste, das weit über das zur polizeilichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Erforderliche hinausreiche, mit den Befugnissen der Polizei zu verhindern. Die daraus folgenden Schranken seien bei der Neuregelung der Datenübermittlung in § 3 Abs. 3 bis 5 G 10 sorgfältig beachtet worden.
Die Übermittlung vollziehe sich im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeiten des Bundesnachrichtendienstes und setze einen Verdacht voraus, der dem Anfangsverdacht im Sinn von § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO und dem nach den Polizeigesetzen der Länder für den verdeckten Einsatz technischer Mittel erforderlichen Verdacht hinsichtlich des erforderlichen Verdachtsgrads vergleichbar sei und über diesen Verdacht insofern hinausgehe, als er sich auf bestimmte Straftaten beziehen müsse. Dagegen verlange das Trennungsgebot nicht, daß der Bundesnachrichtendienst Daten nur in den Fällen an eine Strafverfolgungsbehörde übermitteln dürfe, in denen die für eine Anordnung nach § 100 a StPO erforderlichen Voraussetzungen vorlägen. § 100 a StPO habe nämlich eine grundsätzlich andere Funktion als das Trennungsgebot. Er regele die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis zum Zweck der strafprozessualen Beweisermittlung erfolgen dürfe. Beim Trennungsgebot gehe es dagegen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die bei einem bereits erfolgten (zulässigen) Eingriff in das Fernmeldegeheimnis erlangten Erkenntnisse zu strafprozessualen oder präventiven Zwecken verwendet werden dürften.
Geändert hätten sich infolge der Erweiterung der Anordnungsgründe durch § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 nur der Umfang des gewonnenen Datenmaterials sowie partiell auch die eine Übermittlung legitimierenden Straftatbestände in § 3 Abs. 3 G 10. Letztere korrespondierten zum Teil sachlich mit den erweiterten Anordnungsgründen; soweit ein solcher Bezug nicht gegeben sei, habe das auch schon für § 3 Abs. 2 Satz 2 G 10 a.F. zugetroffen. Die gesetzliche Systematik des G 10 bleibe daher erhalten. Die Übermittlungsbefugnisse in § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 G 10 folgten aus den in § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 geregelten Anordnungsgründen. Insofern habe sich gegenüber dem alten Recht nichts geändert.
Prüfungsmaßstab für die angegriffenen Regelungen sei das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG, das auch Schutz gegen die Verwendung und Übermittlung der Daten gewähre, die durch einen Eingriff in das Grundrecht erlangt worden seien. Die Pressefreiheit sei dagegen nicht einschlägig. Das G 10 schränke sie weder selbst ein noch ermächtige es zu solchen Einschränkungen. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, aber doch fernliegend, daß ein dem Pressebereich zuzuordnender Fernmeldeverkehr mit Hilfe der Suchbegriffe erfaßt werde. Soweit dies ausnahmsweise vorkomme, sei eine Verwendung oder Übermittlung derartiger Daten nur nach Maßgabe der engen Befugnisse des § 3 Abs. 3 und 5 G 10 erlaubt. Bei der Anwendung des Gesetzes in dieser Hinsicht sei der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung zu tragen.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 G 10, der im Verfahren 1 BvR 2420/95 angegriffen werde, verstoße nicht gegen Art. 10 GG. Die Verfassungsbeschwerde verkenne das fortdauernde Gewicht der Staatsaufgabe der Verteidigung. Sie versuche, ohne dafür irgendeine zuverlässige Prognose bieten zu können, das Bestehen und selbst die Möglichkeit einer verteidigungspolitischen Gefahrenlage in Abrede zu stellen. Sinn und Notwendigkeit der Befugnis strategischer Kontrolle bestünden fort, auch wenn die Gefahrenlagen sich geändert hätten.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 und § 3 Abs. 8 G 10 verletzten die Beschwerdeführer ebenfalls nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 10 GG. Der Gesetzgeber habe mit den angegriffenen Bestimmungen in verfassungsmäßiger Weise von dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG Gebrauch gemacht.
Das Verbrechensbekämpfungsgesetz habe, ohne die Stellung und die Zielsetzung des Bundesnachrichtendienstes zu verändern, die Zwecke, denen die Kontrolle durch den Bundesnachrichtendienst diene, sowie die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes erweitert. Soweit die neuen Eingriffszwecke über die bisherige strategische Kontrolle hinausgingen, handele es sich ebenfalls um Bedrohungsfelder für die Bundesrepublik Deutschland. In zunehmendem Maße sei eine Gefährdung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Staates durch den internationalen Terrorismus, den illegalen Handel mit Kriegswaffen, den Rauschgiftschmuggel nach Deutschland und die internationalen Geldwäsche- und Geldfälschungsaktivitäten feststellbar.
Damit einer mit Hilfe deutscher Firmen stattfindenden Aufrüstung im Ausland frühzeitig entgegengewirkt werden könne, seien seit 1990 die Rechtsnormen im Bereich des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes drastisch verschärft und die Kontrollverfahren ausgeweitet worden. Die zusätzliche Fernmeldeaufklärungsbefugnis des Bundesnachrichtendienstes sei erforderlich, damit die gesetzlichen Überwachungsaufgaben im Bereich der Proliferation erfüllt, insbesondere die zuständigen deutschen Behörden mit den anfallenden einschlägigen Erkenntnissen versorgt werden könnten.
Im Bereich der Proliferation habe der Bundesnachrichtendienst auch vor Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes eine Fernmeldeaufklärung betrieben, freilich unter Ausschluß von Fernmeldeverkehr, an dem durch Art. 10 GG geschützte Teilnehmer beteiligt gewesen seien. Es liege im elementaren außen- und bündnispolitischen Interesse der Bundesrepublik, daß die Bundesregierung die Aufklärung über Proliferationsvorgänge selbst betreiben könne. Andernfalls wäre sie dem Vorwurf ausgesetzt, sie verschließe vor solchen Vorgängen bewußt die Augen, etwa um deutschen Unternehmen einträgliche Exportgeschäfte zu ermöglichen.
Die erweiterte strategische Kontrolle sei sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren einzelnen Verfahrensabschnitten geeignet und erforderlich, den Zweck, eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland zu erkennen und ihr zu begegnen, zu erreichen. Sie sei auch verhältnismäßig.
Die Wahrscheinlichkeit von einer Beschränkung betroffen zu werden, sei wegen der Anforderungen an die Suchbegriffe und wegen ihrer Auswahl und Gestaltung begrenzt. Soweit der Fernmeldeverkehr vor dem Wortbankabgleich vorübergehend festgehalten werde oder soweit der Abgleich mit den Suchbegriffen nicht maschinell erfolgen könne, sei die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung gering. Auf der anderen Seite diene die erweiterte strategische Überwachung dazu, Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland abzuwehren, die einen internationalen Bezug hätten. Die neuen Überwachungsziele glichen den mit der herkömmlichen strategischen Kontrolle verfolgten. Zwar sei die erweiterte strategische Kontrolle stärker als bisher auf die Bekämpfung von Verbrechen ausgerichtet. Dies gelte jedoch nur insoweit, als es sich um solche Gefahren für die innere Sicherheit handele, die zumindest auch von außen auf die Bundesrepublik Deutschland zukämen.
Die Art und Weise, wie der Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 G 10 den Katalog derjenigen Straftaten erweitert habe, zu deren Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung personenbezogene Daten verwertet werden dürften, halte sich ebenfalls im Rahmen des Zumutbaren. § 3 Abs. 3 G 10 solle sicherstellen, daß auch Erkenntnisse aus den neu hinzugekommenen Beobachtungsfeldern für die in § 3 Abs. 3 G 10 genannten Zwecke verwendet werden könnten. Eine eigenständige Erweiterung habe die Norm lediglich insoweit erfahren, als § 264 StGB und § 92 a des Ausländergesetzes in den Katalog einbezogen worden seien. Systematisch verhalte sich § 3 Abs. 1 G 10 zu § 3 Abs. 3 G 10 genauso wie vordem § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 a.F. zu § 3 Abs. 2 G 10 a.F.
Die Befugnisse, personenbezogene Daten zur Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung bestimmter enumerierter Straftaten zu verwenden und gegebenenfalls an die zuständigen Stellen zu übermitteln, seien an die Voraussetzung tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht geknüpft, daß jemand eine der aufgezählten Straftaten plane, begehe oder begangen habe. Das erkläre sich daraus, daß der Bundesnachrichtendienst keine Polizeibehörde sei, die gegen konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einschreiten dürfe. Er sei auch keine Strafverfolgungsbehörde, die handlungsbefugt sei, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründeten, daß eine Straftat vorliege. Die Auswertung und sonstige Verwendung der personenbezogenen Daten könne dem Bundesnachrichtendienst deshalb nicht nur unter der engen Voraussetzung offen stehen, daß bestimmte Tatsachen den Verdacht einer der aufgezählten Straftaten begründeten.
Für die weitere Verwendung und Übermittlung personenbezogener Daten sei § 100 a StPO kein geeigneter Maßstab. Diese Bestimmung diene allein der repressiven Bekämpfung von Verbrechen. Mit der erweiterten strategischen Kontrolle solle dagegen eine Früherkennung von Gefahren erreicht werden. Dieser präventive Aspekt werde in § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 aufgegriffen, denn die Vorschrift ziele primär auf Straftaten, die sich erst im Stadium der Planung oder der aktuellen Begehung befänden. Die primär präventive Funktion einer weiteren Verwendung und Übermittlung erlangter personenbezogener Daten zeige sich auch am Kreis der zum Datenempfang befugten Stellen. Die Verfassungsschutzbehörden, das Amt für den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt, das Bundesausfuhramt und die Polizei sollten personenbezogene Daten primär zur Verhinderung und Bekämpfung drohender Straftaten erhalten.
Auch wenn nur tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer bevorstehenden oder noch andauernden Straftat vorlägen, müsse eine sofortige Übermittlung an die Polizei zulässig sein, weil so früh wie möglich alles getan werden müsse, um die Straftat noch zu verhindern. Andernfalls dürfte es nicht selten für die Verhinderung der Straftat zu spät sein. Das sei jedoch angesichts der Notwendigkeit des Schutzes hochrangiger Rechtsgüter und Sicherheitsinteressen auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht hinnehmbar.
Da der Bundesnachrichtendienst bei Übermittlung an den Maßstab der einstweiligen Anordnung gebunden sei, gebe es keine Zahlen, wie viele Übermittlungen hätten erfolgen können, falls bereits tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat genügten. Die Möglichkeiten seien auf der Grundlage niedrigerer Schwellen aber erweitert. Da es für die nachrichtendienstliche Tätigkeit typisch sei, daß nur Teilaspekte eines Geschehens erfaßt würden, sei in § 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG), § 9 Abs. 3 BNDG und § 11 Abs. 2 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst ganz bewußt der Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte” als Übermittlungsschwelle gewählt worden. Die Frage sei immer, wie viele Teile eines Geschehens erfaßt sein müßten, damit die Vorfeldaufklärung abgeschlossen und die polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlung aufgenommen werden könne.
Auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte würde der Bundesnachrichtendienst seine Erkenntnisse früher übermitteln als unter der Voraussetzung eines durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdachts. So verstoße etwa die Lieferung von „dual-use-Gütern” nur dann gegen das Außenwirtschaftsgesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz, wenn die Genehmigungserfordernisse dieser Gesetze mißachtet worden seien. Erst das Zollkriminalamt oder das Bundesausfuhramt könnten in einem solchen Fall durch Abgleich mit den erteilten Genehmigungen feststellen, ob ein Gesetzesverstoß vorliege. Nur daraus ergäben sich dann „bestimmte Tatsachen” für den Verdacht, daß der Lieferant eine der in § 3 Abs. 3 G 10 genannten Straftaten plane, begehe oder begangen habe.
Die Orientierung an § 100 a StPO erscheine auch deswegen problematisch, weil sie dem Bundesnachrichtendienst Prüfungskriterien zuweise, die der richterlichen, jedenfalls aber staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit vorbehalten seien. Nähme die Prüfungstätigkeit des Bundesnachrichtendienstes solche Züge an, würde dies gerade den Bestrebungen zuwiderlaufen, dem Bundesnachrichtendienst typisch polizeiliche, erst recht aber typisch staatsanwaltschaftliche oder richterliche Eingriffsbefugnisse zu verwehren. Der Gesetzgeber habe sich bei der Formulierung des § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 am Vorbild des § 2 Abs. 1 G 10, des § 10 Abs. 1 BVerfSchG und des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Stasi-Unterlagengesetz orientiert.
Die Regelung der Mitteilungspflichten in § 3 Abs. 8 G 10 verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
Da die Rechtsweggarantie das zentrale Mittel des Bürgers zum Schutz seiner Rechte darstelle, zugleich aber die Möglichkeit einer Anrufung der Gerichte von der Kenntnis einer Rechtsverletzung abhänge, könne Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG fordern, daß der Staat Eingriffe, die im Verborgenen stattfänden, dem Betroffenen bekanntgebe. Diese Pflicht gelte aber nicht uneingeschränkt. Sie werde bereits durch die Verfassung in Art. 19 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich eingeschränkt. Die verfassungsgerichtlichen Vorgaben für eine nachträgliche Benachrichtigung würden durch § 3 Abs. 8 G 10 erfüllt.
Selbst wenn man berücksichtige, daß die Zwecke, denen die strategische Kontrolle dienen dürfe, erweitert worden seien und als Folge davon die Abwehr und Verfolgung bestimmter Straftaten und damit auch die Erfassung personenbezogener Daten stärker einbezogen worden sei, liege kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor. Die von § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 G 10 geschützten Rechtsgüter hätten ein solches Gewicht, daß in den Fällen des § 3 Abs. 8 Satz 1 G 10 der Rechtsschutz des Bürgers jedenfalls vorübergehend zurücktreten müsse. § 3 Abs. 8 Satz 1 G 10 schränke die faktische Möglichkeit der Betroffenen, Rechtsschutz zu erlangen, auch nur so weit ein, wie es zur Erreichung des Gesetzeszwecks erforderlich sei. Dabei finde in der Zwischenzeit, in der die Benachrichtigung ausgeschlossen sei, eine Kontrolle durch die in § 9 G 10 vorgesehene unabhängige Kommission statt.
Auch § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 stehe in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG, da der Eingriff in Art. 10 GG zu keinerlei Konsequenzen für den Betroffenen führe und nur von geringer Eingriffsintensität sei. Sie sei das sachgerechte Ergebnis der Abwägung des Gesetzgebers, der das Schutzinteresse des Einzelnen mit der Sicherstellung des Zwecks der Beschränkung und der Verwendung erlangter Informationen und mit Aufgabe und Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes auszugleichen habe. Allein der Umstand, daß personenbezogene Daten zur Kenntnis einer öffentlichen Stelle gelangt seien, löse die persönlichkeitsrechtliche oder aus der Rechtsschutzgarantie abzuleitende Mitteilungspflicht gegenüber dem Betroffenen nicht aus. Die Informationspflichten der öffentlichen Gewalt dürften nicht so weit gehen, daß die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben unmöglich würde.
Die im Gesetz vorgesehene Dauer der Löschungsfristen orientiere sich zum einen am Interesse des Betroffenen, daß seine personenbezogenen Daten nur möglichst kurz gespeichert werden, zum anderen an der Notwendigkeit der Bekämpfung der in Rede stehenden gravierenden Gefahren durch eine umfassende Sachverhaltsaufklärung. Wegen der erheblichen Menge des täglich aufgefangenen Fernmeldeverkehrs und der Notwendigkeit einer sorgfältigen Auswahl sei es erforderlich gewesen, dem Bundesnachrichtendienst eine Frist von mindestens drei Monaten zur Feststellung der Relevanz der Daten einzuräumen. Ähnliches gelte für die Behörden, die vom Bundesnachrichtendienst Erkenntnisse und Sachverhalte aus der Fernmeldeaufklärung zur weiteren Bearbeitung erhielten. Auch sie müßten die Daten auf ihre Relevanz prüfen und hierfür notwendige Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen. Das sei unterhalb des im Gesetz genannten Zeitrahmens nicht möglich.
In den Fällen, in denen keine Mitteilung nach § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 erfolge, sei weder das Rechtsstaatsprinzip noch der Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 20 Abs. 2 GG verletzt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung lasse ausnahmsweise Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Exekutive nicht durch Gerichte, sondern durch vom Parlament bestellte oder gebildete, unabhängige Institutionen innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive zu.
2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Die Neuregelung sei sowohl aus Gründen der außenpolitischen Glaubwürdigkeit als auch der inneren Sicherheit der Bundesrepublik dringend erforderlich gewesen. Eine Anhebung der Übermittlungs- und Verwertungsschwelle auf den strafprozessualen Begriff des hinreichenden Tatverdachts komme nicht in Betracht. Alle Gesetze der Nachrichtendienste gingen davon aus, daß eine Übermittlung von Informationen an eine andere Sicherheitsbehörde oder auch an eine Strafverfolgungsbehörde zulässig sei, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht” vorlägen, daß jemand eine bestimmte Straftat plane, begehe oder begangen habe. In vielen Fällen sei nicht einmal dies Voraussetzung für eine Informationsübermittlung. Die Übermittlungsregelungen beruhten auf dem Gedanken, daß es gerade Aufgabe der Nachrichtendienste sei, im Vorfeld strafbaren Handelns Informationen zu sammeln, damit diese den Exekutivbehörden zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung übermittelt werden könnten. Wenn bereits die Übermittlung an die Voraussetzungen für eine strafverfolgende Ermittlungstätigkeit geknüpft würde, werde der Nachrichtendienst zum Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft und damit letztlich selbst zur Strafverfolgungsbehörde. Die rechtliche Hürde der Übermittlung müsse niedriger sein als die Einschreitschwelle der Staatsanwaltschaft.
3. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist der Auffassung, daß die strategische Kontrolle, da sie nicht zur Identifizierung bestimmter Personen oder Anschlüsse diene, auch unter den veränderten Bedingungen mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Sie müsse allerdings verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß die bei Durchführung der Maßnahmen erlangten personenbezogenen Daten nicht für Zwecke nach § 3 Abs. 3 G 10 verwendet würden, wie es § 3 Abs. 2 Satz 1 G 10 a.F. als Grundsatz aufgestellt hatte. Die Regelung sei dann grundsätzlich verfassungsmäßig, weil insoweit Verfahrensvorkehrungen zur Mißbrauchsverhütung vorgeschrieben seien.
Soweit die Beschwerdeführer sich gegen § 3 Abs. 2 Satz 3 G 10 wendeten, habe auch er erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Art. 10 GG sei ein Menschenrecht. Die im Ausland erhobenen Daten würden im Inland verarbeitet.
Die Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 in Verbindung mit § 12 BNDG sei mangels hinreichender Zweckbestimmung der Verwendung der Daten verfassungsrechtlich problematisch. Es erscheine widersprüchlich, wenn personenbezogene Daten einerseits nach § 3 Abs. 4 und 6 G 10 auf ihre Erforderlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu vernichten oder zu löschen seien, andererseits aber im Rahmen der Berichtspflicht nach § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 in Verbindung mit § 12 BNDG an die Bundesregierung übermittelt werden sollten. Es bestehe die Gefahr, daß die Berichtspflicht in der Praxis Vorrang vor einer eventuell gebotenen Datenlöschung erhalte.
Die Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses durch die Befugnisse nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 begegne unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips Bedenken.
Zwar stellten die dem Bundesnachrichtendienst eingeräumten Befugnisse, wie sich aus dem Gesetzgebungsverfahren und den dazugehörigen Materialien ergebe, keine Erweiterung seiner Aufgaben dar. Vielmehr würden ihm die Befugnisse nur insoweit eingeräumt, als er überhaupt Aufklärungsaufgaben zu den jeweiligen Sachverhalten besitze. Die verdachtsunabhängige Überwachung nach § 3 Abs. 1 G 10 müsse aber auf die Sammlung sachbezogener Informationen zielen und dürfe insbesondere nicht eine Umgehung der Eingriffsschwelle verdachtsabhängiger Individualkontrollen bewirken. Eine nachrichtendienstliche Vorfelderkundung für polizeiliche Aufgaben widerspreche auch dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot.
Die quantitative Dimension der zugelassenen Eingriffe lasse die Rechtfertigung durch überwiegende Interessen des Gemeinwohls fraglich erscheinen. Hinzu komme, daß der tatsächliche Umfang angeordneter Grundrechtseingriffe normativ weitgehend offen bleibe und im wesentlichen nur einem faktischen Kapazitätsvorbehalt durch die sachlichen und personellen Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes unterliege.
Für die Gewichtung der Interessen der Betroffenen sei zwar davon auszugehen, daß die Kommunikationsteilnehmer identifiziert werden könnten. Die zusätzlichen Erhebungsbefugnisse zielten aber nicht auf die Durchführung personenbezogener Folgeeingriffe im Sinn einer konkreten Gefahrenabwehr, sondern auf eine sachbezogene Lageanalyse zur Erstellung einer außenpolitischen Gegenstrategie. Die dazu erforderliche Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses habe das Bundesverfassungsgericht bereits zutreffend als „relativ geringfügige Belastung des Einzelnen und damit als einen Grundrechtseingriff von geringer Intensität” bezeichnet. Das Wissen um eine solche in der Zielsetzung anonyme Verwendung werde kaum Verunsicherungseffekte bei der Grundrechtsausübung haben.
Für das dagegen abzuwägende Allgemeininteresse sei wiederum von Bedeutung, daß die Befugnisse dem Bundesnachrichtendienst nur im Rahmen seiner Aufgaben zukämen und danach die Gefährdung einzelner Rechtsgüter der inneren Sicherheit nicht genüge, sondern der Vorgang eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland als Ganzes darstellen müsse. Die Anhaltspunkte, die die Prognose einer staatsbedrohenden Gefahr rechtfertigten, müßten in der Antragsbegründung substantiiert dargelegt werden und unterlägen der Nachprüfung des zuständigen Bundesministers, des Abgeordnetengremiums und der Kommission gemäß § 9 G 10.
§ 3 Abs. 4 G 10 sei mit der Maßgabe, daß er nicht zur gezielten Auswertung für die in § 3 Abs. 3 G 10 zugelassenen Sekundärnutzungszwecke berechtige, verfassungsmäßig.
§ 3 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 G 10 verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, soweit die Befugnis zur Zweckänderung in § 3 Abs. 3 G 10 im Ergebnis bewirke, daß die verdachtsunabhängigen Ausforschungsermittlungen mittelbar durch eine gezielte Sammlung von „Zufallserkenntnissen” die nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu fordernden verdachtsbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen einer Individualkontrolle umgingen. Die gesetzliche Regelung, nach der bereits „tatsächliche Anhaltspunkte”, also Vorfelderkenntnisse unterhalb eines strafrechtlichen Anfangsverdachts, ausreichten, erlaube bei sämtlichen Erkenntnissen, die auch nur entfernt auf die bezeichneten Tatbestände hindeuteten, eine Zweckänderung und ermögliche somit eine unzulässige Sammlung von Anhaltspunkten für Individualverfahren.
Im Unterschied zur ursprünglichen Regelung der strategischen Kontrolle ziele jetzt bereits die Erhebung auf die Gewinnung von Erkenntnissen, die ebenso für die Sekundärzwecke von Interesse seien. Bei einem solchen von vornherein doppelrelevanten Erhebungseingriff führe eine Zweckänderungsbefugnis, die die Sekundärnutzung jedweder relevanter Erkenntnis zulasse, im Ergebnis dazu, daß eine verdachtsunabhängige Ausforschung faktisch auch für den Sekundärzweck erfolge. Sei der Umfang der vom doppelrelevanten Eingriff Betroffenen in bezug auf die Sekundärnutzung zu weit, müsse die rechtliche Schnittstelle der Zweckänderungsregelung kompensatorisch eine Filterfunktion leisten. Eine Sekundärnutzung könne insoweit allenfalls bei einer über den Anfangsverdacht deutlich hinausreichenden Verdachtsverdichtung zulässig sein, nach der hinreichend gesichert sei, daß nicht unverhältnismäßig viele tatsächlich Unbeteiligte zur Zielperson sicherheitsbehördlicher Maßnahmen würden.
Da bei der Weiterleitung von Vorfelderkenntnissen aus doppelrelevanten Ausforschungserhebungen eine faktische Aushöhlung der dann nur noch formalen Trennung zwischen Bundesnachrichtendienst und „Polizeibehörden” bewirkt werde, verstoße § 3 Abs. 5 G 10 insoweit auch gegen das Trennungsgebot. Eine verfassungsmäßige Zusammenarbeit setze einen Filter durch eine angehobene Verdachtsschwelle voraus, die bei den Empfängern, die aufgrund ihrer polizeilichen Befugnisse aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zu Vorfeldermittlungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln befugt seien, noch höher sei als bei der Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit den anderen Nachrichtendiensten.
Sowohl aufgrund des besonderen Schutzbedarfs als auch aufgrund der speziellen Gefährdung bedürfe der Filter zwischen Primär- und Sekundärzweck einer organisatorischen Absicherung von besonderer Effektivität. Der Gesetzgeber habe mit § 3 Abs. 5 Satz 2 G 10 eine Verfahrensvorkehrung durch Entscheidungsvorbehalt getroffen. Diese Regelung diene einer fachkundigen Entscheidung, gewährleiste aber keine unabhängige Würdigung auch der Belange des Betroffenen durch eine nicht in sicherheitsbehördliche Interessen eingebundene weisungsunabhängige Instanz. Verfahrensvorkehrungen, die es der zuständigen Datenschutzkontrollinstanz ermöglichten, wenigstens nachträglich den besonders bedeutsamen Vorgang der Zweckänderung effektiv zu kontrollieren, erforderten, daß der Vorgang dokumentiert werde und organisatorische Maßnahmen getroffen würden, die den gezielten Zugriff auf diese Nachweise ermöglichten.
Die mit § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 getroffene Einschränkung der Mitteilung sei mit dem Grundgesetz nur insoweit vereinbar, als sie Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen nicht beeinträchtige. Dies sei nur der Fall, soweit bereits aufgrund abstrakter Erwägungen ein Rechtsschutzbedürfnis ausscheide. So liege es allenfalls dann, wenn die Datenerhebung und -verwendung ohne jeden Bezug zum Betroffenen erfolge. Diese Schwelle sei aber jedenfalls dann überschritten, wenn der Bundesnachrichtendienst die Daten über Hilfsmittel personenbezogen auswertbar speichere oder personenbezogen an die in § 3 Abs. 5 G 10 bezeichneten Sicherheitsbehörden übermittele. Soweit die Daten personenbezogen verwendet worden seien, dürfe die Mitteilung deshalb nicht unterbleiben. § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 sei insoweit verfassungswidrig.
Was den Ausschluß des Rechtswegs nach § 9 Abs. 6 G 10 im Fall strategischer Fernmeldeüberwachung angehe, so unterliege die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinem Gesetzesvorbehalt. Die strategische Fernmeldekontrolle richte sich jedoch bei verfassungskonformer Auslegung trotz der inzwischen stark gestiegenen technischen Möglichkeiten zur Herstellung von Personenbezügen nicht gegen bestimmte Personen. Sollte entgegen der Zweckbestimmung als Zufallsfund doch ein Bezug zu bestimmten Personen hergestellt worden sein, müsse auch der Rechtsweg gemäß § 5 Abs. 5 Satz 3 G 10 eröffnet sein.
4. Die Landesbeauftragten für den Datenschutz, die sich zu den Verfassungsbeschwerden geäußert haben, erheben überwiegend, wenngleich mit unterschiedlichen Schwerpunkten, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angegriffenen Vorschriften. Lediglich der Bayerische Datenschutzbeauftragte hält das Gesetz bei verfassungskonformer Auslegung für vereinbar mit dem Grundgesetz. Für die Übermittlung personenbezogener Daten nach § 3 Abs. 5 G 10 reiche allerdings ein Anfangsverdacht nicht aus. Nur bei qualifizierten Verdachtsgründen dürften Daten an andere Behörden weitergegeben werden. Im übrigen müsse eine lückenlose Kontrolle gewährleistet sein. Dazu seien die Befugnisse der Kommission und der Datenschutzbeauftragten zu präzisieren und zu koordinieren.
In den Stellungnahmen der übrigen Datenschutzbeauftragten wird unter anderem beanstandet, daß das Gesetz die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes in verfassungswidriger Weise erweitert habe. Er werde in Aufgaben der Straftatenverhütung und -verfolgung einbezogen und damit für Zwecke der inneren Sicherheit eingesetzt. Das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei sei verletzt. An der Eignung und Erforderlichkeit der Befugnisse bestünden angesichts des Mißverhältnisses von Aufwand und Ertrag sowie angesichts der Möglichkeit, Telekommunikationskontakte wirksam zu verschlüsseln, Zweifel. Die Eingriffsbefugnisse seien auch nicht verhältnismäßig im engeren Sinn. Einerseits blieben die neu in das Gesetz aufgenommenen Gefahrenlagen, die Überwachungsmaßnahmen rechtfertigten, an Gewicht hinter der Gefahr eines bewaffneten Angriffs weit zurück. Andererseits seien die Grundrechtsbeschränkungen quantitativ und qualitativ erheblich. Die Erlaubnis, ausländische Anschlüsse gezielt zu erfassen, übersteige das verfassungsrechtlich Zulässige.
Ferner sähen die angegriffenen Regelungen keine ausreichende Bestimmung der Verwendungszwecke, insbesondere aber keine ausreichende Zweckbindung der mittels der Fernmeldeüberwachung erlangten personenbezogenen Daten vor. Die Verdachtsstufe, die zur Übermittlung der Daten an andere Behörden berechtige, sei zu niedrig angesetzt. Die Anonymität der Beteiligten lasse sich besser schützen. Fast durchweg werden Bedenken gegen den Ausschluß oder die Begrenzung der Mitteilungspflicht, zum Teil auch gegen den Ausschluß des Rechtswegs erhoben. Alle Datenschutzbeauftragten halten ihre Kontrollmöglichkeiten für unzureichend.
IV.
In der mündlichen Verhandlung haben sich geäußert: die Beschwerdeführer, die Bundesregierung, der Bundesnachrichtendienst, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz sowie der Berliner und der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, das G 10-Gremium und die G 10-Kommission, schließlich die Sachverständigen Professor Dr. Pfitzmann, Professor Dr. Waibel und Professor Dr. Wiesbeck.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind mit Ausnahme derjenigen des Beschwerdeführers zu 2b) zulässig.
I.
Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz kann nur erheben, wer durch die angegriffenen Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar in Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 90, 128 ≪135≫; stRspr). Ergibt sich die Betroffenheit erst aus der Anwendung des Gesetzes, so können Verfassungsbeschwerden nicht gegen das Gesetz, sondern nur gegen den Vollzugsakt gerichtet werden. An der Möglichkeit, den Vollzugsakt anzugreifen, fehlt es allerdings dann, wenn der Betroffene keine Kenntnis davon erlangen kann. In diesem Fall muß ihm die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz ebenso zustehen wie in jenen Fällen, in denen die grundrechtliche Beschwer ohne vermittelnden Vollzugsakt durch das Gesetz selbst eintritt (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪16 f.≫). Die Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG werden unter diesen Umständen erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, daß er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch Maßnahmen, die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhen, in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪170≫).
II.
Die Mehrzahl der Verfassungsbeschwerden erfüllt diese Voraussetzungen.
1. Die Beschwerdeführer können von etwaigen Maßnahmen gemäß § 1 Abs. 1, § 3 G 10, die sie betreffen, in der Regel keine Kenntnis erlangen.
Zwar entfalten die gesetzlichen Regelungen ihre Wirkungen auf die Beschwerdeführer nicht von selbst. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es vielmehr der ministeriellen Bestimmungen und Anordnungen sowie der auf dieser Grundlage erfolgenden Überwachungs-, Aufzeichnungs-, Auswertungs- und Übermittlungsmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes und gegebenenfalls der Aufnahme, Prüfung und Verwertung durch diejenigen Behörden, denen der Bundesnachrichtendienst Daten zur Verfügung stellen muß. Erst darin liegt eine konkrete Beeinträchtigung der Grundrechtsträger.
Die Umsetzungsschritte erfolgen jedoch von den Betroffenen unbemerkt und unbemerkbar. In weitem Umfang werden sie im Interesse der Zweckerfüllung geheimgehalten. Eine Information ist nur als nachträgliche Mitteilung und nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 8 G 10 vorgesehen. Aufgrund der dort festgelegten Einschränkungen erfahren die Beschwerdeführer in der Regel nicht, ob sie von Überwachungsmaßnahmen betroffen waren und ob daraus gewonnene personenbezogene Daten ausgewertet, übermittelt und weiterverwertet wurden.
2. Die Beschwerdeführer zu 1), 2a), 3a) und 3b) haben die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte ausreichend dargetan.
a) Der Beschwerdeführer zu 1) ist Hochschullehrer, arbeitet nach seinen Angaben auf dem Gebiet des Betäubungsmittelstrafrechts und unterhält in diesem Zusammenhang zahlreiche Kontakte ins Ausland, die unter anderem über Telefon und Telefax abgewickelt werden. Da die Verbringung von Betäubungsmitteln aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 G 10 zu den Gegenständen der Sammlung von Nachrichten durch den Bundesnachrichtendienst mittels Überwachung des Fernmeldeverkehrs zählt, sind Erfassung und Aufzeichnung seines Fernmeldeverkehrs sowie Kenntnisnahme von dessen Inhalt auch möglich. Falls der erfaßte Fernmeldeverkehr einen der Suchbegriffe enthält, kommt es zur Relevanzprüfung und gegebenenfalls Verwertung für die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes. Angesichts der weit gefaßten Tatbestandsvoraussetzungen in § 3 Abs. 5 G 10 ist auch nicht auszuschließen, daß der aufgezeichnete Verkehr an andere Behörden übermittelt wird und dort weitere Prüfungen veranlaßt.
b) Die Beschwerdeführerin zu 2a) ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Uruguay. Nach ihrem Vortrag arbeitet sie als freie Journalistin für deutsche und ausländische Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsender insbesondere in den Bereichen, die der Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst unterliegen. Auch dieses Vorbringen genügt zur Darlegung der Betroffenheit, weil die Beschwerdeführerin angesichts der verdachtslosen und geheimgehaltenen Fernmeldeüberwachung und angesichts der ebenfalls weitgehend ihrer Kenntnis entzogenen Folgemaßnahmen ihren Vortrag nicht weiter konkretisieren kann.
Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin nicht in Deutschland wohnt, schließt die Möglichkeit einer Grundrechtsbetroffenheit nicht aus. Ihr Fernmeldeverkehr kann von den Überwachungsmaßnahmen erfaßt werden, da diese sich gerade auf internationale Fernmeldeverbindungen beziehen. Von daher kommt eine Grundrechtsverletzung auch bei ausländischem Wohnsitz in Betracht.
Soweit die Beschwerdeführerin ihre Rüge auf § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 G 10 erstreckt, ist diese nicht wegen Versäumung der Jahresfrist aus § 93 Abs. 3 BVerfGG unzulässig. Zwar haben die Vorschriften durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz keine Änderung erfahren. Sie sind aber aufgrund dieses Gesetzes, namentlich durch die Regelung der Verwendungs- und Übermittlungsbefugnisse in § 3 Abs. 3 und 5 G 10 n.F., in ein anderes gesetzliches Umfeld eingebettet worden, so daß auch von der Anwendung der älteren Vorschriften neue belastende Wirkungen ausgehen können. Das setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Jahresfrist, innerhalb derer Verfassungsbeschwerden gegen Normen zulässig sind, erneut in Gang (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪119≫; 78, 350 ≪356≫).
c) Die Beschwerdeführerin zu 3a) ist Zeitungsverlegerin. Der Schutz von Art. 10 GG steht ihr gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch als juristischer Person zu. Nach ihrem Vortrag zählen Berichte auf den Gebieten der Korruption, des internationalen Terrorismus, des internationalen Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche, der organisierten Kriminalität, der nachrichtendienstlichen Aktivitäten und des Plutoniumschmuggels zu den redaktionellen Schwerpunkten ihrer Zeitung. Sie unterhält in anderen Ländern Korrespondentenstellen und arbeitet unter anderem mit dem Beschwerdeführer zu 3b) und anderen deutschen und ausländischen Korrespondenten, Journalisten und Verlagen außerhalb Deutschlands zusammen. Die genannten Themen sind Gegenstand der Fernmeldeüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst. Insofern gilt für die Beschwerdeführerin zu 3a) dasselbe wie für den Beschwerdeführer zu 1). Es ist aufgrund ihres Vorbringens auch nicht fernliegend, daß sie bei redaktionellen Vorhaben mit einer Kenntnisnahme durch den Bundesnachrichtendienst rechnen muß und deswegen in ihrer Informationsbeschaffung beeinträchtigt wird.
d) Der Beschwerdeführer zu 3b) ist Journalist mit Wohnsitz in Deutschland und Italien. Nach seinem Vortrag recherchiert und publiziert er unter anderem auf dem Gebiet des internationalen Terrorismus, des internationalen Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche, der organisierten Kriminalität sowie der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten und pflegt in diesem Rahmen zahlreiche Kontakte im In- und Ausland. Auch das reicht, wie bei der Beschwerdeführerin zu 3a), zur Darlegung einer möglichen Grundrechtsbetroffenheit aus.
3. Dagegen hat der Beschwerdeführer zu 2b) eine eigene unmittelbare Betroffenheit durch die von ihm angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichend dargelegt. Er ist uruguayischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Uruguay. Nach seinem Vortrag betreut er während der Abwesenheit der Beschwerdeführerin zu 2a) deren Fernmeldeverkehr. Ohne Angabe weiterer Einzelheiten geht daraus nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hervor, daß er durch Maßnahmen, die sich auf die angegriffenen Bestimmungen stützen, in seinen Grundrechten berührt wird.
C.
Die angegriffenen Vorschriften sind nicht in vollem Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung ist vor allem Art. 10 GG. Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung kommt neben Art. 10 GG nicht zur Anwendung. Bezogen auf den Fernmeldeverkehr enthält Art. 10 GG eine spezielle Garantie, die die allgemeine Vorschrift verdrängt (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪171≫). Soweit es um die Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen nach § 3 G 10 und um die Rechtswegbeschränkung in § 9 Abs. 6 G 10 geht, tritt Art. 19 Abs. 4 GG hinzu. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2a) und 3) sind überdies am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu prüfen.
1. Art. 10 GG schützt das Fernmeldegeheimnis.
a) Das Fernmeldegeheimnis umfaßt zuvörderst den Kommunikationsinhalt. Die öffentliche Gewalt soll grundsätzlich nicht die Möglichkeit haben, sich Kenntnis vom Inhalt des über Fernmeldeanlagen abgewickelten mündlichen oder schriftlichen Informations- und Gedankenaustauschs zu verschaffen. Einen Unterschied zwischen Kommunikationen privaten und anderen, etwa geschäftlichen oder politischen, Inhalts macht Art. 10 GG dabei nicht (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪172≫). Der Grundrechtsschutz bezieht sich vielmehr auf alle mittels der Fernmeldetechnik ausgetauschten Kommunikationen.
In der Abschirmung des Kommunikationsinhalts gegen staatliche Kenntnisnahme erschöpft sich der Grundrechtsschutz jedoch nicht. Er umfaßt ebenso die Kommunikationsumstände. Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪172≫; 85, 386 ≪396≫). Auch insoweit kann der Staat grundsätzlich keine Kenntnis beanspruchen. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich möglich sein.
Indem das Grundrecht die einzelnen Kommunikationsvorgänge grundsätzlich dem staatlichen Zugriff entzieht, will es zugleich die Bedingungen einer freien Telekommunikation überhaupt aufrechterhalten. Mit der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, daß der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Fernmeldeanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, daß staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen.
Die freie Telekommunikation, die Art. 10 GG sichert, leidet ferner, wenn zu befürchten ist, daß der Staat Kenntnisse von Fernmeldeumständen und -inhalten in anderen Zusammenhängen zum Nachteil der Kommunikationspartner verwertet (vgl. insgesamt BVerfGE 65, 1 ≪42 f.≫; 93, 181 ≪188≫). Daher entfaltet Art. 10 GG seinen Schutz nicht nur gegenüber staatlicher Kenntnisnahme von Fernmeldekommunikationen, die die Kommunikationspartner für sich behalten wollten. Vielmehr erstreckt sich seine Schutzwirkung auch auf den Informations- und Datenverarbeitungsprozeß, der sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließt, und den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (so schon für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 65, 1 ≪46≫).
b) Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses sind zwar gemäß Art. 10 Abs. 2 GG möglich. Sie bedürfen aber nicht nur, wie jede Grundrechtsbeschränkung, einer gesetzlichen Regelung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Vielmehr ergeben sich aus Art. 10 GG auch besondere Anforderungen an den Gesetzgeber, die gerade die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, welche mittels Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis erlangt worden sind. Insoweit lassen sich die Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt hat (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪44 ff.≫), weitgehend auf die speziellere Garantie in Art. 10 GG übertragen.
Zu diesen Anforderungen gehört, daß sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen klar und für den Einzelnen erkennbar aus dem Gesetz ergeben. Insbesondere muß der Zweck, zu dem Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis vorgenommen werden dürfen, bereichsspezifisch und präzise bestimmt werden, und das erhobene Datenmaterial muß für diesen Zweck geeignet und erforderlich sein. Eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken wäre damit unvereinbar. Speicherung und Verwendung erlangter Daten sind daher grundsätzlich an den Zweck gebunden, den das zur Kenntnisnahme ermächtigende Gesetz festgelegt hat.
Da die Kommunikation ihren von Art. 10 GG vermittelten Geheimnisschutz nicht dadurch verliert, daß bereits eine staatliche Stelle von dem Fernmeldevorgang Kenntnis erlangt hat, beziehen sich die Anforderungen des Grundrechts auch auf die Weitergabe der Daten und Informationen, die unter Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses erlangt worden sind. Das gilt um so mehr, als es sich bei der Weitergabe regelmäßig nicht nur um eine Ausweitung der Stellen oder Personen, die über die Kommunikation informiert werden, sondern um die Überführung der Daten in einen anderen Verwendungszusammenhang handelt, der für die Betroffenen mit zusätzlichen, unter Umständen schwereren Folgen verbunden ist als im ursprünglichen Verwendungszusammenhang.
Zwar schließt der Grundsatz der Zweckbindung Zweckänderungen nicht rundweg aus. Sie bedürfen jedoch ihrerseits einer gesetzlichen Grundlage, die formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dazu gehört, daß die Zweckänderungen durch Allgemeinbelange gerechtfertigt sind, die die grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen. Der neue Verwendungszweck muß sich auf die Aufgaben und Befugnisse der Behörde beziehen, der die Daten übermittelt werden, und hinreichend normenklar geregelt sein. Ferner dürfen der Verwendungszweck, zu dem die Erhebung erfolgt ist, und der veränderte Verwendungszweck nicht miteinander unvereinbar sein (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪51, 62≫).
Die Zweckbindung läßt sich nur gewährleisten, wenn auch nach der Erfassung erkennbar bleibt, daß es sich um Daten handelt, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis stammen. Eine entsprechende Kennzeichnung ist daher von Verfassungs wegen geboten.
Art. 10 GG vermittelt den Grundrechtsträgern ferner Anspruch auf Kenntnis von Maßnahmen der Fernmeldeüberwachung, die sie betroffen haben. Das ist ein Erfordernis effektiven Grundrechtsschutzes. Denn ohne eine solche Kenntnis können die Betroffenen weder die Unrechtmäßigkeit der Erfassung und Kenntnisnahme ihrer Fernmeldekontakte noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen. Dieser Anspruch verengt sich nicht sogleich auf den gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Zunächst handelt es sich vielmehr um ein spezifisches Datenschutzrecht, das gegenüber der informations- und datenverarbeitenden staatlichen Stelle geltend gemacht werden kann.
Wie die Kenntnisgewährung im einzelnen auszugestalten ist, gibt das Grundgesetz dabei nicht vor. Die Verfassung gebietet nur, daß eine Benachrichtigung dann stattfindet, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgen, Auskunftsansprüche aber nicht eingeräumt worden sind oder den Rechten der Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪21, 31 f.≫). Allerdings unterliegt auch die Mitteilungspflicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 GG. Soweit die Kenntnis des Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis dazu führen würde, daß dieser seinen Zweck verfehlt, ist es daher von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die Kenntnisgewährung entsprechend einzugrenzen. Unter Umständen genügt es, den Betroffenen erst später von dem Eingriff zu benachrichtigen (vgl. BVerfGE 49, 329 ≪342 f.≫).
Wegen der Unbemerkbarkeit der Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, der Undurchsichtigkeit des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen, der Möglichkeit, die Mitteilung zu beschränken, und der dadurch entstehenden Rechtsschutzlücken gebietet Art. 10 GG zudem eine Kontrolle durch unabhängige und an keine Weisung gebundene staatliche Organe und Hilfsorgane (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪23 f., 30 f.≫; 65, 1 ≪46≫; 67, 157 ≪185≫). Wie die Kontrolle auszugestalten ist, schreibt die Verfassung jedoch nicht vor. Dem Gesetzgeber steht es frei, die ihm geeignet erscheinende Form zu wählen, wenn sie nur hinreichend wirksam ist. Zur Wirksamkeit gehört es, daß sich die Kontrolle auf alle Schritte des Prozesses der Fernmeldeüberwachung erstreckt. Kontrollbedürftig ist sowohl die Rechtmäßigkeit der Eingriffe als auch die Einhaltung der gesetzlichen Vorkehrungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses.
Schließlich müssen die erlangten Daten, da die Erfassung und Aufzeichnung von Fernmeldeverkehr sowie die Verwendung der dadurch erlangten Informationen an bestimmte Zwecke gebunden sind, vernichtet werden, sobald sie für die festgelegten Zwecke oder den gerichtlichen Rechtsschutz nicht mehr erforderlich sind.
c) Wie weit der Schutz des Art. 10 GG in räumlicher Hinsicht reicht, ist in der Verfassungsrechtsprechung bisher nicht geklärt. Die Frage, ob er – wie die Bundesregierung annimmt – nur bei hinreichendem territorialen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland eingreift und deswegen für ausländischen Fernmeldeverkehr oder für im Ausland lebende Personen nicht gelten kann, hat sich in dieser Form noch nicht gestellt, weil die Staatsgewalt regelmäßig nur im Staatsgebiet ausgeübt werden konnte. Die Staatsgrenzen waren im allgemeinen zugleich die Grenzen der Staatsgewalt. Erst die Entwicklung der Technik hat es ermöglicht, daß die Staatsgewalt ihre Tätigkeit auch auf das Gebiet anderer Staaten erstrecken kann, ohne dort durch Organwalter körperlich anwesend sein zu müssen. Insbesondere läßt der Einsatz von Satelliten unter anderem die Erfassung von Kommunikationsvorgängen außerhalb Deutschlands ohne Inanspruchnahme fremden Territoriums zu.
Ansatzpunkt für die Beantwortung der Frage nach der räumlichen Geltung von Art. 10 GG ist Art. 1 Abs. 3 GG, der den Geltungsumfang der Grundrechte im allgemeinen bestimmt. Aus dem Umstand, daß diese Vorschrift eine umfassende Bindung von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte vorsieht, ergibt sich allerdings noch keine abschließende Festlegung der räumlichen Geltungsreichweite der Grundrechte. Das Grundgesetz begnügt sich nicht damit, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen, sondern bestimmt auch in Grundzügen sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Insofern geht es von der Notwendigkeit einer Abgrenzung und Abstimmung mit anderen Staaten und Rechtsordnungen aus. Zum einen ist der Umfang der Verantwortlichkeit und Verantwortung deutscher Staatsorgane bei der Reichweite grundrechtlicher Bindungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 66, 39 ≪57 ff.≫; 92, 26 ≪47≫). Zum anderen muß das Verfassungsrecht mit dem Völkerrecht abgestimmt werden. Dieses schließt freilich eine Geltung von Grundrechten bei Sachverhalten mit Auslandsbezügen nicht prinzipiell aus. Ihre Reichweite ist vielmehr unter Berücksichtigung von Art. 25 GG aus dem Grundgesetz selbst zu ermitteln. Dabei können je nach den einschlägigen Verfassungsnormen Modifikationen und Differenzierungen zulässig oder geboten sein (vgl. BVerfGE 31, 58 ≪72 ff.≫; 92, 26 ≪41 f.≫).
Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses in Art. 10 GG zielt – im Einklang mit den völkerrechtlichen Bestimmungen (vgl. Art. 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948; Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950; dazu EGMR, NJW 1979, S. 1755 ≪1756≫) – darauf, daß die Fernmeldekommunikation von unerwünschter oder unbemerkter Überwachung frei bleibt und die Grundrechtsträger unbefangen kommunizieren können. Er knüpft an das Kommunikationsmedium an und will jenen Gefahren für die Vertraulichkeit begegnen, die sich gerade aus der Verwendung dieses Mediums ergeben, das staatlichem Zugriff leichter ausgesetzt ist als die direkte Kommunikation unter Anwesenden (vgl. BVerfGE 85, 386 ≪396≫). Moderne Techniken wie Satelliten- und Richtfunktechnik erlauben einen solchen Zugriff auch auf ausländischen Fernmeldeverkehr mit Überwachungsanlagen, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stationiert sind.
Dabei wird bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes eine technisch-informationelle Beziehung zu den jeweiligen Kommunikationsteilnehmern und ein – den Eigenarten von Daten und Informationen entsprechender – Gebietskontakt hergestellt. Auch die Auswertung der so erfaßten Telekommunikationsvorgänge durch den Bundesnachrichtendienst findet auf deutschem Boden statt. Unter diesen Umständen ist aber auch eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft, daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte. Über geheimdienstliche Tätigkeiten, die nicht dem G 10 unterliegen, ist hier ebensowenig zu entscheiden wie über die Frage, was für ausländische Kommunikationsteilnehmer im Ausland gilt. Auf ausländische juristische Personen findet Art. 10 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ohnehin keine Anwendung.
2. Teile der angegriffenen Regelungen sind außerdem an Art. 19 Abs. 4 GG zu messen.
Art. 19 Abs. 4 GG gewährt dem Bürger Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle in Fällen, in denen eine Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt möglich erscheint. Von dieser Garantie macht das Grundgesetz in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG aber gerade in bezug auf Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis eine Ausnahme. Diese bleibt nach Art. 19 Abs. 4 Satz 3 GG von der im übrigen umfassenden Rechtsschutzgarantie unberührt. Allerdings werden die Eingriffe durch diese Vorschriften nicht gänzlich kontrollfrei gestellt. Vielmehr muß an die Stelle des Rechtswegs die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane treten.
Der von Art. 19 Abs. 4 GG vermittelte Anspruch beschränkt sich indes nicht auf die gerichtliche Kontrolle und das gerichtliche Verfahren. Soll die Rechtsschutzgarantie die Möglichkeit zur Wahrnehmung anderweitig bestehender materieller Rechte sicherstellen, kann auch sie neben Art. 10 GG eine Benachrichtigung gebieten, wenn diese Form der Kenntnisgewähr Voraussetzung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪70≫). Begrenzungen des Anspruchs sind allerdings auch nach Art. 19 Abs. 4 GG, der einer gesetzlichen Ausgestaltung bedarf, nicht ausgeschlossen.
Im Licht von Art. 19 Abs. 4 GG ist auch die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Vernichtung nicht mehr erforderlicher Daten zu verstehen. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz der Betroffenen zu vereiteln (vgl. BVerfGE 69, 1 ≪49≫). Daher muß die Vernichtungspflicht für die Fälle, in denen der Betroffene die gerichtliche Kontrolle staatlicher Informations- und Datenverarbeitungsmaßnahmen anstrebt, mit der Rechtsschutzgarantie so abgestimmt werden, daß der Rechtsschutz nicht unterlaufen oder vereitelt wird.
3. Der auf die prinzipielle Geheimnisqualität der Kommunikation bezogene Schutz des Art. 10 GG kann schließlich durch weitere Grundrechtsgarantien ergänzt werden, die wegen des Inhalts und des Kontexts einer Kommunikation oder im Hinblick auf die beeinträchtigenden Folgen der Verwendung erlangter Kenntnisse in neuen Verwendungszusammenhängen einschlägig sind.
Soweit sich die Beschwerdeführer im Pressewesen betätigen und geltend gemacht haben, in dieser Tätigkeit durch die angegriffenen Vorschriften behindert zu werden, kommt dafür die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht. Sie bezieht sich nicht nur auf die Verbreitung von Nachrichten und Meinungen in einem Presseorgan, sondern schließt auch diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten ein, ohne welche die Presse ihre Funktion nicht zu erfüllen vermag. Das gilt namentlich für die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informanten (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪176, 187 ff.≫; 50, 234 ≪240≫; 77, 65 ≪74 f.≫) sowie die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (vgl. BVerfGE 66, 116 ≪130 ff.≫), die sämtlich für die Informationsbeschaffung und -verarbeitung unerläßlich sind.
Dieser Schutz kann allerdings erst nach der staatlichen Kenntnisnahme von Daten und Informationen, die mittels Fernmeldeüberwachung erlangt worden sind, einsetzen. Denn vor der Kenntnisnahme fehlt es dem Bundesnachrichtendienst angesichts der ungezielten Erfassung an der Möglichkeit festzustellen, daß es sich um pressebezogene Kommunikationen handelt, und folglich auch an der Möglichkeit, die spezifischen Schutzwirkungen der Pressefreiheit zu beachten. Dagegen ist dieses Grundrecht bei der Speicherung, Verwertung und Weitergabe von Daten und Informationen zu berücksichtigen.
II.
Die angegriffenen Regelungen ermöglichen in mehrfacher Hinsicht Eingriffe in die genannten Grundrechte.
1. Die Überwachung und Aufzeichnung internationaler nicht leitungsgebundener Telekommunikationen durch den Bundesnachrichtendienst greift in das Fernmeldegeheimnis ein.
Da Art. 10 Abs. 1 GG die Vertraulichkeit der Kommunikation schützen will, ist jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten durch den Staat Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 85, 386 ≪398≫). Für die Kenntnisnahme von erfaßten Fernmeldevorgängen durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes steht folglich die Eingriffsqualität außer Frage. Aber auch die vorangehenden Arbeitsschritte müssen in ihrem durch den Überwachungs- und Verwendungszweck bestimmten Zusammenhang betrachtet werden.
Eingriff ist daher schon die Erfassung selbst, insofern sie die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar macht und die Basis des nachfolgenden Abgleichs mit den Suchbegriffen bildet. An einem Eingriff fehlt es nur, soweit Fernmeldevorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfaßt, aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden. Dagegen steht es der Eingriffsqualität nicht entgegen, wenn die erfaßten Daten nicht sofort bestimmten Personen zugeordnet werden können. Denn wie die mündliche Verhandlung bestätigt hat, läßt sich auch in diesen Fällen der Personenbezug ohne Schwierigkeit herstellen.
Der Eingriff setzt sich mit der Speicherung der erfaßten Daten fort, durch die das Material aufbewahrt und für den Abgleich mit den Suchbegriffen bereitgehalten wird. Dem Abgleich selbst kommt als Akt der Auswahl für die weitere Auswertung Eingriffscharakter zu. Das gilt unabhängig davon, ob er maschinell vor sich geht oder durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes erfolgt, die zu diesem Zweck den Kommunikationsinhalt zur Kenntnis nehmen. Die weitere Speicherung nach Erfassung und Abgleich ist als Aufbewahrung der Daten zum Zweck der Auswertung gleichfalls Eingriff in Art. 10 GG.
Die in § 3 Abs. 4 G 10 vorgeschriebene Prüfung, ob die mittels der Fernmeldeüberwachung erlangten personenbezogenen Daten für die Zwecke, die diese Maßnahmen legitimieren, erforderlich sind, hat Eingriffsqualität, weil es sich um einen Selektionsakt handelt, bei dem die Aufzeichnungen entweder der weiteren Verwendung zugeführt, zur weiteren Verwendung aufbewahrt oder aber vernichtet werden.
Soweit der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Berichtspflicht gegenüber der Bundesregierung personenbezogene Daten übermittelt, die er durch die Fernmeldeüberwachung erlangt hat, handelt es sich gleichfalls um einen Eingriff, weil sich damit der Kreis derer erweitert, die die Kommunikationen kennen und von dieser Kenntnis Gebrauch machen können. Ebenso stellen die in § 3 Abs. 5, Abs. 3 G 10 geregelte Übermittlung der durch die Überwachung erlangten Aufzeichnungen an die datenempfangenden Stellen durch den Bundesnachrichtendienst und die in § 3 Abs. 7 G 10 geregelte Prüfung durch die Empfangsbehörden Eingriffe dar.
In der Eingrenzung der Pflicht zur Mitteilung der Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses durch § 3 Abs. 8 Satz 1 und 2 G 10 liegt ebenfalls eine Beeinträchtigung des Grundrechts.
2. Die Begrenzung der Mitteilungspflicht in § 3 Abs. 8 Satz 1 und 2 und der Ausschluß des Rechtswegs in § 9 Abs. 6 G 10 beeinträchtigen überdies die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Außerdem kann sich die Pflicht zur Vernichtung personenbezogener Daten nach § 3 Abs. 6 und 7, § 7 Abs. 4 G 10 auf die gerichtliche Kontrolle der Maßnahmen nachteilig auswirken.
3. Insofern durch Maßnahmen, die auf der Grundlage von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 G 10 ergehen, auch Telekommunikationsbeziehungen von Presseunternehmen oder Journalisten erfaßt werden können, liegt in der Prüfungsbefugnis des Bundesnachrichtendienstes gemäß § 3 Abs. 4 G 10, der Berichtspflicht an die Bundesregierung, der Übermittlungsbefugnis an andere Behörden nach § 3 Abs. 5, Abs. 3 und in deren Prüfungsbefugnis nach § 3 Abs. 7 G 10 überdies eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf Pressefreiheit.
III.
Die Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 G 10 steht mit Art. 10 GG im wesentlichen in Einklang. Unvereinbar mit diesem Grundrecht ist jedoch die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 G 10, nach der die Maßnahmen auch zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte zulässig sind, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr im Ausland begangener Geldfälschungen rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen.
1. In formeller Hinsicht begegnen die Vorschriften des § 1 Abs. 1 und des § 3 Abs. 1 G 10 keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz für die dort geregelte Materie. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 73 Nr. 1 GG, der ihm die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten sowie über die Verteidigung einräumt.
a) Der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten in Art. 73 Nr. 1 GG kann nicht ohne Rücksicht auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im übrigen bestimmt werden. Zum einen darf er nicht in einer Weise ausgelegt werden, daß die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen wird. Zum anderen muß er sich in die verschiedenen Kompetenzzuweisungen an den Bund einfügen. Unter beiden Gesichtspunkten verbietet sich ein Verständnis des Begriffs, nach dem alle Tatbestände mit Auslandsbezug zu den auswärtigen Angelegenheiten zählen. Andernfalls ließe sich weder die Grenze zwischen Bundes- und Landeskompetenzen aufrechterhalten noch ergäben diejenigen Titel in den Katalogen der Bundeskompetenzen einen Sinn, die – wie etwa Art. 73 Nr. 3, 5 und 10 oder Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG – ebenfalls Materien mit Auslandsbezug zum Gegenstand haben.
Die Kompetenzzuweisung in Art. 73 Nr. 1 GG muß vielmehr im Zusammenhang mit den Beziehungen zu auswärtigen Staaten gesehen werden, deren Pflege gemäß Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes ist. Unter auswärtigen Angelegenheiten im Sinn von Art. 73 Nr. 1 GG sind dann diejenigen Fragen zu verstehen, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik, Bedeutung haben. In diesem Sinn ist auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, daß auswärtige Angelegenheiten nur solche seien, die sich aus der Stellung der Bundesrepublik als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten ergeben (vgl. BVerfGE 33, 52 ≪60≫).
Diese Umschreibung schränkt den Begriff nicht auf den völkerrechtlichen Verkehr ein. Sie setzt nicht bei den völkerrechtlich geregelten Materien, sondern bei dem deutschen Staat und seinen Außenbeziehungen an. Für diese können auch Vorgänge im Ausland, deren Urheber nicht ausländische Staaten sind, Bedeutung haben. Solche Vorgänge sollten mit der Umschreibung nicht aus dem Bereich der auswärtigen Angelegenheiten ausgeschlossen werden. Die Einrichtung einer Stelle zur umfassenden Auslandsaufklärung fällt daher unstreitig unter die auswärtigen Angelegenheiten im Sinn von Art. 73 Nr. 1 GG. In der erwähnten Entscheidung ging es demgegenüber nur darum, den Begriff gegen inländische Reaktionen auf grenzüberschreitendes Verhalten Privater – in diesem Fall das gesetzliche Verbot, verfassungsfeindliche Filme vom Ausland in die Bundesrepublik zu verbringen – abzugrenzen, das deswegen nicht auf Art. 73 Nr. 1, sondern auf Art. 73 Nr. 5 GG gestützt wurde.
Dem Bund ist es auch nicht etwa verwehrt, aus Erkenntnissen über das Ausland, die er unter Inanspruchnahme seiner Kompetenz aus Art. 73 Nr. 1 GG gewonnen hat, gesetzgeberische Konsequenzen innenpolitischer Art zu ziehen, sofern er dafür eine eigene Zuständigkeit besitzt. Im Grenzbereich zur Verbrechensbekämpfung ist aber von Belang, daß Art. 73 Nr. 10 GG dem Bund bestimmte und zugleich begrenzte Gesetzgebungskompetenzen für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kriminalpolizei, für die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie für die internationale Verbrechensbekämpfung zuweist. Darunter ist nicht die Bekämpfung internationaler Verbrechen, sondern die internationale Bekämpfung von Verbrechen, also etwa die Zusammenarbeit deutscher mit ausländischen Stellen in kriminalpolizeilichen Fragen, zu verstehen. Im übrigen fällt das Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht in die Zuständigkeit der Länder. Auf die Frage, ob sich aus den Gesetzgebungskompetenzen ein Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten entnehmen läßt, kommt es daher hier nicht an (vgl. auch BVerfGE 97, 198 ≪217≫).
Nach alledem müssen die angegriffenen Regelungen, damit sie auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Nr. 1 GG gestützt werden können, in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet sein, der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist. Dagegen berechtigt Art. 73 Nr. 1 GG den Bundesgesetzgeber nicht dazu, dem Bundesnachrichtendienst Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind. Das schließt Parallelen und Überschneidungen in den verschiedenen Beobachtungs- und Informationsbereichen nicht aus, solange sich die durch die Kompetenzverteilung abgegrenzten Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der verschiedenen Stellen nicht vermischen.
b) Die Regelung in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 G 10 läßt sich der Gesetzgebungskompetenz über auswärtige Angelegenheiten zuordnen. Das liegt für den Gefahrentatbestand eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1), der außerdem in den Kompetenzbereich der Verteidigung fällt, auf der Hand, gilt aber auch für die Gefahrenfelder, die in den Nummern 2 bis 6 aufgeführt sind.
Zwar fehlt den Zweifeln, die die Beschwerdeführer an der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers geäußert haben, nicht jeder Anknüpfungspunkt. So sind die neuen Gefahrenfelder im Rahmen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes in das G 10 eingefügt worden. Auch werden sie durch bestimmte strafrechtlich relevante Verhaltensweisen, wenngleich nicht – wie bei § 3 Abs. 3 G 10 – durch Straftatbestände, definiert. Ferner schreibt § 3 Abs. 5 G 10 dem Bundesnachrichtendienst die Übermittlung strafrechtlich relevanter Erkenntnisse an Behörden vor, die mit der Verhütung oder Verfolgung von Straftaten befaßt sind. Schließlich finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien Äußerungen, die darauf hindeuten, daß der Bundesnachrichtendienst in die Verbrechensbekämpfung einbezogen werden sollte.
Dennoch steht bei der angegriffenen Regelung die Aufklärung auswärtiger Gefahren im Vordergrund. Ihr Primärzweck ist die Informationsgewinnung für die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes. Das macht bereits der Wortlaut des Gesetzes deutlich. § 1 Abs. 1 Nr. 2 G 10 paßt die Fernmeldeüberwachung zu den Zwecken des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 ausdrücklich in den Rahmen der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes nach § 1 Abs. 2 BNDG ein. Diese bestehen in der Sammlung und Auswertung der erforderlichen Informationen zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. An die Einräumung der Überwachungsbefugnisse schließt sich sodann ein eigenständiger, von der Verbrechensbekämpfung unabhängiger Regelungs- und Verwendungszusammenhang nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 G 10, §§ 2, 4, 12 BNDG an, der von den Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes bestimmt wird. Danach sind die Erkenntnisse in Lageberichte, Analysen und Berichte über Einzelvorkommnisse umzusetzen, deren Adressat die Bundesregierung ist. Sie soll mit ihrer Hilfe in den Stand versetzt werden, die Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und ihnen (politisch) zu begegnen.
Den einzelnen Gefahrenlagen in Nummern 2 bis 6 von § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 fehlt auch nicht der nötige Bezug zu den außen- und sicherheitspolitischen Belangen, die die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Staatengemeinschaft und in ihrem Verhältnis zu zwischenstaatlichen Einrichtungen zu wahren hat. Bei den strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen der Proliferation, des Rüstungshandels, des internationalen Terrorismus, des Drogenexports und auch der damit zusammenhängenden Geldwäsche handelt es sich nicht nur um internationale Kriminalität. Vielmehr sind diese Aktivitäten dadurch gekennzeichnet, daß sie häufig von ausländischen Staaten oder von ausländischen Organisationen, die mit staatlicher Unterstützung oder Duldung operieren, ausgehen, jedenfalls aber Dimensionen annehmen, die internationale Gegenmaßnahmen erfordern. Die Bundesrepublik Deutschland muß daher ihre Außen- und Sicherheitspolitik und ihre internationale Zusammenarbeit darauf einstellen können und bedarf hierfür auch im Interesse ihrer Handlungs- und Bündnisfähigkeit entsprechender Kenntnisse.
Der von Art. 73 Nr. 1 GG geforderte Bezug zu den auswärtigen Angelegenheiten läßt sich auch für den Gefahrentatbestand der im Ausland begangenen Geldfälschungen (Nr. 5) nicht von vornherein von der Hand weisen. Zwar ist dem Tatbestand der Geldfälschung der Auslandsbezug nicht inhärent. Er stellt sich aber jedenfalls dann her, wenn die Geldfälschung unter Beteiligung ausländischer Staaten geschieht oder aufgrund ausländischer Aktivitäten ein Ausmaß annimmt, das die Geldwertstabilität in der Bundesrepublik bedroht, so daß sie mit den Mitteln der inländischen Strafverfolgung nicht ausreichend bekämpft werden kann, sondern außenpolitische Reaktionen erforderlich macht.
An der durch den Primärzweck bestimmten Zugehörigkeit des Regelungsgegenstands zu den auswärtigen Angelegenheiten ändert schließlich auch die Pflicht des Bundesnachrichtendienstes, unter bestimmten Voraussetzungen die im Rahmen seiner Aufgaben angefallenen Erkenntnisse anderen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung zu stellen, grundsätzlich nichts. Zur Wahrung der kompetentiellen Grenzen muß der Gesetzgeber, soweit seine Regelungen auf Art. 73 Nr. 1 GG gründen, allerdings durch eine hinreichende Bestimmung des Verwendungszwecks, angemessene Zweckbindungen, eine darauf abgestimmte Ausgestaltung der Befugnisse und sachgerechte Schutzvorkehrungen dafür Sorge tragen, daß die Ermächtigungen und die auf ihnen beruhenden Maßnahmen auf die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes bezogen bleiben und anderweitige Verwendungsmöglichkeiten die Primärfunktion nicht überlagern.
2. Die Regelungen in § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 G 10 erfüllen auch die Anforderungen, die Art. 10 GG an die Bestimmtheit und Normenklarheit von Eingriffsbefugnissen in den Fernmeldeverkehr richtet.
Der Gesetzgeber hat insbesondere die Zwecke, zu denen Telekommunikationsbeziehungen überwacht und die so erlangten Erkenntnisse verwendet werden dürfen, hinreichend präzise und normenklar festgelegt. Die Gefahrenlagen, auf deren Früherkennung die Beobachtung oder Überwachung zielt, werden genau genug beschrieben und durch die Bezugnahme auf andere Gesetze noch weiter verdeutlicht. Der Umfang der Überwachung ist durch die Begrenzung auf den internationalen nicht leitungsgebundenen Verkehr bestimmt. Eine nähere Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen die Überwachung stattfinden darf, war angesichts der Aufgabe und Arbeitsweise von Nachrichtendiensten nicht möglich.
3. In materieller Hinsicht schränkt allerdings § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 G 10 das Fernmeldegeheimnis unverhältnismäßig ein. Im übrigen genügt § 3 Abs. 1 Satz 2 G 10 den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
a) Der Zweck, die in den Nummern 1 bis 6 der Vorschrift aufgezählten Gefahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen, stellt ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls dar. Zwar haben die neu in das Gesetz aufgenommenen Gefahren der Nummern 2 bis 6 nicht dasselbe Gewicht wie die von Anfang an als legitimer Grund für Fernmeldeüberwachungen anerkannte Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪178≫). Während ein derartiger Angriff die Existenz des Staates, das Wohlergehen der Bevölkerung und auch die selbst gewählte freiheitliche Ordnung insgesamt in Frage stellt, geht es bei den neu aufgenommenen Gefahren um solche, die die Existenz des Staates oder seine Ordnung regelmäßig nicht in derselben elementaren Weise berühren. Auch sie betreffen aber, wenngleich in abgestufter Weise, hochrangige Gemeinschaftsgüter, deren Verletzung schwere Schäden für den äußeren und inneren Frieden und die Rechtsgüter Einzelner zur Folge hätte.
b) Die Fernmeldeüberwachung auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 G 10 ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet.
Die Eignung scheitert nicht an der großen Streubreite der Erfassungsmethode, die nur in vergleichsweise wenigen Fällen Erkenntnisse verspricht. Auf Gesetzesebene genügt es, wenn die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung besteht, die zugelassenen Maßnahmen also nicht von vornherein untauglich sind, sondern dem gewünschten Erfolg förderlich sein können (vgl. BVerfGE 90, 145 ≪172≫). Das ist hier der Fall.
Dem Eignungserfordernis wird auch auf der Anwendungsebene ausreichend Rechnung getragen. Zum einen verläuft die Überwachung in einer Abfolge von Verfahrensschritten, die die Maßnahmen konkretisieren und dabei deren Eignung fördern können. Die Bestimmung und Anordnung von Beschränkungen der Fernmeldeverkehrsbeziehungen sollen einen begrenzenden Rahmen für die Überwachungsmaßnahmen setzen. Sie erfolgen in geregelten Verfahren, zu deren Elementen insbesondere der begründungsbedürftige Antrag des Bundesnachrichtendienstes (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 G 10), die Festlegung der Suchbegriffe, die schon nach dem Gesetzestext zur Erreichung der Ziele der Fernmeldekontrolle geeignet sein müssen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 G 10), sowie die (Vorab-)Kontrolle durch das Abgeordnetengremium und die G 10-Kommission (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 2 G 10) gehören. Zum anderen unterliegt die Durchführung einer Überwachung der nachträglichen Kontrolle der G 10-Kommission nach § 9 G 10. Das Abgeordnetengremium nach § 9 Abs. 1 G 10 ist über die Durchführung des Gesetzes vom Bundesminister halbjährlich zu unterrichten.
Auch die Möglichkeit, Nachrichten zu verschlüsseln, stellt die Eignung der Überwachungsmaßnahmen nicht in Frage. Zwar können mittlerweile, wie der Sachverständige Pfitzmann in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, preiswerte Verschlüsselungstechniken erworben werden, die den Kommunikationsinhalt wirksam gegen jede Kenntnisnahme durch Dritte abschotten und bei der Verwendung steganographischer Methoden nicht einmal erkennen lassen, daß es sich um verschlüsselte Mitteilungen handelt. Die Verwendung von Verschlüsselungstechniken setzt aber voraus, daß Sender und Empfänger der Mitteilung über den Schlüssel verfügen. Das ist regelmäßig nur dort der Fall, wo die Kommunikationspartner in dauerhaften Beziehungen stehen. Bei der Anbahnung von Geschäften oder bei weit gestreuten oder lediglich sporadischen Verbindungen kommt der Einsatz dieser Techniken in der Regel nicht in Betracht.
Allerdings ist es in einigen der aufgezählten Gefahrenbereiche naheliegend, daß sich gerade die Zielpersonen oder -organisationen aufgrund ihres hohen Organisationsgrads und der Nutzung moderner Infrastrukturen der Fernmeldeüberwachung zu entziehen vermögen, während Unbeteiligte, die die Verschlüsselungstechniken – wie Journalisten angesichts ihrer Arbeitsbedingungen – nicht nutzen können, von ihr getroffen werden. Der Bundesnachrichtendienst selbst hat vorgetragen, daß sich der geringe Ertrag in den Feldern des internationalen Terrorismus und des Drogenhandels unter anderem mit der Verwendung von Codewörtern erklären lasse. Die Bundesregierung ist dem Einwand fehlender Eignung in der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis begegnet, daß nach den praktischen Erfahrungen nur relativ wenige der erfaßten Fernmeldebeziehungen verschlüsselt abliefen.
Danach ist die Frage, ob die Überwachung zwecks Früherkennung der jeweiligen Gefahren an der Inanspruchnahme von Verschlüsselungstechniken scheitert, jedenfalls nach derzeitigem Wissensstand nicht bereits abstrakt, sondern erst anhand praktischer Erfahrungen zu beurteilen. Auf gesetzlicher Ebene sind die zugelassenen Maßnahmen nicht von vornherein untauglich. Auf der Anwendungsebene haben der Bundesnachrichtendienst und die über die verfahrensrechtlichen Vorkehrungen eingeschalteten Kontrollinstanzen darauf zu achten, daß trotz der Verschlüsselungsmöglichkeit in den einzelnen Gefahrenbereichen, die Gegenstand einer Anordnung sind, die Eignung der Maßnahmen gewahrt bleibt.
c) Das Gesetz ist zur Erreichung seines Zwecks erforderlich. Ein gleich wirksames, die Grundrechtsträger aber weniger beeinträchtigendes Mittel steht nicht zur Verfügung. Insbesondere verspricht die Zusammenarbeit mit denjenigen Staaten, in denen sich die Gefahrenquellen befinden, keinen ähnlich großen Erfolg. Das liegt zum einen daran, daß die Zusammenarbeit bereits entsprechende Kenntnisse voraussetzt. Zum anderen ist es in dem Umstand begründet, daß die Gefahren in vielen Fällen gerade von staatlichen Stellen im Ausland herbeigeführt werden oder deren Billigung finden.
d) Die Beschränkungen des Telekommunikationsverkehrs nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 G 10 (Erfassung, Aufzeichnung, Speicherung, Abgleich) sind im wesentlichen auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Lediglich die Beschränkung zum Zweck der Erkennung im Ausland begangener Geldfälschungen (Nr. 5) wird diesem Erfordernis nicht gerecht.
aa) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, daß die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, daß der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen (vgl. etwa BVerfGE 65, 1 ≪44≫ m.w.N.). Der Gesetzgeber muß aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herbeiführen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wieviele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Kriterien sind also die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen. Diese hängt wiederum davon ab, ob die Gesprächsteilnehmer als Personen anonym bleiben, welche Gespräche und welche Inhalte erfaßt werden können (dazu etwa – auf der Grundlage des Maßstabs des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG – BVerfGE 34, 238 ≪247≫) und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Überwachungsmaßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden. Auf seiten der Gemeinwohlinteressen ist das Gewicht der Ziele und Belange maßgeblich, denen die Fernmeldeüberwachung dient. Es hängt unter anderem davon ab, wie groß die Gefahren sind, die mit Hilfe der Fernmeldeüberwachung erkannt werden sollen, und wie wahrscheinlich ihr Eintritt ist.
bb) Die Beeinträchtigung des Fernmeldegeheimnisses durch die angegriffene Vorschrift ist schwerwiegend.
Allerdings trifft die Auffassung des Beschwerdeführers zu 1) nicht zu, daß der Gesetzgeber die von Art. 10 GG geschützte Vertraulichkeit der Telekommunikation völlig aufgehoben und damit den Wesensgehalt des Grundrechts im Sinn von Art. 19 Abs. 2 GG angetastet habe. Eine „globale und pauschale Überwachung”, die das Grundgesetz auch zu Zwecken der Auslandsaufklärung nicht zuließe (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪174≫), findet ebensowenig statt wie eine voraussetzungslose Erfassung sämtlicher Fernmeldekontakte bestimmter Grundrechtsträger. Vielmehr bleibt die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs sowohl rechtlich als auch tatsächlich begrenzt.
Eine Begrenzung folgt zunächst daraus, daß Gegenstand der Überwachung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 G 10 nur der internationale nicht leitungsgebundene Verkehr ist. Der inländische Verkehr bleibt von den Maßnahmen ausgenommen. Der leitungsgebundene Verkehr darf nur zur Erkennung der Gefahr eines bewaffneten Angriffs, nicht jedoch hinsichtlich der übrigen, neu in das Gesetz aufgenommenen Gefahren in die Beschränkung einbezogen werden (§ 3 Abs. 1 Satz 3 G 10). Der nicht leitungsgebundene, also über Richtfunk oder Satellit geleitete Verkehr beträgt derzeit etwa zehn Prozent des gesamten Fernmeldeaufkommens, wird allerdings nach Auskunft des Sachverständigen Wiesbeck aufgrund des technischen Fortschritts künftig zunehmen.
Ob ein bestimmter Kommunikationsvorgang leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden verläuft, wird nach den Darlegungen der Sachverständigen je nach Kapazität und Auslastung der Übertragungswege automatisch gesteuert und ist folglich weder für die Kommunikationspartner noch für den Bundesnachrichtendienst vorhersehbar. Schon aus diesen Gründen ist eine flächendeckende Erfassung jedenfalls des internationalen Fernmeldeverkehrs nicht zu besorgen. Der Einzelne muß zwar bei jedem Fernmeldekontakt mit dem Ausland mit der Möglichkeit einer Erfassung durch den Bundesnachrichtendienst rechnen. Daß es tatsächlich zu einer Erfassung kommt, wird aber nur selten der Fall sein.
Innerhalb der internationalen nicht leitungsgebundenen Fernmeldekontakte wird die Erfassung weiter durch den Umstand gemindert, daß nach Auskunft des Sachverständigen Wiesbeck der sogenannte Uplink technisch nur begrenzt beobachtet werden kann, im wesentlichen also nur der sogenannte Downlink aufgefangen wird. Eine Zusammenfügung der beiden Kommunikationsbestandteile ist nach Darlegung des Sachverständigen technisch zwar möglich, würde aber eine aufwendige Kooperation zwischen den Empfangsanlagen im Uplink- und Downlink-Gebiet voraussetzen. Im Ergebnis führen diese Gegebenheiten dazu, daß bei Satelliten mit gebündelter Ausleuchtzone die aus einer einzelnen Fernmeldekommunikation erfaßbaren Anteile beschränkt sind und Beiträge beider Seiten nur bei den älteren Satelliten mit weiter Ausleuchtzone aufgezeichnet werden.
Eingrenzungen ergeben sich ferner aus dem Erfordernis der Bestimmung und Anordnung von Beschränkungen des Fernmeldeverkehrs, die wiederum eine hinreichende Darlegung der Gefahrenlage durch den Bundesnachrichtendienst und – angesichts der begrenzten Kapazität – die Erwartung eines hinreichenden Ertrags voraussetzen. Wie sich gezeigt hat, können sie ihre begrenzende Wirkung in der Praxis auch tatsächlich entfalten. Denn hinsichtlich der Gefahrenfelder des internationalen Terrorismus und des Drogenschmuggels sind die Anordnungen wegen des geringen Ertrags der Überwachung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 G 10 nicht verlängert worden.
Andererseits treffen aber auch die Annahmen, auf deren Grundlage das Bundesverfassungsgericht 1984 das Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung als relativ gering eingestuft hatte (BVerfGE 67, 157), inzwischen nicht mehr zu. Das Gericht war seinerzeit davon ausgegangen, daß die vom Gesetz geforderte Bestimmung und Anordnung unter Einschaltung des Abgeordnetengremiums zu einer engen geographischen Begrenzung der Überwachungsgebiete und ebenso zu einer engen Begrenzung der überwachten Kommunikationswege führe (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 174). Die strategische Überwachung wurde für verhältnismäßig erachtet, weil sie einem besonders gewichtigen Zweck, nämlich der Verhütung eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik, diene, die Wahrscheinlichkeit, von der Kontrolle betroffen zu werden, für den Einzelnen äußerst gering sei und diese ihn im Fall der Betroffenheit wegen der prinzipiell gewahrten Anonymität der Kommunikationspartner nur geringfügig belaste (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 178 f.).
Zwar bedarf die Fernmeldeüberwachung gemäß § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 G 10 nach wie vor der Bestimmung und Anordnung durch den zuständigen Bundesminister und der Zustimmung durch das Abgeordnetengremium nach § 9 G 10. Doch hat sich der eingriffsbegrenzende Effekt dieser Vorkehrungen durch die Veränderung des tatsächlichen und rechtlichen Umfeldes erheblich verringert. Solange die strategische Fernmeldeüberwachung aufgrund der ursprünglichen Fassung des G 10 allein der Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland galt und eine solche Gefahr nach politischer Einschätzung nur vom Ostblock ausging, beschränkte sich die Aufklärung auf das Gebiet des Warschauer Paktes. Zudem betraf die Anordnung unter den gegebenen technischen Verhältnissen stets einzelne Übertragungswege, sogenannte Korridore wie etwa näher bestimmte Sammelkabel für die Übermittlung von Ferngesprächen in dieses Gebiet.
Inzwischen sind die Gefahren, über die Erkenntnisse gewonnen werden sollen, quantitativ durch die Hinzufügung der Nummern 2 bis 6 erheblich ausgeweitet worden. Infolgedessen entfällt die Beschränkung auf einen einzigen Krisenherd. Der Bereich, der für Überwachungsmaßnahmen in Frage kommt, ist damit geographisch erheblich ausgeweitet worden. Der Umfang der erfaßten Fernmeldeverkehrsbeziehungen hat sich durch die Beobachtung von Satellitenradien beträchtlich vergrößert. Der Begrenzung der Überwachung dienen unter diesen Umständen vor allem die in der Anordnung genehmigten Suchbegriffe im Sinn von § 3 Abs. 2 G 10, die die Selektion der aufgefangenen Fernmeldekontakte steuern.
Schließlich ist die Anonymität der Kommunikation nicht mehr in derselben Weise gewährleistet wie früher. Zwar dürfen die Suchbegriffe gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 G 10 – von der hier nicht zur Prüfung stehenden Ausnahme in Satz 3 abgesehen – keine Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Fernmeldeverkehre führen. Dieses Verbot schirmt diejenigen Anschlüsse, für die es gilt, jedoch nicht mehr in derselben Weise wie früher gegen eine Identifizierung der Inhaber ab. Der Grund liegt zum einen darin, daß, bedingt durch die technische Entwicklung, die Verbindungsdaten miterfaßt und vorgehalten werden. Zum anderen geht die Individualisierung darauf zurück, daß die neu in das Gesetz aufgenommenen Gefahren im Unterschied zur Kriegsgefahr stärker subjektbezogen sind und auch nach der Darlegung des Bundesnachrichtendienstes vielfach erst im Zusammenhang mit der Individualisierung der Kommunikationspartner die angestrebte Erkenntnis liefern.
In der gegenwärtigen Praxis überwacht der Bundesnachrichtendienst nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vorwiegend den über Fernmeldesatelliten geleiteten Telex- und Telefax-Verkehr. Telefonverkehre werden nur in sehr geringem Maß und über Funk geleitete Kommunikationen bislang gar nicht erfaßt. Nach den in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erwägungen wird die Ausdehnung der Beobachtung auf E-mail angestrebt. Bei derzeitigem Stand gelangen nach den – im Ergebnis in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert in Frage gestellten – Angaben des Bundesnachrichtendienstes täglich rund 15.000 Telekommunikationsverkehre in die Umwandlungsgeräte. 14.000 davon werden auf der Grundlage der Rechtsansicht, Art. 10 GG und das G 10 griffen nicht, der Aufgabenzuweisung des § 1 BNDG zugeordnet. Im übrigen sind etwa 700 Verkehre G 10-relevant, 70 enthalten Suchbegriffe und werden von Mitarbeitern bearbeitet, 20 erscheinen einschlägig und kommen in die Auswertung. Der gegenwärtige Umfang der Erfassung ist freilich nicht gesetzlich vorgegeben, sondern vor allem durch die vorhandenen technischen und personellen Kapazitäten bedingt und daher ohne Rechtsverstoß ausweitbar.
Bei der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung fällt ins Gewicht, daß jeder Teilnehmer am internationalen Telekommunikationsverkehr den Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt ist, ohne daß dies mit seinem Verhalten in irgendeiner Weise in Beziehung gebracht werden könnte oder durch ihn veranlaßt wäre. Inhaltlich werden Kommunikationsbeiträge jeder Art in vollem Umfang erfaßt. Die Kenntnisnahme durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes ist dabei nicht ausgeschlossen. Insoweit bleibt es nicht ohne Auswirkungen, daß die Suchbegriffe die ihnen vom Gesetzgeber zugedachte Funktion, den menschlichen Zugriff auf das erlangte Material entbehrlich zu machen, bis der Abgleich stattgefunden hat, aufgrund des Standes der Technik nur unvollkommen erfüllen.
Nach den von den Sachverständigen bestätigten Darlegungen des Bundesnachrichtendienstes ist lediglich der – freilich immer seltener verwendete – Telex-Verkehr maschinell vollständig abgleichbar, während Telefax-Verkehr nur in begrenztem Umfang und Telefonverkehr noch gar nicht maschinell abgleichbar sind. Daraus erklärt es sich, daß die weitaus meisten Erkenntnisse mittels sogenannter formaler Suchbegriffe (ausländische Anschlußnummern) aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 3 G 10 gewonnen werden. Spracherkennungsverfahren sind nach Aussage des Sachverständigen Waibel trotz stetiger Verbesserung im Anwendungsbereich des G 10 noch nicht effektiv einsetzbar und werden auch in absehbarer Zeit nicht ohne Hinzuziehung von Menschen leistungsfähig sein. Unabhängig von der Praxis des Bundesnachrichtendienstes ist der Abgleich durch Mitarbeiter, auch wenn der Gesetzgeber sich einen automatischen Abgleich vorgestellt haben mag, gesetzlich nicht ausgeschlossen.
Bei der Intensität des Grundrechtseingriffs ist ferner die fehlende Anonymität der Kommunikationsteilnehmer zu berücksichtigen. Der Personenbezug der Erkenntnisse bleibt nicht auf die Erfassungs- und Aufzeichnungsphase beschränkt. Er wird vielmehr in der Praxis aufrechterhalten. Nach den Darlegungen des Bundesnachrichtendienstes ist dies im Rahmen der Auswertung jedenfalls teilweise nötig, damit die Erkenntnisse beurteilt und eingeordnet werden können. Temporäre Speicher, die es ermöglichen, auf die Verbindungsdaten erst dann zurückzugreifen, wenn sich ein Personenbezug auch zur Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes als erforderlich erweist, werden – obwohl technisch prinzipiell möglich – nicht verwendet.
Die Nachteile, die objektiv zu erwarten sind oder befürchtet werden müssen, können schon mit der Kenntnisnahme eintreten. Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer Aufzeichnung, späteren Auswertung, etwaigen Übermittlung und weiteren Verwendung durch andere Behörden kann schon im Vorfeld zu einer Befangenheit in der Kommunikation, zu Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen, hier insbesondere zur Vermeidung bestimmter Gesprächsinhalte oder Termini, führen. Dabei ist nicht nur die individuelle Beeinträchtigung einer Vielzahl einzelner Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Vielmehr betrifft die heimliche Überwachung des Fernmeldeverkehrs auch die Kommunikation der Gesellschaft insgesamt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht dem – insofern vergleichbaren – Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch einen über das Individualinteresse hinausgehenden Gemeinwohlbezug zuerkannt (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪43≫).
cc) Auf der anderen Seite fällt ins Gewicht, daß die Grundrechtsbeschränkungen dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter dienen.
Überwachungsmaßnahmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 G 10 sollen Erkenntnisse über verteidigungspolitisch relevante Tatsachen zu Tage fördern, damit Gefahren bewaffneter Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig erkannt werden können. Zwar hat sich die Bedrohungslage mit der Auflösung des Warschauer Paktes verändert. Das Gesetz ist jedoch nicht an diejenige historische Konstellation gebunden, die dem Gesetzgeber bei seinem Erlaß vor Augen stand. Vielmehr bleibt es auch dann anwendbar, wenn die Gefahr, der begegnet werden soll, sich verlagert hat. Das ist bei der Kriegsgefahr der Fall. Auch nach der Auflösung des Warschauer Paktes ist diese Gefahr nicht gebannt.
In den neuen Überwachungsfeldern haben sich gesteigerte Gefahren wegen der Zunahme international organisierter Kriminalität, insbesondere im Bereich des illegalen Handels mit Kriegswaffen und Rauschgift oder der Geldwäsche, entwickelt. Auch wenn diese Aktivitäten einem bewaffneten Angriff an Gewicht nicht völlig gleichzustellen sind, werden die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik dadurch jedenfalls in erheblichem Maß berührt. Gefahren in den bezeichneten Feldern sind auch nicht fernliegend. Im Bereich der Proliferation hat die Bundesregierung dafür hinreichende und allgemein bekannte Beispiele angeführt.
Die Gefahren, die ihre Quelle durchweg im Ausland haben und mit Hilfe der Befugnisse erkannt werden sollen, sind von hohem Gewicht. Das gilt unverändert für die Gefahr eines bewaffneten Angriffs, aber auch, wie vom Bundesnachrichtendienst hinreichend geschildert, für Proliferation und Rüstungshandel oder für den internationalen Terrorismus. Ebenso hat das hinter der Aufgabe der Auslandsaufklärung stehende Ziel, der Bundesregierung Informationen zu liefern, die von außen- und sicherheitspolitischem Interesse für die Bundesrepublik Deutschland sind, erhebliche Bedeutung für deren außenpolitische Handlungsfähigkeit und außenpolitisches Ansehen.
dd) Bei einer Abwägung, die diese Gesichtspunkte einbezieht, läßt sich § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 G 10 verfassungsrechtlich nicht beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zu 1) folgt die Unverhältnismäßigkeit der Überwachungs- und Aufzeichnungsbefugnisse und der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen nicht schon aus dem Fehlen von Einschreitschwellen, wie sie traditionell die konkrete Gefahr im Bereich der Gefahrenabwehr und der hinreichende Tatverdacht im Bereich der Strafverfolgung darstellen. Zwar geschieht die Beobachtung der Fernmeldekommunikation verdachtslos. Der Grundrechtseingriff erschöpft sich auch nicht in dem allgemeinen Risiko, einem unberechtigten Verdacht ausgesetzt zu werden. Im Rahmen von Bestimmung und Anordnung kann vielmehr ohne weiteres jedermann Objekt von Überwachungsmaßahmen werden.
Die unterschiedlichen Zwecke rechtfertigen es aber, daß die Eingriffsvoraussetzungen im G 10 anders bestimmt werden als im Polizei- oder Strafprozeßrecht. Als Zweck der Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst kommt wegen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 1 GG nur die Auslandsaufklärung im Hinblick auf bestimmte außen- und sicherheitspolitisch relevante Gefahrenlagen in Betracht. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß es um die äußere Sicherheit der Bundesrepublik geht, vom Ausland her entstehende Gefahrenlagen und nicht vornehmlich personenbezogene Gefahren- und Verdachtssituationen ihren Gegenstand ausmachen und entsprechende Erkenntnisse anderweitig nur begrenzt zu erlangen sind. Der Bundesnachrichtendienst hat dabei allein die Aufgabe, zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen zu sammeln, auszuwerten und der Bundesregierung über die Berichtspflicht Informations- und Entscheidungshilfen zu liefern.
Zwar würden selbst die großen Gefahren, denen mit Hilfe der Fernmeldeüberwachung begegnet werden soll, eine Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Auslandsaufklärung ohne jegliche Voraussetzungen und Begrenzungen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Das Gesetz hat aber auf solche Voraussetzungen nicht verzichtet. In § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10 sind vielmehr bestimmte materielle Kriterien und verfahrensrechtliche Sicherungen enthalten. Zu den materiellen Voraussetzungen gehört insbesondere, daß nur Nachrichten über Sachverhalte gesammelt werden dürfen, deren Kenntnis zur rechtzeitigen Erkennung der Gefahrenlagen notwendig ist. Verfahrensrechtlich setzen Bestimmung und Anordnung unter anderem die schlüssige Darlegung im Antrag des Bundesnachrichtendienstes voraus, warum die betroffenen Fernmeldeverkehrsbeziehungen rechtzeitig Aufschluß über eine der relevanten Gefahren geben könnten.
Unter Berücksichtigung der Sicherungen, die im G 10 getroffen sind, erscheint die Erfassung und Aufzeichnung für die Zwecke der Unterrichtung der Bundesregierung nicht unangemessen. Die Zahl der erfaßten Telekommunikationsbeziehungen ist zwar nicht gering, verglichen mit der Gesamtzahl aller oder auch nur der internationalen Fernmeldekontakte aber vergleichsweise niedrig. Dabei kommt insbesondere dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 G 10 enthaltenen Verbot der gezielten Überwachung bestimmter individueller Anschlüsse Bedeutung zu. Ohne ein solches Verbot wäre die Verhältnismäßigkeit angesichts der Verdachtslosigkeit der Eingriffe, der Breite der erfaßten Fernmeldekontakte und der Identifizierbarkeit der Beteiligten nicht gewahrt. Über die Verfassungsmäßigkeit von § 3 Abs. 2 Satz 3 G 10 hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu befinden, weil die Beschwerdeführer, deren Verfassungsbeschwerde zulässig ist, von dieser Vorschrift nicht betroffen sind. Auch wenn die freie Kommunikation, die Art. 10 GG sichern will, bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung von Fernmeldevorgängen gestört sein kann, erhält diese Gefahr ihr volles Gewicht doch erst durch die nachfolgende Auswertung und vor allem die Weitergabe der Erkenntnisse. Insoweit kann ihr aber auf der Ebene der Auswertungs- und Übermittlungsbefugnisse ausreichend begegnet werden.
ee) Bezüglich der in Nummer 5 der Vorschrift genannten Gefahr der im Ausland begangenen Geldfälschung ist die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn allerdings nicht gewahrt.
Bei der Geldfälschung handelt es sich weder um eine Gefahr, die in ihrer Schwere einem bewaffneten Angriff nahekommt oder derart gewichtige Rechtsgüter betrifft wie die übrigen durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz in § 3 G 10 eingefügten Gefahrentatbestände, noch haftet ihr in allen Begehungsformen dasjenige Gefahrenpotential an, das den übrigen Tatbeständen eignet. Geldfälschungen bilden keine notwendig mit dem Ausland verbundene und nicht zwingend eine erhebliche Gefahr für Bestand und Sicherheit der Bundesrepublik. Das schließt es nicht aus, daß in einzelnen Fällen Geldfälschungen großen Stils, die im Ausland erfolgen, die Geldwertstabilität der Bundesrepublik und damit die Wirtschaftskraft des Landes in einem Maß beeinträchtigen, das den anderen Gefahren nahekommt. Die Norm nimmt aber eine Eingrenzung auf solche Fälle nicht vor. Das Ausmaß der Gefahr und das Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung geraten insofern außer Verhältnis.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 G 10 kann freilich durch entsprechende Eingrenzungen eine mit dem Grundgesetz vereinbare Fassung erhalten. Er ist daher nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen.
IV.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 G 10, die den Bundesnachrichtendienst verpflichtet zu prüfen, ob die mittels der Fernmeldeüberwachung erlangten personenbezogenen Daten für die Zwecke, die diese Maßnahmen legitimieren, erforderlich sind, ist für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt aber der aus Art. 10 GG folgenden Anforderung der Zweckbindung und dem Übermaßverbot nicht hinreichend Rechnung und ist insofern mit dem Fernmeldegeheimnis und der ergänzend hinzutretenden Pressefreiheit unvereinbar.
Zwar genügt § 3 Abs. 4 G 10 dem Grundsatz der Zweckbindung, soweit er verlangt, daß der Bundesnachrichtendienst die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis stammenden personenbezogenen Daten auf ihre Zweckentsprechung prüft. Ferner wird diesem Grundsatz dadurch Rechnung getragen, daß § 3 Abs. 6 Satz 1 G 10 die Vernichtung oder Löschung der Daten anordnet, wenn die Prüfung ihre Entbehrlichkeit für die Zwecke des Bundesnachrichtendienstes ergeben hat. Das Gesetz bietet aber keine ausreichende Gewähr dafür, daß bezüglich der nicht vernichteten und nicht gelöschten Daten die Bindung an den Zweck gewahrt bleibt, der die Datenerhebung rechtfertigt. Andere Verwendungsmöglichkeiten als die Früherkennung der im Gesetz aufgezählten Gefahren und eine entsprechende Unterrichtung der Bundesregierung sind nicht ausgeschlossen. Die im BND-Gesetz enthaltenen Regelungen über die Verarbeitung und Verwertung personenbezogener Daten vermögen diese Lücke nicht zu schließen. Die Anwendung der allgemeinen Zweckbindung aus § 14 des Bundesdatenschutzgesetzes schließt § 11 BNDG aus. Überdies berücksichtigt § 3 Abs. 4 G 10 nicht die aus Art. 10 GG folgende Kennzeichnungspflicht, ohne die der Gegenstand des Grundrechtsschutzes bei weiteren Verarbeitungsschritten nicht mehr identifizierbar ist.
Auch eine dem Übermaßverbot gerecht werdende Schwelle für die weitere Auswertung sieht die angegriffene Regelung nicht vor. § 3 Abs. 3 G 10, der bestimmte Anforderungen an die Verwertung der Daten stellt, bezieht sich nicht auf den Bundesnachrichtendienst. Mit seinem Verwendungszweck der Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten richtet er sich vielmehr an jene Behörden, denen der Bundesnachrichtendienst gemäß § 3 Abs. 5 G 10 Erkenntnisse zu übermitteln hat. Bestimmungen, die gewährleisten, daß der Bundesnachrichtendienst nur solche aus der Fernmeldeüberwachung stammenden Daten auswerten darf, die eine hinreichende nachrichtendienstliche Relevanz für die in § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 G 10 bezeichneten Gefahrenfelder haben, enthält das Gesetz nicht. Das Fehlen einer derartigen Schwelle ist auch im Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG von Bedeutung, weil sie es sicherstellen würde, daß der Bundesnachrichtendienst den besonders gewichtigen Belangen des Informantenschutzes und der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit Rechnung trägt.
Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil sie mit den Anforderungen, die Art. 10 GG an die Bestimmtheit und Klarheit von Normen richtet, nicht im Einklang stünde. Da die Norm lediglich ergänzungsbedürftig ist, führen die Mängel aber nicht zu ihrer Nichtigkeit, sondern nur zur Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen.
V.
Auch die Berichtspflicht des Bundesnachrichtendienstes gegenüber der Bundesregierung, die sich aus § 12 BNDG ergibt und hier nur insoweit angegriffen worden ist, als sie nach § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 von den Beschränkungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 unberührt bleibt, ist nicht mit ausreichenden Sicherungen des Fernmeldegeheimnisses verbunden.
Art. 10 GG (und – soweit es sich um Kommunikationen handelt, die der Pressefreiheit unterfallen – Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) erstreckt seine Wirkung auch auf die Berichtspflicht, denn die Unterrichtung der Bundesregierung gehört zu denjenigen Verwendungszwecken, in deren Interesse dem Bundesnachrichtendienst das Recht der Fernmeldeüberwachung eingeräumt worden ist. Der Schutz wird auch nicht etwa deswegen entbehrlich, weil bei der Erfüllung der Berichtspflicht personenbezogene Daten keine Rolle spielten. Die Berichtspflicht verlangt vom Bundesnachrichtendienst nicht nur die Erstellung von Lageanalysen. Er ist vielmehr, wie § 12 BNDG ausdrücklich hervorhebt, auch zur Übermittlung personenbezogener Daten ermächtigt.
Zwar läßt es sich nicht beanstanden, daß § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 die Berichtspflicht nach § 12 BNDG von den Verwendungsbeschränkungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 ausnimmt, denn die dort vorgesehenen Beschränkungen sind nicht auf die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes zugeschnitten. Mit Art. 10 GG ist es aber unvereinbar, daß auch keine Bindung an die die Fernmeldekontrolle legitimierenden Zwecke des § 1 Abs. 1 und des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10 vorgesehen ist. Ferner liegt in der fehlenden Kennzeichnungspflicht der personenbezogenen Daten ein Verstoß gegen Art. 10 GG.
An entsprechenden Sicherungen fehlt es auch gegenüber der Bundesregierung. Die Schutzwirkung von Art. 10 GG beschränkt sich nicht auf den Bundesnachrichtendienst als datenerhebende, sondern erfaßt ebenso die Bundesregierung als datenempfangende Stelle. Ihr gegenüber ist das Schutzbedürfnis der Grundrechtsträger sogar noch größer als gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Denn während dieser auf die Beobachtung und Auswertung von Vorgängen beschränkt bleibt, ohne über exekutivische Befugnisse zu verfügen, hat die Bundesregierung als politisches Organ und als Spitze der staatlichen Exekutive auf Bundesebene Mittel, ihre Kenntnis in Maßnahmen umzusetzen, die die von der Fernmeldeüberwachung betroffenen Personen erheblich beeinträchtigen können.
Die Bundesregierung, zu deren Unterrichtung die Daten bestimmt sind, darf diese daher ebenfalls nicht beliebig verwenden. Die Kenntnisnahme von Inhalt oder Umständen von Fernmeldekontakten wird ihr vielmehr nur gestattet, damit sie die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 G 10 genannten Gefahren rechtzeitig erkennen und Maßnahmen zu ihrer Abwehr ergreifen kann. Auch ihr ist daher eine Aufbewahrung oder Verwendung dieser Daten für andere Zwecke nicht gestattet.
Da die angegriffene Norm für sich betrachtet der Verfassung nicht widerspricht, sondern nur ergänzungsbedürftig ist, führt der Mangel auch hier nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustands verpflichtet. An welcher Stelle er dieser Pflicht nachkommt, überläßt das Grundgesetz seinem gesetzgeberischen Ermessen.
VI.
Die Regelung in § 3 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 G 10, die den Bundesnachrichtendienst verpflichtet, aus der Fernmeldeüberwachung erlangte Daten anderen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu übermitteln, ist ebenfalls nicht in vollem Umfang mit den Maßgaben des Art. 10 GG und des ergänzend hinzutretenden Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar.
1. Der Zweck der Regelung begegnet allerdings keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Daten und Informationen, die der Bundesnachrichtendienst in Erfüllung seiner Aufgaben aus der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs gewonnen hat, sollen, sofern sie auf strafbares Verhalten bestimmter Personen hindeuten, für die Verhütung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten nutzbar gemacht werden. Der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kommt nach dem Grundgesetz hohe Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren – zur Überführung von Straftätern ebenso wie zur Entlastung Unschuldiger – betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (vgl. BVerfGE 77, 65 ≪76≫ m.w.N.; 80, 367 ≪375≫).
2. Der Gesetzgeber ist auch der Anforderung nachgekommen, die Zwecke, zu denen personenbezogene Daten übermittelt und weiter verwendet werden dürfen, bereichsspezifisch und präzise festzulegen (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪46≫). Eine Übermittlung an die in § 3 Abs. 5 G 10 im einzelnen aufgezählten Empfangsbehörden ist nach dieser Vorschrift nur statthaft, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Norm knüpft damit an die nachrichtendienstlichen Aufgaben, an die Verwaltungs- und Überwachungsaufgaben sowie an die Aufgaben der Straftatenverhütung, Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung an, die den Empfangsbehörden jeweils zugewiesen sind, und § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 grenzt im Rahmen der Aufgaben dieser Behörden die Verwendungszwecke weiter auf die Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung der in dem Katalog aufgelisteten Straftaten ein.
3. Die Zwecke sind ferner mit dem ursprünglichen Zweck, der die Erhebung der Daten unter Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses gerechtfertigt hat (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪62≫), vereinbar.
Zwar ist die verdachtslose Fernmeldeüberwachung, die der Bundesnachrichtendienst vornehmen darf, nur zur strategischen Kontrolle zulässig. Ihr Charakteristikum besteht darin, daß sie nicht auf Maßnahmen gegenüber bestimmten Personen abzielt, sondern internationale Gefahrenlagen betrifft, über die die Bundesregierung unterrichtet werden soll. Nur dieser begrenzte Verwendungszweck rechtfertigt die Breite und die Tiefe der Grundrechtseingriffe. Zielten sie von vornherein auf Zwecke der Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten, ließe sich die Befugnis dazu nicht mit Art. 10 GG vereinbaren (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪180 f.≫). Grundrechtsgebotene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden dürfen nicht dadurch umgangen werden, daß Daten, die mit einer solchen Methode rechtmäßigerweise zu bestimmten Verwendungszwecken erhoben worden sind, in gleicher Weise auch für Zwecke zugänglich gemacht werden, die einen derartigen Methodeneinsatz nicht rechtfertigen würden.
Art. 10 GG schließt aber nicht jegliche Übermittlung an Behörden aus, denen eine verdachtslose Fernmeldeüberwachung nicht zusteht oder nicht zugestanden werden dürfte. Da der Bundesnachrichtendienst aufgrund der ihm gestatteten Methode notwendig eine Vielzahl von Fernmeldevorgängen erfaßt, die von vornherein für die Empfangsbehörden irrelevant sind, muß allerdings sichergestellt sein, daß diesen nicht der Zugang zu dem vollen Datenbestand eröffnet wird. Dagegen widerspricht es dem Primärzweck nicht, daß diejenigen Erkenntnisse, die – obwohl unter anderen Gesichtspunkten erhoben – für die Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten relevant sind, nach sorgfältiger Prüfung an die in § 3 Abs. 5 G 10 genannten Behörden weitergegeben werden. Mit den Vorgaben der angegriffenen Übermittlungsregelung – Übermittlungsschwelle sowohl nach § 3 Abs. 5 Satz 1 als auch nach § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10, besondere Prüfung durch einen Bediensteten mit Befähigung zum Richteramt in § 3 Abs. 5 Satz 2 G 10 – sind die insoweit zu stellenden Anforderungen erfüllt.
4. Mit dem Übermaßverbot lassen sich die angegriffenen Bestimmungen dagegen nicht in vollem Umfang vereinbaren.
a) Allerdings fehlt es nicht schon an der Eignung und Erforderlichkeit der Regelung zur Zweckerreichung.
Daß die Weitergabe der Daten an Behörden, zu deren Aufgaben die Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten gehört, der Erfüllung dieser Aufgaben zugute kommt, liegt auf der Hand. In den Kreis der Empfänger sind auch keine Behörden einbezogen worden, die zur Erreichung des Gesetzeszwecks nichts beitragen können. Diejenigen Stellen, die nicht mit Aufgaben der Strafverfolgung befaßt sind, sondern nur nachrichtendienstliche oder administrative Funktionen wahrnehmen, haben im Rahmen ihrer Aufgaben jedenfalls die Möglichkeit, Straftaten zu verhüten.
Ein milderes Mittel, das denselben Erfolg verspräche, ist nicht ersichtlich. Die Empfangsbehörden könnten mit den ihnen eingeräumten Befugnissen diejenigen Informationen, über welche der Bundesnachrichtendienst aufgrund seiner weitergehenden Ermächtigung zur Überwachung der Telekommunikation verfügt, nicht erlangen. Im übrigen hat der Gesetzgeber die Erforderlichkeit dadurch gesichert, daß die Weitergabepflicht auf die zur Erfüllung der Aufgaben der Empfänger notwendigen Daten begrenzt ist.
b) Der Gesetzgeber ist aber den Anforderungen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn an grundrechtsbeschränkende Regelungen stellt, nicht ausreichend gerecht geworden.
aa) Dieser Grundsatz verbietet Grundrechtseingriffe, die ihrer Intensität nach außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Bürger hinzunehmenden Einbußen stehen (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪54≫). Bedeutung der Grundrechte und Grundrechtsbegrenzungen sind vielmehr in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muß die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein (vgl. BVerfGE 67, 157 ≪173, 178≫; stRspr).
Die Schwere des Eingriffs ergibt sich daraus, daß in der Übermittlung der personenbezogenen Daten eine erneute Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses liegt, die größere Beeinträchtigungen als der Ersteingriff zur Folge haben kann. Die Wirkung der Datenübermittlung erschöpft sich nicht in der Ausweitung des Personenkreises, der von den Telekommunikationsumständen und -inhalten Kenntnis erhält. An die Kenntnisnahme können sich vielmehr Maßnahmen gegen die von der Überwachung Betroffenen anschließen. Während der Bundesnachrichtendienst personenbezogene Maßnahmen gar nicht ergreifen kann und auch die Bundesregierung, die er über bestimmte Gefahrenlagen zu unterrichten hat, im Rahmen ihrer politischen Gegenstrategien nicht gegen die Kommunikationsteilnehmer vorgeht, werden die Behörden, denen die Daten nach § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 zu übermitteln sind, regelmäßig Ermittlungen gegen die Betroffenen einleiten, die zu weiteren Nachforschungen und gegebenenfalls zur Einleitung von Strafverfahren führen können.
Dabei spielt es für die Intensitiät der Beeinträchtigung ferner eine Rolle, daß der Bundesnachrichtendienst die Erkenntnisse mit Hilfe einer Methode gewonnen hat, die wegen ihrer Verdachtslosigkeit und Streubreite das Fernmeldegeheimnis besonders nachhaltig berührt und mit Art. 10 GG nur deswegen vereinbar ist, weil sie lediglich strategischen Zwecken dient und eine Identifizierung der Kommunikationsteilnehmer allein zur Deutung der stets bruchstückhaften und daher interpretationsbedürftigen Informationen erfordert. Unter diesen Umständen läßt sich die Angemessenheit der Übermittlung nur dann wahren, wenn die Belange, denen sie dient, das Fernmeldegeheimnis überragen, und wenn die Annahme, daß die Daten für diese Belange relevant und die Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Straftaten verwickelt sind, eine sichere Basis hat. Fehlt es daran, sind die Grenzen des Zumutbaren überschritten.
Zwingend geboten ist daher ein hohes Gewicht des jeweils in Rede stehenden Rechtsguts. Zwingend geboten ist außerdem eine hinreichende Tatsachenbasis für den Verdacht, daß Straftaten geplant oder begangen werden. Je gewichtiger das Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde oder worden ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen.
Je gewichtiger das Rechtsgut ist, desto weiter darf auch die Übermittlungsschwelle bereits in das Vorfeld einer drohenden Rechtsgutverletzung verlagert werden. Das Rechtsgut muß überragend wichtig sein, wenn Planungshandlungen im Verbund mit der Voraussetzung tatsächlicher Anhaltspunkte als Schwelle für die Datenübermittlung genügen sollen (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪18≫). Beschränkt sich der Gesetzgeber demnach bei der Bestimmung des Schutzguts auf wenige hochrangige Rechtsgüter und ist der Schaden, der diesen droht, außergewöhnlich groß, so ist es ihm nicht verwehrt, die Übermittlungsschwelle relativ niedrig zu halten. Weitet er dagegen den Katalog der Schutzgüter beträchtlich aus und bezieht auch Handlungen in die zu verhütenden Erfolge ein, die einen relativ geringen Gefährdungsgrad aufweisen, muß er umgekehrt die Übermittlungsschwelle hoch ansetzen.
bb) Diese Ausgewogenheit der zur Übermittlung berechtigenden Tatbestandselemente hat der Gesetzgeber nicht in allem erreicht. Zwar bestehen gegen § 3 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 G 10 insoweit keine Bedenken, als er die Datenübermittlung in bezug auf Personen zuläßt, gegen die Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses nach § 2 G 10 angeordnet sind. Dagegen ist die Ausgestaltung des Tatbestands bei der Verdachtsalternative nicht hinreichend begrenzt. Das ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Straftatenkatalogs, der Tatsachengrundlage für den Verdacht von Straftaten und der zeitlichen Erstreckung der Rechtsgutgefährdung.
Der Katalog der Straftaten, zu deren Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung der Bundesnachrichtendienst personenbezogene Daten, die er mittels der Fernmeldeüberwachung erlangt hat, anderen Behörden übermitteln darf, ist außerordentlich heterogen zusammengesetzt. Er beschränkt sich nicht auf Verbrechen, sondern bezieht auch Vergehen ein. Einerseits enthält er Straftaten, deren Begehung höchstrangige Gemeinschaftsgüter schädigt oder gar die Fähigkeit des Staates zum Rechtsgüterschutz insgesamt bedroht. Zum Teil entsprechen sie in ihrem Gewicht den Straftaten, die nach § 2 G 10 die Anordnung von Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen gegen bestimmte Personen rechtfertigen, oder übersteigen sie sogar. Dazu zählt zum Beispiel die in § 138 StGB aufgeführte Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie (§ 310 b StGB). Andere halten sich dagegen im mittleren Kriminalitätsfeld wie etwa die ebenfalls in § 138 StGB genannte Fälschung von Euroscheck-Vordrucken in minderschweren Fällen (§ 152 a Abs. 2 StGB) oder der in § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 genannte Subventionsbetrug (§ 264 StGB).
Ferner ist die tatsächliche Basis, die die Annahme eines Tatverdachts rechtfertigt, verglichen mit derjenigen, die etwa § 100 a StPO für Überwachungen der Telekommunikation fordert, relativ niedrig angesetzt. Während dort „bestimmte Tatsachen” den Verdacht begründen müssen, daß jemand Straftaten begeht oder, falls der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat, genügen für die Übermittlung nach § 3 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 3 G 10 „tatsächliche Anhaltspunkte”. Schließlich findet durch die Einbeziehung des Planungsstadiums, das dem strafbaren Versuch gemäß § 100 a StPO vorausliegt, eine Erstreckung der Übermittlung in ein kaum begrenztes Vorfeld der Begehung von Straftaten statt.
Daraus ergeben sich für die Verhütung von Straftaten einerseits und die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten andererseits unterschiedliche Konsequenzen, die wiederum in einer unterschiedlichen Dringlichkeit der Datenübermittlung zum Zweck des Rechtsgüterschutzes wurzeln. Während die Straftatenverhütung zur Gefahrenabwehr zählt und das betroffene Rechtsgut vor drohender Verletzung schützen, also den Erfolg verhindern soll, geht es bei der Strafverfolgung um die staatliche Sanktionierung einer bereits erfolgten, aber nicht mehr verhinderbaren Rechtsgutverletzung. Deutet ein vom Bundesnachrichtendienst erfaßter Fernmeldekontakt sowohl auf die Planung als auch auf die Vollendung von Straftaten aus dem Katalog des § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 hin, kann dies folglich zur unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung der Übermittlung gemäß § 3 Abs. 5 G 10 führen.
Da im Fall der Strafverfolgung die Verletzung des Rechtsguts bereits stattgefunden hat und es nunmehr um die Sanktion geht, ist es nicht gerechtfertigt, die Übermittlungsschwelle für personenbezogene Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis gemäß § 1, § 3 G 10 stammen, unter diejenige abzusenken, welche auch sonst bei der Strafverfolgung für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis nach § 100 a StPO gilt. Im Blick auf die nicht geringere Schwere des Eingriffs erscheint es bei der Übermittlung der vom Bundesnachrichtendienst erhobenen Daten vielmehr verfassungsrechtlich geboten, eine Tatsachenbasis für den Verdacht vorzuschreiben, die der in § 100 a StPO entspricht. Andernfalls ließe sich die Zahl der betroffenen Grundrechtsträger nicht im Rahmen des Zumutbaren halten. § 3 Abs. 3 Satz 1 G 10 wird dem nicht gerecht. Er senkt die Übermittlungsschwelle über das zumutbare Maß hinaus ab, wenn er bereits tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, daß Straftaten begangen worden sind, genügen läßt und damit deutlich hinter § 100 a StPO zurückbleibt.
Soweit es um die Verhinderung von Straftaten geht, wird die Regelung den grundrechtlich geschützten Interessen nicht gerecht. Zusammengenommen führen die Umstände, daß als Verdachtsbasis tatsächliche Anhaltspunkte ausreichen, daß bereits an das Planungsstadium angeknüpft wird und daß auch minderschwere Straftaten einbezogen werden, zu einer deutlichen Unausgewogenheit zu Lasten der betroffenen Grundrechte. Insbesondere bewirkt die Verknüpfung tatsächlicher Anhaltspunkte mit der Planung von Straftaten, daß die Befugnis weit im Vorfeld einer drohenden Verletzung des Rechtsguts – mit der Folge einer Herabsetzung des Wahrscheinlichkeitsgrades und der Prognosesicherheit – ansetzen und sich zugleich auf verhältnismäßig niedrige Anforderungen an die Tatsachengrundlage stützen darf.
Der Gesetzgeber kann daher nicht an allen Elementen der Übermittlungsregelung zur Straftatenverhinderung gleichzeitig festhalten. Nimmt man die vom Gesetzgeber gewählte Tatsachenbasis und die Vorverlagerung in das Planungsstadium zusammen mit dem Straftatenkatalog, der die Verwendung der Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes rechtfertigt, so können die beiden ersten Voraussetzungen nur bei einem weiter beschränkten Katalog verfassungsmäßig sein. Umgekehrt läßt sich der Umfang des Katalogs nur bei höheren Anforderungen an die Sicherheit der Prognose rechtfertigen. Überdies kann das Tatbestandsmerkmal „tatsächlicher Anhaltspunkt” den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Ansatz nur genügen, wenn eine einengende Auslegung sicherstellt, daß nicht im wesentlichen Vermutungen, sondern konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen.
Auch die Vorkehrungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses sind verfassungsrechtlich nicht völlig ausreichend. Ein über § 3 Abs. 5 Satz 2 G 10 hinausgehender Entscheidungsvorbehalt zugunsten einer unabhängigen Instanz – wie in der mündlichen Verhandlung von Datenschutzbeauftragten gefordert – ist zur Wahrung des Grundrechts zwar nicht erforderlich. Es fehlt jedoch an einer Verpflichtung, die Übermittlung – wie auch die Durchführung sowie die Vernichtung und Löschung der Daten – zu protokollieren. Unter diesen Umständen kann eine hinreichende Kontrolle der Übermittlungen durch die dafür vorgesehenen Gremien oder auch im Wege des Gerichtsschutzes nicht stattfinden.
Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften kommt nicht in Betracht. Ihr steht zum einen entgegen, daß der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise beheben kann. Dem darf das Bundesverfassungsgericht nicht vorgreifen. Zum anderen wäre eine verfassungskonforme Auslegung nicht mit den Bestimmtheits- und Klarheitsanforderungen vereinbar, die das Grundgesetz an Normen richtet, mit denen die Weitergabe und Zweckänderung der aus einem Grundrechtseingriff erlangten personenbezogenen Daten gestattet wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine verfassungsmäßige Regelung zu treffen.
VII.
§ 3 Abs. 7 G 10 ist mit Art. 10 GG unvereinbar.
Für sich genommen ist die Norm freilich nicht zu beanstanden. Sie verpflichtet die Empfangsbehörden zu prüfen, ob sie die nach Absatz 5 übermittelten Daten für die in Absatz 3 bezeichneten Zwecke benötigen. Dabei handelt es sich um einen Auswahlschritt, der dem in § 3 Abs. 4 G 10 geregelten Schritt entspricht. Er hat die Aufgabe, die in § 3 Abs. 3 und 5 G 10 festgehaltene Zweckbestimmung und -bindung sicherzustellen, und trägt damit Anforderungen von Art. 10 GG Rechnung. Im Unterschied zu § 3 Abs. 4 G 10 untersagt die Vorschrift in Satz 3 auch ausdrücklich die weitere Verwendung der nicht benötigten, aber wegen unvertretbaren Aufwands nicht sogleich vernichteten Daten. Des weiteren kann den grundrechtlichen Belangen, insbesondere denen der Pressefreiheit, im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „benötigt” in Satz 1 der Vorschrift ausreichend Genüge getan werden.
Ebenso wie bei den entsprechenden Befugnissen des Bundesnachrichtendienstes fehlt es aber an Kennzeichnungspflichten, die der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Zweckbindung als Schutzvorkehrung den Empfangsbehörden aufzugeben hat. Ohne eine derartige Pflicht könnten die aus G 10-Meldungen stammenden Daten und Informationen nach der in § 3 Abs. 7 G 10 geregelten Prüfung ihrer Relevanz in einer Weise abgespeichert werden oder sich mit anderen Daten und Informationen vermischen, daß ihre Herkunft aus einer strategischen Fernmeldekontrolle nicht mehr erkennbar ist. Die in § 3 Abs. 3 G 10 vorgesehene Verwendungsbeschränkung wäre damit unterlaufen.
Eine verfassungskonforme Interpretation scheidet auch hier aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen.
VIII.
Die Regelung der Mitteilungspflicht in § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 ist mit dem Grundgesetz unvereinbar.
1. Allerdings läßt es sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, daß eine Mitteilung in § 3 Abs. 8 Satz 1 G 10 nur eingegrenzt vorgeschrieben wird. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 3 GG erlaubt ein Absehen von der Mitteilung, wenn die Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt das jedoch nur mit der Maßgabe, daß eine nachträgliche Benachrichtigung stattfinden muß, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Maßnahme und eine Gefährdung des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪31 f.≫). Beschränkungen, die der Früherkennung der Gefahr eines bewaffneten Angriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 G 10) dienen, sind danach verfassungsrechtlich unbedenklich.
Für die mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz hinzugetretenen Gefahren in Nr. 2 bis 6 dieser Vorschrift treffen diese Gesichtspunkte zwar nicht zu. Insoweit greift jedoch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG ein, der die Begrenzung zu anderen Zwecken zuläßt. Geheimhaltungsgründe können darin bestehen, daß mit der Offenlegung von Erkenntnissen oder auch von eingesetzten Methoden, die im konkreten Fall (noch) geheimgehalten werden müssen, die Aufgabenwahrnehmung gefährdet würde (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪284≫). Über die behördliche Aufgabenwahrnehmung hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen übergreifende Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes, die im Fall einer Kenntnisgewähr absehbar sind, als entgegenstehende Belange berücksichtigt werden. Im nachrichtendienstlichen Bereich mag dies etwa bei der Beteiligung ausländischer Nachrichtendienste oder im Bereich der Spionageabwehr der Fall sein (siehe dazu OVG Berlin, NVwZ 1987, S. 817 ≪819≫). Zu den legitimen Belangen kann weiter der Schutz von Informationsquellen zählen (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪284≫).
2. Dagegen verstößt § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 gegen Art. 10 und Art. 19 Abs. 4 GG.
Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Mitteilung, wenn die Daten vom Bundesnachrichtendienst oder einer Empfängerbehörde innerhalb von drei Monaten vernichtet worden sind. Damit stellt die Regelung allein auf den Vernichtungszeitpunkt ab. Was während der Dreimonatsfrist mit den Daten geschehen ist, spielt für die Mitteilung keine Rolle. In der Praxis wirkt sich dies, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, so aus, daß Benachrichtigungen durch den Bundesnachrichtendienst unterbleiben. Er handhabt die Vorschrift so, als begründe sie eine Vernichtungspflicht binnen dreier Monate.
Gründe der Verwaltungspraktikabilität, auf die die Regelung gestützt ist, vermögen einen derartig weitgehenden Ausschluß der Mitteilungspflicht nicht zu rechtfertigen. Zwar kann es angesichts der großen Zahl von Erfassungen und des Umstandes, daß das gewonnene Material sich in weitem Umfang als irrelevant erweist und alsbald vernichtet wird, Gründe geben, die einen Verzicht auf die Mitteilung rechtfertigen. Dazu genügt aber der bloße Zeitablauf nicht, weil er keinerlei Schluß darauf erlaubt, daß die erfaßten Daten innerhalb dieser Zeit keiner weiteren Verwendung zugeführt worden sind.
Abgesehen davon, daß der Eingriff, gegen den grundsätzlich Rechtsschutz möglich sein muß, bereits in der Erfassung der Daten liegt, ist es die Verwendung, die sich in der Regel als besonders belastend für den Betroffenen auswirkt. Ein Verzicht auf die Benachrichtigung ließe sich unter diesen Umständen allenfalls dann rechtfertigen, wenn die erfaßten Daten ohne weitere Schritte sogleich als irrelevant vernichtet worden sind. Ohne eine derartige Eingrenzung beschränkt § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 daher Art. 10 und Art. 19 Abs. 4 GG in unverhältnismäßiger Weise.
Da die Norm durch eine entsprechende Ergänzung mit den Grundrechten in Einklang gebracht werden kann, ist sie nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, einen verfassungsmäßigen Rechtszustand herzustellen.
IX.
Die Vorschrift über den Ausschluß des Rechtswegs in § 9 Abs. 6 G 10 ist dagegen mit dem Grundgesetz vereinbar.
Sie findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG. Dieser erlaubt bei Beschränkungen, die dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dienen, den Ausschluß des Rechtswegs, wenn an dessen Stelle eine Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese durch die Verfassungsänderung von 1968 in Art. 10 GG eingefügte Regelung für vereinbar mit Art. 79 Abs. 3 GG erklärt (vgl. BVerfGE 30, 1 ≪26 ff.≫).
§ 9 Abs. 6 G 10 hält sich im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG. Der Ausschluß des Rechtswegs beschränkt sich auf Anordnungen nach § 2 und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 G 10 und erfaßt die Gefahrentatbestände in den Nummern 2 bis 6 dieser Vorschrift nicht. Die parlamentarische Kontrolle ist in § 9 G 10 sichergestellt. Im übrigen steht den Betroffenen nach § 5 Abs. 5 Satz 3 G 10 der Rechtsweg nach der Mitteilung offen. § 9 Abs. 6 G 10 wird für unanwendbar erklärt.
Auf die Frage, ob damit auch in den Fällen von § 2 und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 G 10 der Rechtsweg eröffnet ist, wenn die Betroffenen eine Mitteilung erhalten haben, kommt es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht an. Von Verfassungs wegen ist lediglich festzustellen, daß bei der Auslegung von § 5 Abs. 5 Satz 3 G 10 die Mitteilung nicht zur Voraussetzung der Rechtswegeröffnung gemacht werden darf. Auch wenn der Betroffene auf andere Weise von der Erfassung seines Fernmeldeverkehrs erfahren hat, kann er den Rechtsweg beschreiten. Der Rechtsschutz würde in unnötiger Weise verkürzt, wenn er in derartigen Fällen gleichwohl von einer Mitteilung abhängig wäre.
X.
Die Vorschriften über die Datenvernichtung in § 3 Abs. 6 und Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie in § 7 Abs. 4 G 10 sind ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar.
Sie tragen dem aus Art. 10 GG folgenden Erfordernis Rechnung, daß Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis stammen, vernichtet werden, sobald sie für die den Eingriff rechtfertigenden Zwecke nicht mehr erforderlich sind. Es ist nicht ersichtlich, daß die Vorschriften dabei hinter dem gebotenen Mindestschutz zurückblieben.
Auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 19 Abs. 4 GG lassen sich die Regelungen nicht beanstanden. Die Rechtsschutzgarantie verbietet allerdings Maßnahmen, die den Rechtsschutz vereiteln könnten (vgl. BVerfGE 69, 1 ≪49≫). Die Pflicht zur Vernichtung nicht mehr benötigter Daten muß daher für die Fälle, in denen eine gerichtliche Kontrolle der Fernmeldeüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst in Frage kommt, mit der Rechtsschutzgarantie so abgestimmt werden, daß diese nicht unterlaufen wird. Eine derartige Auslegung lassen die Vorschriften aber zu.
§ 7 Abs. 4 Satz 1 G 10 ordnet die Vernichtung erst dann an, wenn sie im Rahmen einer gerichtlichen Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahmen nicht mehr von Bedeutung sein können. Das ist nach Satz 3 der Vorschrift im Abstand von sechs Monaten zu prüfen. Regelmäßig wird das bedeuten, daß die Daten nach einer Benachrichtigung des Betroffenen noch für sechs Monate aufzubewahren sind. Den Belangen des Betroffenen trägt dabei § 7 Abs. 4 Satz 4 und 5 G 10 Rechnung, indem er vorschreibt, daß die Daten zu sperren sind und nur noch für die gerichtliche Nachprüfung verwendet werden dürfen. Umgekehrt ist es dem Betroffenen zuzumuten, daß er sich binnen sechs Monaten ab der Mitteilung entschließt, ob er eine gerichtliche Nachprüfung verlangen will oder nicht.
XI.
Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 G 10, die die Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen durch die Kommission vorsieht, ist mit Art. 10 GG unvereinbar. Sie gewährleistet nicht hinreichend, daß die Kontrolle den gesamten Prozeß der Erfassung und Verwertung der Daten umfaßt. Ohne eine solche Kontrolle könnten die angegriffenen Befugnisnormen keinen Bestand haben. Zwar bestimmt § 9 Abs. 2 Satz 3 G 10, daß die Kommission über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen entscheidet. Es bleibt aber unklar, was unter Beschränkungsmaßnahmen zu verstehen ist. Die nachfolgende Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 G 10, derzufolge der Bundesminister Anordnungen, die die Kommission für unzulässig oder unnötig erklärt, unverzüglich aufheben muß, könnte so verstanden werden, daß sich die Kontrollbefugnis nur auf die ministerielle Anordnung bezieht.
Ein solches mit Art. 10 GG nicht zu vereinbarendes Verständnis bleibt auch nicht nur im Bereich des Möglichen. Die Bundesregierung hat ihm vielmehr in einem Schreiben an die Kommission vom 9. Dezember 1996 Ausdruck gegeben. Die Kommission ist trotz ihrer abweichenden Rechtsauffassung darauf eingegangen und verzichtet seitdem auf Kontrollen in den Fällen von § 3 Abs. 3, 5, 6 und 8 G 10. Wegen der strengen Bestimmtheitsanforderungen im Bereich des Umgangs mit personenbezogenen Daten bedarf die Vorschrift daher einer Klarstellung ihrer Reichweite, die der Gesetzgeber vorzunehmen hat.
Überdies ist dafür Sorge zu tragen, daß die Kommission angesichts der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz erheblich ausgeweiteten Überwachungstätigkeit des Bundesnachrichtendienstes personell so ausgestattet ist, daß sie ihrer Aufgabe in effektiver Weise nachzukommen vermag. Ferner muß sichergestellt sein, daß auch im Bereich der Landesverwaltung eine ausreichende Kontrolle existiert, soweit die unter Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses erlangten Daten gemäß § 3 Abs. 5 G 10 an Landesbehörden übermittelt werden.
XII.
Soweit der Gesetzgeber aufgrund dieses Urteils verpflichtet ist, einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen, steht ihm dafür eine Frist bis zum 30. Juni 2001 zur Verfügung.
In der Zwischenzeit darf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 G 10 nur dann angewendet werden, wenn von Geldfälschungen, die im Ausland begangen werden, eine Gefahr ausgeht, die die Geldwertstabilität in der Bundesrepublik Deutschland bedroht. § 3 Abs. 3 Satz 2 G 10 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß die in dem Bericht an die Bundesregierung enthaltenen personenbezogenen Daten zu kennzeichnen sind und an die Zwecke gebunden bleiben, die ihre Erhebung gerechtfertigt haben. § 3 Abs. 4 G 10 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Daten gekennzeichnet und nicht zu anderen als den in § 3 Abs. 1 G 10 genannten Zwecken verwendet werden.
§ 3 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 G 10 ist mit der Maßgabe anwendbar, daß personenbezogene Daten nur unter den Voraussetzungen der am 5. Juli 1995 erlassenen einstweiligen Anordnung übermittelt werden dürfen und die Übermittlung protokolliert wird. Insoweit sieht das Bundesverfassungsgericht davon ab, den aufgrund der einstweiligen Anordnung bestehenden derzeitigen Rechtszustand für die kurze Übergangszeit bis zu einer Neuregelung nochmals zu ändern, obwohl damit auch solche Teile der Vorschrift vorübergehend nicht angewendet werden dürfen, die der Gesetzgeber bei einer Neuregelung wiederum erlassen kann, ohne gegen das Grundgesetz zu verstoßen. Bliebe dagegen die für verfassungswidrig erklärte Norm in ihrer jetzigen Form bis zu einer Neuregelung anwendbar, wären Datenübermittlungen möglich, die Grundrechte verletzten. In der mündlichen Verhandlung ist nichts dafür hervorgetreten, daß die einstweilige Anordnung in der Vergangenheit mit erheblichen Nachteilen für die Bundesrepublik Deutschland verbunden gewesen wäre. Das hat bei der Folgenabwägung den Ausschlag gegeben. Falls der Gesetzgeber den in der Übergangszeit geltenden Rechtszustand für schwer erträglich hält, liegt es bei ihm, ihn durch eine alsbaldige Neuregelung zu ändern.
§ 3 Abs. 7 G 10 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Daten einer Kennzeichnungspflicht unterliegen. § 3 Abs. 8 Satz 2 G 10 ist mit der Maßgabe anwendbar, daß vor der Vernichtung keinerlei Verwendung der Daten stattgefunden hat. § 9 Abs. 2 Satz 3 G 10 ist mit der Maßgabe anwendbar, daß sich die Kontrollbefugnis der Kommission auch auf die Maßnahmen gemäß § 3 Abs. 3, 5, 6 und 8 G 10 erstreckt.
Unterschriften
Papier, Grimm, Kühling, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.07.1999 durch Krenitz Regierungssekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 543561 |
BVerfGE 100, 313-403 (Leitsatz und Gründe) |
NJW 2000, 55-68 (Leitsatz und Gründe) |
EuGRZ 1999, 389-415 (Leitsatz und Gründe) |
BGBl I 1999, 1914 |
NVwZ 200, 185 (Leitsatz) |
WM 1999, 657-665 (Leitsatz und Gründe) |
ZBR 1999, 391 |
DuD 1999, 657 |
DuD 1999, 721 |
K&R 1999, 413 |