Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 27.06.1997; Aktenzeichen 12 L 5709/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Nach seiner Ansicht sind die Bestimmungen der §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG wegen Verstoßes gegen Art. 20, 1 und 3 GG verfassungswidrig. Da über diese Rechtsfragen höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, seien sie klärungsbedürftig und zudem von über den Einzelfall weit hinausgehender Bedeutung, zumal mit dem Asylbewerberleistungsgesetz erstmals eine Personengruppe aus dem regulären Sozialhilfebezug herausgenommen worden sei.
Zutreffend führt die Beschwerde aus, daß sich das Bundesverwaltungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes noch nicht geäußert hat. Die im Berufungsurteil (NVwZ-Beilage 1997, 95) und in der Beschwerde erwähnten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 71, 139; 89, 87) ergingen zu § 120 Abs. 2 BSHG a.F., der bei asylsuchenden Ausländern Einschränkungen der Hilfe zum Lebensunterhalt auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche zuließ.
Gleichwohl bedürfen die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen keiner Prüfung in einem Revisionsverfahren, weil keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG bestehen.
Zu Recht geht der Kläger in seiner Beschwerde davon aus, daß verfassungsrechtlich (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 GG) ein Existenzminimum dergestalt garantiert ist, daß es Aufgabe des Staates ist, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen (BVerfGE 82, 60 ≪80≫). Zu Unrecht aber meint der Kläger, dieses Existenzminimum werde „konkretisiert durch die Regelsatzleistungen des BSHG”, weshalb die geringere Leistungen vorsehenden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes verfassungswidrig seien. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßgröße für das einkommensteuerliche Existenzminimum der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf (BVerfGE 87, 153 ≪171≫). Dabei betont das Bundesverfassungsgericht aber die Abhängigkeit „von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen” und stellt insbesondere klar, daß es Aufgabe des Gesetzgebers sei, den in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf einzuschätzen (BVerfGE 87, 153 ≪170≫). Daraus und anschaulich aus den oft geänderten Regelsatzhöhen wird ersichtlich, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt, berechnet auf der Grundlage der aktuellen Regelsatzleistungen, nicht mit der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthilfe gleichgesetzt werden darf. Zudem gibt es bereits nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht nur einen Regelsatz, sondern für verschiedene Gruppen verschiedene Regelsätze (vgl. § 2 Regelsatzverordnung: für Haushaltsvorstände und Alleinstehende und für Haushaltsangehörige verschiedenen Alters). Auch enthält das Bundessozialhilfegesetz weitere gruppenbezogene Differenzierungen für den Mindestbedarf und damit für die Hilfeleistung. Das Bundesverfassungsgericht hat es in bezug auf den für das Steuerrecht maßgeblichen Mindestbedarf für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, den Bedarf gruppenbezogen zu erfassen (BVerfGE 87, 153 ≪172≫). Der Umstand, daß die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, rechtfertigt deshalb nicht die Annahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß ihm die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben fehlten. Nach § 6 AsylbLG durften sonstige Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich waren.
Auch der Beschwerdevortrag des Klägers, „Intention des Gesetzgebers (sei es gewesen), Kosten zu sparen und Ausländer von der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland abzuhalten”, rechtfertigt keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG. Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, weshalb gesetzgeberische Ziele, Kosten zu sparen und Asylmißbrauch begünstigende wirtschaftliche Anreize zu mindern, verfassungsrechtlich bedenklich sein sollten, ist unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit, ein menschenwürdiges Leben zu führen (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 GG), entscheidend, daß die hierfür erforderlichen Hilfeleistungen ausreichend bemessen sind. Diese Einschätzung des Gesetzgebers hat der Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht substantiiert in Frage gestellt.
Schließlich hat der Kläger zwar behauptet, die §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG verstießen auch gegen Art. 3 GG, dazu aber im einzelnen nichts vorgetragen. Soweit der Kläger als Leistungsberechtigter nach § 1 AsylbLG von den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz ausgeschlossen ist, liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Denn die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen haben kein verfestigtes Aufenthaltsrecht, bei ihnen fehlt ein sozialer Integrationsbedarf (BTDrucks 12/4451 S. 7). Dieses Kriterium trägt eine gruppenbezogene Differenzierung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf der entsprechenden Anwendung von § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 1377301 |
NVwZ 1999, 669 |