Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögenszuordnung. Herausgabeanspruch. Erlösherausgabe. Erlösauskehr. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Bereicherungsanspruch. Eingriffskondiktion. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
Der Herausgabeanspruch nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG verjährt in dreißig Jahren. Eine analoge Anwendung der §§ 195, 199 BGB n.F. scheidet aus.
Normenkette
VZOG § 8 Abs. 4 S. 2; BGB §§ 195, § 199 ff.
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 10.11.2006; Aktenzeichen 13 K 2613/05) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. November 2006 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35 790,43 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten aus beiden Rechtszügen.
Tatbestand
I
Die Klägerin macht Ansprüche auf Erlösauskehr nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG geltend. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Ansprüche verjährt seien.
Dem liegt Folgendes zugrunde: Für das Grundstück Flst.-Nr. … der Gemarkung D… mit einer Größe von 2 005 qm war im Grundbuch Eigentum des Volkes in der Rechtsträgerschaft des Rates der Stadt Freital eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 6. März 1995 verkaufte die beklagte Gemeinde das Grundstück zum Kaufpreis von 70 000 DM (= 35 790,43 €). Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 stellte der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Chemnitz fest, dass die Klägerin mit dem Beitritt Eigentümerin des Grundstücks geworden sei. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass das Grundstück bereits veräußert worden sei. Der Bescheid ging der Klägerin am 22. Dezember 2000 zu; er wurde nicht angefochten. Im Juli 2002 forderte die Klägerin die Beklagte auf, über den Verkauf des Grundstücks und über zuvor gezogene Nutzungen Rechnung zu legen. Dem kam die Beklagte mit Schreiben vom 1. August 2002 nach. Auf entsprechende Aufforderung hin erstattete die Beklagte im November 2004 die gezogenen Nutzungen. Mit weiterem Schreiben vom 21. Februar 2005 forderte die Klägerin Herausgabe des erzielten Veräußerungserlöses. Weil die Beklagte sich auf Verjährung berief, hat die Klägerin am 9. Dezember 2005 Klage auf Zahlung von 35 790,43 € nebst Verzugszinsen erhoben.
Mit Urteil vom 10. November 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Klageanspruch sei verjährt. Da das Vermögenszuordnungsgesetz oder sonstiges öffentliches Recht die Verjährungsfrage nicht regele, seien die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der aktuellen Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heranzuziehen. Damit gelte die allgemeine Verjährungsfrist des § 195 BGB, die seit dem 1. Januar 2002 auf drei Jahre verkürzt worden sei, nicht hingegen die dreißigjährige Frist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB, was auch etwa zu §§ 987, 988 BGB anerkannt sei. Die Frist habe mit der Unanfechtbarkeit des Vermögenszuordnungsbescheides begonnen, der den Anspruch der Klägerin auf Erlösauskehr begründet und ihr die nötige Kenntnis vom Bestehen dieses Anspruchs verschafft habe, nicht hingegen erst mit Erhalt der Rechnungslegung der Beklagten am 1. August 2002. Die Frist sei demnach mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verstrichen. Selbst wenn man das Schreiben der Beklagten vom 1. August 2002 als Anerkenntnis werte, sei die Frist mit Ablauf des 2. August 2005 abgelaufen. In beiden Fällen sei die Klage erst nach Eintritt der Verjährung erhoben worden. Die Herausgabe der gezogenen Mietnutzungen stelle kein erneutes Anerkenntnis dar, weil sie nicht den vorliegenden Anspruch betreffe.
Zur Begründung ihrer Revision, mit der sie ihr bisheriges Begehren mit Ausnahme des Anspruchs auf Verzugszinsen weiterverfolgt, trägt die Klägerin vor: Die neuen Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes legten sich selbst keine Geltung für das öffentliche Recht bei. Sie ließen sich im Vermögenszuordnungsrecht auch nicht analog anwenden. Der Gesetzgeber habe das Vermögenszuordnungsrecht und dabei auch die Folgen aus der Verfügungsbefugnis des Buchberechtigten zu einer Zeit geregelt, als die dabei begründeten Ansprüche allenfalls der dreißigjährigen Verjährung unterlegen hätten. Für Herausgabeansprüche aus einem bestandskräftigen Zuordnungsbescheid bestimme schon § 53 VwVfG eine dreißigjährige Verjährung; für Ansprüche auf das Surrogat wie die vorliegenden habe seinerzeit zweifelsfrei dasselbe gegolten. Daran habe das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts ändern wollen; für eine Änderung hätte es vielmehr einer besonderen vermögenszuordnungsrechtlichen Bestimmung bedurft. Selbst wenn aber die neuen zivilrechtlichen Verjährungsregeln Anwendung finden sollten, so führe dies zur Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Denn der Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses stelle das Surrogat für den Anspruch auf Herausgabe des Eigentums dar. Dass auch der Erlösherausgabeanspruch noch dinglicher Natur sei, belege die Ersetzungsbefugnis des Herausgabepflichtigen nach § 8 Abs. 5 VZOG. Sollte dessen ungeachtet § 195 BGB anzuwenden sein, so beginne die dreijährige Verjährungsfrist auch in Übergangsfällen doch frühestens, wenn der Gläubiger positive Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Umständen habe. Hierzu genüge die Kenntnis von der Verfügung und dem Verfügenden nicht. Da der Berechtigte nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG Anspruch auf Herausgabe des erzielten Veräußerungserlöses, mindestens aber auf Zahlung des Verkehrswertes habe, müssten ihm auch der erzielte Erlös und der Verkehrswert bekannt sein. Dies erfordere detaillierte Kenntnisse vom Objekt und seinem Zustand im Zeitpunkt der Veräußerung. Hierbei komme dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass regelmäßig nur die Belegenheitsgemeinde über die nötigen Informationen verfüge. Der Gesetzgeber des Vermögenszuordnungsgesetzes habe die Gemeinde deshalb ursprünglich verpflichtet, beabsichtigte oder erfolgte Verfügungen beim Innenminister des Landes mitzuteilen und einen erzielten Erlös dort einzuzahlen. Diese Regelung habe eine sachgerechte Lösung dargestellt, bei der das Verjährungsproblem sich von vornherein gar nicht habe stellen können. Wenn die ursprüngliche Ablieferungspflicht beim Ministerium später durch eine direkte Herausgabepflicht an den Berechtigten ersetzt worden sei, so habe dies an der Informationspflicht der verfügungsberechtigten Belegenheitsgemeinde nichts ändern sollen. Die Verjährungsfrist könne deshalb erst zu laufen beginnen, nachdem die Gemeinde ihrer Informationspflicht nachgekommen und dem Berechtigten sämtliche benötigten Kenntnisse verschafft habe. Sollte alldem nicht zu folgen sein, so habe die Beklagte die Verjährungseinrede jedenfalls treuwidrig oder doch ermessensfehlerhaft erhoben, weil sie ihre Informationspflichten verletzt habe. Dies habe die Informationsbeschaffung erschwert. Dann aber sei ihr verwehrt, hieraus nunmehr Vorteile zu ziehen. Schließlich sei in der Herausgabe der gezogenen Nutzungen im November 2004 ein Anerkenntnis auch der Verpflichtung zur Herausgabe des erzielten Veräußerungserlöses zu sehen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie trägt ergänzend vor, dass der Gesetzgeber selbst von der Anwendbarkeit der neuen Verjährungsregeln auch im öffentlichen Recht ausgegangen sei, wie die gleichzeitige Änderung des § 53 VwVfG und die hierzu gegebene Begründung zeige.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Die – unstreitige – Klageforderung ist nicht verjährt. Da es weiterer Sachaufklärung nicht bedarf, ist die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
1. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das Rechtsinstitut der Verjährung auch im öffentlichen Recht jedenfalls auf vermögensrechtliche Ansprüche Anwendung findet. Das Rechtsinstitut der Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem es Ansprüche, die über geraume Zeit hinweg nicht geltend gemacht wurden, dem Streit entzieht. Dieses Anliegen besteht im Privatrecht wie im öffentlichen Recht gleichermaßen. Das gilt selbst dann, wenn Gläubiger und Schuldner juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Zwar wiegt das Schuldnerinteresse daran, Belege nicht unbefristet aufbewahren zu müssen, um einer Beweisnot zu begegnen, bei Behörden geringer; demgegenüber muss aber das Interesse eines öffentlichen Schuldners an einer planbaren und möglichst zeitnahen Belastung seines öffentlichen Haushalts berücksichtigt werden (Urteil vom 24. Januar 2007 – BVerwG 3 A 2.05 – BVerwGE 128, 99 = Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 20 ≪Rn. 43≫ m.w.N.; ebenso Urteile vom 15. Mai 2008 – BVerwG 5 C 25.07 – DVBl 2008, 1122 ≪Rn. 26≫ und vom 24. Juli 2008 – BVerwG 7 A 2.07 – juris ≪Rn. 18≫).
Nach welchen Regeln sich die Verjährung richtet, ist, wenn wie hier spezielle Vorschriften des einschlägigen Fachrechts fehlen, im Wege der Analogie zu entscheiden. Dabei ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelung als die “sachnächste” analog heranzuziehen ist (Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.O. ≪Rn. 45≫ m.w.N.; ebenso Urteile vom 15. Mai 2008 a.a.O. und vom 24. Juli 2008 a.a.O.). Es besteht kein Anwendungsvorrang für die Verjährungsnormen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch nicht für die dort vorgesehene Regelverjährung (Urteile vom 15. Mai 1984 – BVerwG 3 C 86.82 – BVerwGE 69, 227 ≪233≫ = Buchholz 451.533 AFoG Nr. 4 S. 7 und vom 4. Oktober 1994 – BVerwG 1 C 41.92 – BVerwGE 97, 1 ≪5≫ = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 11 S. 17). Sind freilich speziellere Verjährungsfristen, sei es aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, sei es aus anderen gesetzlichen Regelungen, nicht analogiefähig, so hat das Bundesverwaltungsgericht in der dreißigjährigen Regelverjährung des § 195 BGB a.F. den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens gesehen (Urteile vom 15. Mai 1984 a.a.O. S. 233 bzw. S. 7, vom 27. November 1986 – BVerwG 5 C 74.85 – BVerwGE 75, 173 ≪179≫ = Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 11 S. 6 f. und vom 31. Januar 2002 – BVerwG 2 C 6.01 – BVerwGE 115, 389 ≪392≫ = Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 10 S. 16; vgl. auch F. Kirchhof in: Fs. Selmer, 2004, 725 ≪726 f.≫).
2. Die hiernach gebotene Analogie hat davon auszugehen, dass der in Rede stehende Herausgabeanspruch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG seiner Rechtsnatur nach ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ist. Er ähnelt demjenigen aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB (Urteil vom 27. Juli 2006 – BVerwG 3 C 31.05 – Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 4 ≪Rn. 20≫) und ist wie dieser bereicherungsrechtlicher Art (vgl. Lieb in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 4. Auflage 2004, Rn. 1 ff. zu § 816 BGB m.w.N.). Beide Vorschriften geben demjenigen, der infolge der Verfügung eines Nichtberechtigten das Eigentum an einem Gegenstand verliert, einen Anspruch gegen den Verfügenden auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten. Dass der Verfügende dem Berechtigten nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG mindestens den Verkehrswert der Sache erstatten muss, zeigt zudem, dass der Gesetzgeber den Rechtsgrund des Anspruchs in einem Eingriff des Verfügenden in das Eigentum des Berechtigten gesehen hat, dass der Anspruch mit anderen Worten einen Unterfall der allgemeinen Eingriffskondiktion darstellt (Lieb ebd. ≪Rn. 3 f.≫ m.w.N.).
Auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche hat das Bundesverwaltungsgericht in Ermangelung spezieller Verjährungsregeln bislang die für bürgerlich-rechtliche Bereicherungsansprüche geltenden Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs angewendet (Urteile vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 – BVerwGE 66, 251 ≪252 f.≫ = Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3 S. 7, vom 15. Juni 2006 – BVerwG 2 C 10.05 – Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 ≪Rn. 19≫, vom 15. Mai 2008 – BVerwG 5 C 25.07 – a.a.O. ≪Rn. 27≫ und vom 24. Juli 2008 – BVerwG 7 A 2.07 – a.a.O. ≪Rn. 18≫), also die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F., und zwar gleichermaßen auf Erstattungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung wie auf Ansprüche infolge eines rechtsgrundlosen Eingriffs. Dem schließt sich der Senat für Erstattungsansprüche wegen rechtsgrundlosen Eingriffs wie den Herausgabeanspruch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG an. Es besteht kein Grund, für derartige Ansprüche von dem allgemeinen Rechtsgedanken abzugehen, dass Rechtssicherheit und Rechtsfrieden eine Verjährung nach dreißig Jahren erfordern, aber auch genügen lassen.
3. Einen derartigen Grund bietet insbesondere nicht das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – SMG) vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138). Der Gesetzgeber hat das Verjährungsrecht des bürgerlichen Rechts grundlegend verändert, bei seiner Neuregelung das öffentliche Recht jedoch ausgespart. Das schließt zwar Analogien auch zum neuen Verjährungsrecht nicht generell aus. Im vorliegenden Sachzusammenhang kommt eine derartige Analogie indessen nicht in Betracht.
a) Auszugehen ist davon, dass sich das neue Verjährungsrecht für das öffentliche Recht ausdrücklich keine Geltung beigelegt hat. Der Gesetzgeber wollte die Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zunächst auf den Anwendungsbereich des Bürgerlichen Gesetzbuchs beschränken. Ob das neue Regelungssystem auf spezialgesetzlich geregelte Materien übertragen werden könne und welche Sonderregelungen ggf. getroffen werden müssten, sollte zukünftigen weiteren Gesetzgebungsschritten vorbehalten bleiben (BTDrucks 14/6857 S. 42). Hierzu wurde einige Zeit später das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3214) erlassen. Auch dieses sparte indessen den Bereich des öffentlichen Rechts bewusst aus. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen gälten und dass auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne; zudem würde die Einbeziehung des öffentlichen Rechts eine umfassende systematische Abstimmung von Regelungsmaterien auf Bundes- und Landesebene erfordern, was den Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs sprengen würde (BTDrucks 15/3653 S. 10). Hieraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage im öffentlichen Recht nicht herbeiführen wollte.
b) Das schließt eine Analogie zwar nicht aus, zwingt aber zu Vorsicht und Zurückhaltung. Der Senat hat eine Analogie für schadensersatzrechtliche Ansprüche grundsätzlich für möglich gehalten, nicht zuletzt weil das neue Verjährungsrecht sich insofern recht eng an das bisherige Recht anschließt (vgl. § 852 Abs. 1 BGB a.F.) und zudem Parallelen in Verjährungsbestimmungen findet, die für Schadensersatzansprüche des öffentlichen Rechts bestehen (Urteil vom 24. Januar 2007 – BVerwG 3 A 2.05 – a.a.O. ≪Rn. 49 ff.≫). Eine Übertragung der neuen Verjährungsregeln für bürgerlich-rechtliche Bereicherungsansprüche auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begegnet indes erheblichen Bedenken (skeptisch auch Urteil vom 24. Juli 2008 – BVerwG 7 A 2.07 – a.a.O. ≪Rn. 19≫). Wie erwähnt, dient das Rechtsinstitut der Verjährung im öffentlichen Recht vor allem der Verwirklichung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Die bisherige gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat angenommen, dass die objektive dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. eine zutreffende Konkretisierung dieser Grundsätze in Abwägung gegen den Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung darstellt, der einer Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche widerstreitet. Dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz lässt sich nichts dafür entnehmen, dass das Verhältnis von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden einerseits und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung andererseits neu bestimmt werden müsste. Die Neuregelung beabsichtigt eine Vereinfachung des Verjährungsrechts und seine Angleichung an zwischenzeitlich erreichte internationale Standards im Interesse des Geschäftsverkehrs und akzentuiert dabei den Schuldnerschutz, dies mit Rücksicht auf und in Abstimmung mit vermehrten Verbraucherrechten (BTDrucks 14/6040 S. 98 ff.). Diese Gesichtspunkte sind typisch bürgerlich-rechtlicher Art; sie spielen im öffentlichen Recht allenfalls eine untergeordnete Rolle. Vor allem lassen sie die hier vorrangig wirksamen rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens unberührt.
c) Eine analoge Anwendung der neuen Regelverjährung nach den §§ 195, 199 BGB verbietet sich vollends für den hier in Rede stehenden Herausgabeanspruch aus § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG.
Zum einen ist schon für den Sachbereich des Zivilrechts zweifelhaft, ob der Gesetzgeber auch Surrogate für dingliche Herausgabeansprüche wie den Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB der neuen Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB unterwerfen oder es insoweit bei der bisherigen dreißigjährigen Verjährungsfrist belassen wollte (vgl. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB und dazu Ernst, ZRP 2001, 1 ≪4 f.≫; Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, Rn. 38 f. zu § 195 BGB; Erman/Westermann, BGB, 12. Auflage 2008, Rn. 8 zu § 195 BGB; Mansel/Stürner in: Dauner-Lieb u.a. ≪Hrsg.≫, Anwaltskommentar zum BGB, Rn. 35 zu § 197 BGB). Die Frage hätte vermehrt für den Sachbereich des öffentlichen Vermögenszuordnungsrechts der gesetzlichen Regelung bedurft. Auch der Herausgabeanspruch nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG stellt ein Surrogat für einen dinglichen Herausgabeanspruch dar (Urteile vom 27. Juli 2006 – BVerwG 3 C 31.05 – a.a.O. ≪Rn. 18≫ und vom 27. September 2006 – BVerwG 3 C 37.05 – Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 6 ≪Rn. 12≫). Hinzu kommt – worauf die Klägerin mit Recht hinweist –, dass § 8 Abs. 5 VZOG dem Herausgabepflichtigen gestattet, statt des erzielten Erlöses oder des Verkehrswertes dem Berechtigten das entzogene Grundstück selbst oder ein Ersatzgrundstück zu verschaffen (vgl. dazu Beschluss vom 28. Juli 2006 – BVerwG 3 B 56.06 – Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 5; Urteil vom 26. April 2007 – BVerwG 3 C 14.06 – BVerwGE 128, 351 = Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 8).
Zum anderen begegnet eine Verjährungsfrist, deren Beginn von subjektiven Umständen wie der Kenntnis oder der grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers vom Anspruchsgegner und von den anspruchsbegründenden Umständen abhängig ist (vgl. § 199 Abs. 1 BGB), im öffentlichen Recht vor allem dann Schwierigkeiten, wenn – wie hier – beide Beteiligte Verwaltungsträger sind und typischerweise nicht der Gläubiger – der Zuordnungsberechtigte –, sondern der Schuldner – der Verfügungsbefugte – die nötige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen besitzt. Der Gesetzgeber hat dies selbst bereits zum Anlass genommen, den Verfügungsbefugten zu verpflichten, die veräußerten Grundstücke oder Gebäude sowie das erzielte Entgelt dem Innenministerium des betreffenden Landes mitzuteilen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 VZOG) und zeitgleich mit der Veräußerung einen Zuordnungsantrag – ggf. auch zu fremden Gunsten, etwa zugunsten eines anderen Berechtigten – zu stellen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG). Diese Bestimmungen wurden durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) und damit naturgemäß noch ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einer kurzen kenntnisabhängigen Verjährung erlassen. Ob sie eine hinlängliche Grundlage auch für die Wertung bieten, der berechtigten Körperschaft sei damit die Möglichkeit eröffnet, sich auch ohne Mitwirkung des Verfügungsbefugten die nötige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen selbst zu verschaffen, ist aber ungewiss. Denn zu den anspruchsbegründenden Umständen zählen nicht nur die Tatsache der Veräußerung an Dritte und der erzielte Erlös, sondern auch der Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Veräußerung.
Darüber hinaus spricht auch das Übergangsrecht gegen eine Anwendung der neuen kurzen Verjährungsfrist auf den Herausgabeanspruch des § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB führt dazu, dass die kurze dreijährige Frist bei gegebener Kenntnis des Berechtigten in sämtlichen Übergangsfällen am 1. Januar 2002 zu laufen beginnt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – XI ZR 44/06 – BGHZ 171, 1 ≪Rn. 19 ff.≫). Ließe man – wie das Verwaltungsgericht – die Kenntnis von Anspruchsgegner und Anspruchsgrund genügen, so sähe sich die Klägerin als typischerweise Zuordnungsberechtigte nicht nur in Einzelfällen, sondern praktisch in Tausenden von Fällen gleichzeitig vor die Schwierigkeit gestellt, die weiteren Voraussetzungen nicht nur für ihre Ansprüche auf Nutzungsherausgabe (§§ 987, 988 BGB), sondern obendrein für ihre Ansprüche auf Erlösauskehr in knapper Frist zu ermitteln. Das vermag eine Behörde vom Zuschnitt der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben schlechterdings nicht zu leisten. Damit soll nicht gesagt werden, dass eine Anwendung des neuen Verjährungsrechts unter dem Vorbehalt der zur Realisierung bestehender Ansprüche notwendigen organisatorischen Vorkehrungen der Klägerin steht. Es versteht sich im Gegenteil von selbst, dass die Klägerin die Folgen entsprechender Versäumnisse tragen müsste. Der Umstand, dass die zuständige Behörde zu einer kurzfristigen Geltendmachung aller in Betracht kommenden Ansprüche nicht ohne weiteres in der Lage wäre, lässt jedoch den Schluss zu, dass eine analoge Heranziehung der neuen Verjährungsbestimmungen nicht im Sinne des Gesetzgebers wäre; denn es kann nicht ernstlich angenommen werden, dass er sehenden Auges einen Rechtszustand herbeiführen wollte, der die Geltendmachung eines großen Teils dieser Ansprüche praktisch ausschlösse.
4. Der Klägerin stehen Prozesszinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 288 BGB ist hier gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung anzuwenden, weil die Klageforderung erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich frühestens mit Wirksamwerden des Zuordnungsbescheids vom 19. Dezember 2000 fällig geworden ist.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert, Buchheister
Fundstellen
BVerwGE 2009, 324 |
DÖV 2009, 379 |
LKV 2009, 129 |
NJ 2009, 132 |
DVBl. 2009, 445 |