Bei Eintritt in ein DMP Depressionen soll die koordinierende Ärztin oder der koordinierende Arzt die bisherige medikamentöse Behandlung der Depression erfassen. Folgende Aspekte sollten geklärt werden:
- Aktuelle Medikation einschließlich der Selbstmedikation
- Art und Dauer der medikamentösen Therapie zur Behandlung der Depression in der Vergangenheit
- Bisheriges Ansprechen und Nichtansprechen auf die Behandlung mit Antidepressiva und anderen relevanten Pharmaka (beispielsweise Antipsychotika und Phasenprophylaktika)
- Relevante Komorbiditäten, individuelle Unverträglichkeiten, unerwünschte Arzneimittelwirkungen antidepressiver Medikation in der Vergangenheit und Medikamentenwechselwirkungen sowie Auffälligkeiten im Metabolisierungsstatus, wenn bekannt
- Präferenzen hinsichtlich einer medikamentösen Behandlung
Im Grundsatz ist bei der medikamentösen Therapie mittels Antidepressiva zu beachten, dass ihre Wirkung umso besser ist, je schwerer die Depression ist. Die Patientin oder der Patient soll über die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolgs, Wirklatenz, mögliche Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und die Behandlungsdauer informiert werden. Zudem ist über mögliche Folgen einer Dosisreduzierung, einer unregelmäßigen Einnahme sowie eines raschen Absetzens der medikamentösen Therapie aufzuklären. Ein bestehender Kinderwunsch ist zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung der Kontraindikationen, der Komorbiditäten und der Patientenpräferenzen sollen vorrangig Medikamente zur Behandlung der Depression verwendet werden, deren positiver Effekt und deren Sicherheit im Hinblick auf die Erreichung der genannten Therapieziele in randomisierten und kontrollierten Studien (RCT) nachgewiesen wurden.
Zur medikamentösen Therapie stehen grundsätzlich folgende Wirkstoffe bzw. folgende Wirkstoffgruppen zur Verfügung:
- Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI);
- Tri- (und tetrazyklische) Antidepressiva (TZA) bzw. nichtselektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI);
- Monoaminoxidase (MAO)-Inhibitoren (MAOI);
- Selektive Serotonin-/Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSNRI);
- Alpha2-Rezeptor-Antagonisten (Noradrenerge und selektiv-serotonerge Antidepressiva (NaSSA));
- Selektive Noradrenalin-Dopamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (Bupropion);
- Melatonin-Rezeptor-Agonisten (MT1/MT) und Serotonin 5-HT2C-Rezeptor-Antagonisten (Agomelatin);
- Serotonin-Wiederaufnahme-Verstärker
Zusätzlich stehen weitere Wirkstoffe zur Verfügung, beispielsweise das nicht klassifizierte Antidepressivum Trazodon, sowie Johanniskraut und für die Augmentation Lithiumsalze und Quetiapin.
Die Auswahl der medikamentösen Therapie sollte patientenindividuell unter Abwägung unterschiedlicher Nebenwirkungs- und Interaktionsprofile sowie ggf. bisher erfolgter Antidepressiva-Behandlungen getroffen werden.
Es sollte grundsätzlich mit einer antidepressiven Monotherapie begonnen werden.
Sofern im Rahmen der individuellen Therapieplanung Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen als die genannten verordnet werden sollen, ist die Patientin oder der Patient darüber zu informieren, ob für diese Wirkstoffe Wirksamkeitsbelege zu patientenrelevanten Endpunkten vorliegen.
Mit Beginn der medikamentösen Therapie erfolgt eine engmaschige, wöchentliche Betreuung in den ersten vier Wochen. Dabei ist insbesondere zu Beginn eine sorgfältige Überwachung bezüglich Wirkung (Response) und Nebenwirkungen wichtig. Insbesondere zu Beginn einer antidepressiven Therapie kann es zu Antriebssteigerungen bei verzögertem Eintritt der stimmungsaufhellenden Wirkung kommen. In dieser Phase ist auf ein erhöhtes Suizidrisiko zu achten und darüber aufzuklären. Es hat sich bewährt, bei den meisten Antidepressiva mit einer niedrigen Anfangsdosis zu beginnen, die nach Verträglichkeit in den substanzspezifischen Zielbereich gesteigert wird. Kommt es zu nicht tolerablen Nebenwirkungen, ist der Wechsel des Medikaments, bevorzugt in eine andere Wirkstoffklasse, mit dem Patienten zu diskutieren. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen, Sturzneigung insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten, anfängliche innere Unruhe und Agitiertheit sowie sexuelle Funktionsstörungen. Selten aber schwerwiegende Nebenwirkungen sind das Auftreten eines Serotoninsyndroms und Komplikationen in Folge einer Verlängerung der QT-Überleitungszeit am Herzen.
Bereits bei Therapiebeginn soll mit der Patientin oder dem Patienten besprochen werden, dass circa vier Wochen nach Erreichen der Standarddosis gemeinsam geprüft werden soll, ob unter Medikation eine relevante Verbesserung der Symptomatik eingetreten ist. Dies erfordert bei Behandlungsbeginn eine entsprechende Dokumentation der Symptomatik. Bei Ansprechen (Response) erfolgt die Weiterbehandlung bis zur Remission und der Übergang in die Erhaltungstherapie (vier bis neun Monate ab Erreichen der Remission), bei Nicht-Ansprechen (Non-Response) erfolgt eine Veränderung der Behandlungsstrategie (zum Beispiel Dosiserhöhung, Kombinationstherapie, Augmenta...