Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiwilliges soziales Jahr ist keine Berufsausbildung. Gegenstand des Verfahrens. Einkommensteuer 1997 und 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein freiwilliges soziales Jahr dient nicht als Grundlage für einen Beruf und ist daher keine Berufsausbildung. Dies ergibt sich schon aus der Systematik des EStG, das in § 32 Abs. 4 (unter anderem) die Berufsausbildung und das freiwillige soziale Jahr als alternativ nebeneinander stehende kindergeldbegründende Tatbestände vorsieht.
2. Fehlt in einem während des Klageverfahrens vor dem 1.1.2001 erlassenen Änderungsbescheid die Belehrung nach § 68 Satz 3 FGO, so wird dieser Änderungsbescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens, wenn der Steuerpflichtige innerhalb eines Jahres die Aufhebung des Bescheides unter ausdrücklicher Nennung des Datums des Änderungsbescheides beantragt.
Normenkette
EStG 1997 § 33a Abs. 2 S. 1, § 32 Abs. 4; FGO §§ 68, 55 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein freiwilliges soziales Jahr die Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt.
Die Kläger haben im Streitjahr Zusammenveranlagung gewählt. Die Klägerin ist Familienfrau, der Kläger bezieht Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Die Kläger haben 2 Töchter. Die am geborene Tochter K besuchte bis zum 31. Juli 1997 das Gymnasium, vom 1. September 1997 bis zum 31. August 1998 leistete sie ein freiwilliges soziales Jahr bei der Gesellschaft für ab. Während dieser Zeit wohnte sie bei ihren Eltern. Seit 1. Oktober 1998 ist sie an der Pädagogischen Hochschule in K für den Studiengang Grund- und Hauptschullehrer immatrikuliert und wohnt in K.
In den Einkommensteuererklärungen 1997 und 1998 machten die Kläger für ihre Tochter K jeweils einen vollen Ausbildungsfreibetrag nach § 33 a Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG geltend, der im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 4. März 1998 nur in Höhe von 1.400 DM für 7 Monate nach § 33 a Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG und im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 2. März 1999 nur in Höhe von 1.050 DM für 3 Monate gewährt wurde. Die eingelegten Einsprüche wurden durch Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2000 abgewiesen. Jeweils am 11. April 2000 ergingen zur Frage der Ausbildungsfreibeträge geänderte Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998, bei denen eine Belehrung nach § 68 Satz 3 FGO fehlt.
Die Kläger machen in ihrer Klage geltend, ihnen stehe für die Zeit der Ablegung des freiwilligen sozialen Jahres durch ihre Tochter K ein Ausbildungsfreibetrag zu. Denn dieses sei Teil ihrer Berufsausbildung. Um Berufsausbildung handele es sich auch dann, wenn die Ausbildung nicht zwingend zur Erlangung des angestrebten Berufes notwendig, ihm aber in hohem Maße förderlich sei und die Berufschancen dadurch wesentlich erhöht würden. Im freiwilligen sozialen Jahr werde der Umgang mit Menschen in der Praxis und die Vermittlung angemessenen sozialen Verhaltens gegenüber den Mitmenschen gelernt. Dies sei durch die Arbeit ihrer Tochter in der „S” besonders der Fall gewesen und sei insbesondere für Lehrer sehr wichtig. Deshalb sei die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahrs für das angestrebte Pädagogikstudium ihrer Tochter sehr hilfreich und besonders wertvoll gewesen. Es sei somit der Ausbildung für einen künftigen Beruf bzw. einem Praktikum bzw. Volontariat in vollem Umfang gleichzusetzen
Die Kläger haben in ihrem Schriftsatz vom 19. Juni 2000 beantragt,
”die Änderungsbescheide der Beklagten für 1997 und 1998 über Einkommensteuer u. a. jeweils vom, vom (für 98), vom und vom” aufzuheben und „nachdem alle bisherigen Veranlagungen 1997 und 1998 aufgehoben worden sind”, bei den Einkommensteuerveranlagungen 1997 und 1998 für ihre Tochter K die vollen Ausbildungsfreibeträge zu berücksichtigen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Er begründet dies damit, dass die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahrs keine Berufsausbildung sei. Darunter sei nur die Ausbildung für einen künftigen Beruf durch Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen und die Absolvierung von Studiengängen an Fach- und Hochschulen zu verstehen. Aus der Anrechnung des freiwilligen sozialen Jahres auf die Praktikazeit bei Medizinstudenten und der Verkürzung der Wartezeit für den Beginn eines Studiums könne nicht geschlossen werden, dass es Teil der Berufsausbildung sei. Auch die Regelung des § 32 Abs. 4 EStG mache es nicht zu Berufsausbildung, da sie nur für die Gewährung eines Kinderfreibetrages bzw. Kindergeldes gelte und mangels gesetzlicher Grundlage nicht auf den Ausbildungsfreibetrag übertragen werden könne. Zudem werde in § 32 EStG die Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres neben die Ausbildung für einen Beruf gestellt. Daraus sei zu schließen, dass der Gesetzgeber das soziale Jahr nicht als Teil einer Berufsausbildung betrachte. Nur deshalb nämlich müsse...