Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht unwesentlicher Beitrag zum Kindesunterhalt bei erhöhtem Pflegegeld - keine Entlohnung der Pflegeeltern nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Pflegeeltern leisten auch dann einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Kindesunterhalt, wenn das Pflegegeld aufgrund des besonderen erzieherischen Bedarfs, etwa bei Verhaltensauffälligkeiten, traumatischem Erlebnishintergrund, Autismus, hyperkinetischen Störungen, etc., im Einzelfall erhöht ist.

2) Die von den Oberlandesgerichten entwickelten Unterhaltstabellen bieten bei der Prüfung der Frage, ob die Pflegeeltern einen nicht unwesentlichen Anteil an den Unterhaltsaufwendungen des Pflegekindes tragen, keine sachgerechte Orientierungshilfe (a.A. FG Münster, Urteil vom 18. Januar 2000 - 12 K 5548/99 Kg, EFG 2000, 380).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 11, § 32 Abs. 1, 1 Nr. 2, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1; SGB VIII § 39

 

Beteiligte

Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, Der Präsident

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.02.2003; Aktenzeichen VIII R 65/01)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für in Dauerpflege genommene Kinder Kindergeld zu gewähren ist.

Mit Antrag vom 29.09.1999 beantragte der Kläger (Kl.) Kindergeld für A. (geb. 27.11.1994) als Pflegekind. Darüber hinaus bezog der Kl. für vier eheliche Kinder und das Pflegekind B. (geb. 13.11.1990) Kindergeld. B. befindet sich auf Veranlassung der Jugendamtes C. seit dem 25.04.1996 und A. auf Veranlassung des Jugendamtes D. seit dem 01.09.1999 im Haushalt des Kl. Die Vermittlung erfolgte durch den Verein Löwenzahn – Lebensnahe Betreuungsformen e.V., E. (B.), bzw. durch den Verein Löwenzahn-Erziehungshilfe e.V., E. (A.). Das monatliche Pflegegeld beträgt 727,00 DM (B.) bzw. 748,00 DM (A.), der Beitrag für erhöhten Erziehungsaufwand 1.190,00 DM (B.) bzw. 1.230,00 DM (A.) monatlich.

Durch Bescheide vom 05.10.1999 lehnte der Beklagte (Bekl.) die Gewährung von Kindergeld für A. ab und hob den Kindergeldbescheid für B. mit Wirkung ab Oktober 1999 auf. Ein Pflegekindschaftsverhältnis scheitere an den nicht hinreichenden eigenen Unterhaltskosten des Kl.

Der Kl. legte mit Schreiben vom 24.10.1999 gegen die Bescheide Einspruch ein, die der Bekl. durch die Einspruchsentscheidungen (EE) vom 30.03.2000 zurückwies. B. und A. seien keine Pflegekinder des Kl., weil er über die Beiträge der zuständigen Jugendämter für erhöhten Erziehungsaufwand (B.: 1.237,62 DM; A.: 1.230,00 DM) hinaus keinen wesentlichen Unterhalt für die Kinder leiste.

Mit Schreiben vom 20.03.2000 erhob der Kl. gegen die EEen Klage und verfolgt sein Begehren weiter. Er sei als Sozialpädagogische Pflegestelle tätig. Mit den Beiträgen für den erhöhten Erziehungsaufwand erhalte er keine Entlohnung nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es handele sich um ein Anerkennungshonorar. Die Pflegekinder seien auf eine über das normale Maß hinausgehende Betreuung angewiesen. Es erfolge ganzjährig eine Betreuung rund um die Uhr, die auch den Urlaub und die Vertretung im Krankheitsfall umfasse.

Für die Frage, ob er einen Unterhaltsbeitrag in nicht unwesentlicher Höhe erbringe, seien nicht nur die finanziellen Leistungen, sondern auch die Sachleistungen und die investierte Zeit zu berücksichtigen. Der Zeitaufwand stelle schon für sich allein genommen grundsätzlich einen nicht unwesentlichen Unterhaltsbeitrag im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar.

Derzeit betrage das zur Erfüllung der Unterhaltsbedürfnisse der Kinder gezahlte Pflegegeld für B. 861,00 DM, für A. 752,00 DM. Die Betreuungshonorare von jeweils 1.263 DM seien bei der Berechnung des für die Erziehungsstellenkinder zur Verfügung stehenden Unterhalts nicht zu berücksichtigen. Es handle sich insoweit um ein Anerkennungshonorar für geleistete Erziehungsarbeit. Im Ergebnis stehe daher fest, daß für den Kl. auf der Grundlage der vom Bekl. selbst angesetzten Bedarfsbeträge eine Unterhaltsbelastung von weit mehr als 250,00 DM/monatlich je Kind verbleibe.

Der Kl. beantragt,

  • den Bekl. unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.1999 und der EE vom 30.03.2000 zu verpflichten, für das Kind A. ab Oktober 1999 Kindergeld in Höhe von 350,00 DM monatlich zu zahlen und
  • den das Kind B. betreffenden Bescheid vom 05.10.1999 und die EE vom 30.03.2000 aufzuheben und über den Monat September 1999 hinaus Kindergeld in Höhe von monatlich 350,00 DM zu zahlen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, er gehe davon aus, daß das gesetzliche Unterhaltserfordernis nur gegeben sei, wenn der Pflegeperson nach Anrechnung von Drittmitteln noch eine Restunterhaltsbelastung von mindestens etwa 250 DM im Monatsdurchschnitt verbleibe. Dabei werde der Bezug von normalem Pflegegeld als für den Kindergeldanspruch unschädlich angesehen. Das gelte jedoch nur für die regulären Pflegegeldsätze, die von den zuständigen Landesbehörden nach § 39 SGB VIII als Empfehlung für die Jugendämter festgesetzt würden. Im Streitfall seien erheblich höhere Beihilfen festgesetzt worden. Die daher erforde...

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