Selbstständig Tätige erzielen ihre Einkünfte in der Regel aus ihrer Erwerbstätigkeit. Dies hat zur Folge, dass sich die Ermittlung der Einkünfte am Einkommenssteuerrecht orientiert. In aller Regel ist der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige verpflichtet, eine Gewinnermittlung durchzuführen.
Zu den Grundsätzen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gehört das Prinzip des Verlustausgleichs. Der in § 2 Abs. 3 EStG verwendete Begriff der Summe der Einkünfte umfasst sowohl die Addition positiver Einkünfte als auch das Ergebnis des
- innerhalb einer Einkunftsart (horizontaler Verlustausgleich) oder
- zwischen verschiedenen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich)
durchzuführenden Verlustausgleichs. Demzufolge kann steuerrechtlich ein Ausgleich durch Verrechnung der auf denselben Veranlagungszeitraum entfallenden positiven und negativen Einkünfte des Steuerpflichtigen aus verschiedenen Einkunftsarten erfolgen. Dies gilt jedoch nur, soweit es durch gesetzliche Vorschriften nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, einen solchen Verlustausgleich vorzunehmen.
Berücksichtigung des horizontalen Verlustausgleichs
Der horizontale Verlustausgleich ist auch bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens im Rahmen des § 15 SGB IV zu berücksichtigen. Gewinne und Verluste aus von der Vorschrift erfassten selbstständigen Tätigkeiten (Land und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständige Arbeit) sind gegeneinander zu saldieren. Diese Regelung gilt auch bei der Berücksichtigung des Arbeitseinkommens als beitragspflichtige Einnahme.
Keine Berücksichtigung des vertikalen Verlustausgleichs
Der vertikale Verlustausgleich (Saldierung von negativen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten und umgekehrt) ist dagegen bei der Beitragsberechnung (Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen) nicht zulässig. Das Verbot des Verlustausgleichs zwischen den einzelnen Einkunftsarten hat die Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt. Der vertikale Verlustausgleich ist wegen der notwendigen Gleichbehandlung aller Versicherten nicht zulässig. Dies gilt auch, wenn er nur für Einkunftsarten geltend gemacht wird, die bei Pflichtversicherten nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehören. Auch hier gäbe es sonst eine Ungleichbehandlung zwischen
- den freiwillig Versicherten, die Einnahmen haben, bei denen ein Verlustausgleich nicht zulässig ist, weil sie zu den Einnahmen gehören, die auch bei Versicherungspflichtigen beitragspflichtig sind und
- den freiwillig Versicherten, die nur Einnahmen haben, die bei den Pflichtversicherten nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählen.
Der Verlustvortrag nach § 10d EStG führt ebenfalls nicht zu einer Minderung des Arbeitseinkommens. Der Verlustvortrag wird außerhalb der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften geltend gemacht und ist kein Bestandteil des Arbeitseinkommens nach § 15 Abs. 1 SGB IV. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Verlustverrechnung bei Einnahmen aus Kapitalvermögen
Speziell bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ist § 20 Abs. 6 EStG zu beachten. Diese Sonderbehandlung resultiert aus dem Umstand, dass die Krankenkassen bei der Ermittlung, der für die Beitragsbemessung zu berücksichtigenden Einnahmen aus Kapitalvermögen, i. d. R. an die Einkommenssteuerbescheide der Finanzämter und an Bescheinigungen der Kreditinstitute angewiesen sind. Damit finden dann implizit auch die im Einkommenssteuerrecht seit Einführung der Abgeltungssteuer geltenden Sonderregelungen für die Umsetzung des Verlustausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Niederschlag bei der Beitragsbemessung zur freiwilligen Krankenversicherung.
Konkret bedeutet dies, dass für die horizontalen Verlustverrechnungen innerhalb eines Veranlagungszeitraums für verschiedene Arten von Kapitalerträgen im Beitragsrecht der freiwilligen Krankenversicherung die gleichen Berechtigungen und Beschränkungen gelten wie im Einkommenssteuerrecht gem. § 20 Abs. 6 EStG. Somit ist ggfs. auch ein jahresübergreifender steuerrechtlicher Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch im Beitragsrecht entsprechend zu berücksichtigen.
Auch bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ist ein vertikaler Verlustausgleich sowohl innerhalb eines Veranlagungszeitraums als auch jahresübergreifend sowohl im Einkommenssteuerrecht als auch im Beitragsrecht zur freiwilligen Krankenversicherung ausgeschlossen.