Zusammenfassung
Die Garantenstellung ist eine strafrechtliche Verantwortlichkeit dafür, dass die Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsguts durch Unterlassen nicht eintritt (z. B. Tod, Körperverletzung, sexueller Missbrauch einer Person). Die Garantenstellung begründet Garantenpflichten zur Abwendung der Rechtsgutverletzung
Wer eine Garantenstellung hat, kann sich durch Unterlassen strafbar machen (§ 13 StGB). Das (verwaltungsrechtliche) Verfahren des Jugendamts zur Erfüllung der (strafrechtlichen) Garantenpflichten des einzelnen Mitarbeiters regelt § 8a SGB VIII. Für den einzelnen Mitarbeiter begründet die Garantenstellung das staatliche Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, dessen Wortlaut § 1 Abs. 2 SGB VIII und § 1 Abs. 2 KKG wiederholen.
1 Begründung für natürliche Person
Eine Garantenstellung kann nicht für eine Institution, sondern immer nur für eine natürliche Person begründet werden. Dies folgt aus dem Wesen des Strafrechts, das persönliche Vorwerfbarkeit voraussetzt. Die fallzuständige Fachkraft im Jugendamt hat eine Garantenstellung,
- zum einen aus Gesetz, nämlich aus dem staatlichen Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG
- zum anderen aus Schutzübernahme für das betreute Kind ("Beschützergarant").
Die Schutzübernahme kann durch Vertrag erfolgen, aber auch durch eine rein tatsächliche Schutzübernahme. Die Garantenposition aus tatsächlicher Schutzübernahme nimmt die fallzuständige Fachkraft nicht nur im Interventionsbereich (Inobhutnahme), sondern auch im Präventionsbereich (erzieherische Hilfen) des staatlichen Wächteramts ein. Der Amtsvormund und der Amtspfleger in seinem Wirkungskreis haben die Garantenstellung aus ihrer persönlichen erzieherischen Verantwortung für das Kind.
Beteiligung der Mitarbeiter von Trägern der freien Jugendhilfe
Dieser Garantenstellung kann sich die fallzuständige Fachkraft im Jugendamt nicht dadurch entledigen, dass sie Mitarbeiter von Trägern der freien Jugendhilfe bei der Hilfegewährung beteiligt. Für die Mitarbeiter der freien Trägers ergibt sich eine Garantenstellung dann in doppelter Weise aus
- einer originär-eigenen Garantenposition aus tatsächlicher Schutzübernahme und
- der Ableitung der Garantenstellung von der fallzuständigen Fachkraft im Jugendamt.
2 Garantenpflichten
Unklar war bis zu Einfügung des § 8a in das SGB VIII, welche Garantenpflichten der Garant erfüllen muss. Die "Regeln der Kunst" sind nun in § 8a SGB VIII als Standard beschrieben. Damit sind diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Pflichten zugleich strafrechtliche Handlungspflichten. Die Handlungspflichten sind 3-stufig aufgebaut: Die Fachkraft muss auf der jeweiligen Stufe
- Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkennen,
- das individuelle Schadensrisiko bewerten,
- handeln, insbesondere durch Vermittlung von Hilfen, notfalls auch durch Inobhutnahme des Kindes unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII.