[1] Auf Antrag wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von der Versicherungspflicht befreit, wer u. a. durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente nach § 5 Abs. 1 Nr. 11, 11a, 11b oder 12 SGB V versicherungspflichtig würde. Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht bewirkt, dass auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt.
[2] Bei Rentenantragstellern findet nicht eine Befreiung von der Versicherungspflicht im engeren Sinne, sondern von der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V statt. In Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung für eine Befreiung sind die Phase der Rentenantragstellung und die Zeit, für die der Anspruch auf die Rente zugebilligt wird, als Einheit zu betrachten. Im Ergebnis besteht damit nur einmalig anlässlich der Beantragung der Rente ein Befreiungsrecht.
[3] Nach dem Urteil des BSG vom 27.4.2016, B 12 KR 24/14 R, USK 2016-30, ist nur dann eine Befreiung von der Versicherungspflicht möglich, wenn nicht unmittelbar vor Eintritt des Befreiungstatbestandes bereits Versicherungspflicht aus einem anderen Grund bestand. "Unmittelbar" in diesem Kontext bedeutet, dass sich die Versicherungspflichttatbestände nahtlos aneinander anschließen müssen. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Versicherungspflichttatbestände nahtlos aneinander anschließen oder es sich bei der vorausgehenden Versicherungspflicht um eine zunächst bestehende Vorrangversicherungspflicht (bei Rentnern z. B. die Versicherungspflicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses) handelt. Eine dem Befreiungstatbestand nicht unmittelbar davor, sondern zu irgendeinem Zeitpunkt vorausgehende Versicherungspflicht verhindert hingegen das Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht.
[4] Zeiten der Versicherungspflicht in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR oder in der Schweiz sind nach Artikel 5 VO (EG) Nr. 883/04 Zeiten der Versicherungspflicht in Deutschland gleichzustellen. Bei folgenden Staaten mit Nationalem Gesundheitsdienst ist generell von Versicherungspflicht auszugehen:
- Bulgarien
- Dänemark
- Finnland
- Irland
- Island
- Italien
- Lettland
- Liechtenstein
- Litauen
- Malta
- Niederlande
- Norwegen
- Portugal
- Rumänien
- Schweden
- Schweiz
- Slowakei
- Tschechien
- Vereinigtes Königreich
[5] Eine vor dem Befreiungstatbestand bestandene Familienversicherung oder freiwillige Krankenversicherung schließt hingegen ein Befreiungsrecht nicht aus. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht zu Gunsten einer Familienversicherung schließt das Gesetz allerdings aus (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Eine Befreiung von der Versicherungspflicht zu Gunsten einer – zum Befreiungszeitpunkt eintretenden oder fortbestehenden – freiwilligen Krankenversicherung ist ebenfalls ausgeschlossen.
[6] Ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht besteht seit dem 1.8.2013 nur dann, wenn der Betroffene einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat und diesen nachweist (§ 8 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Diese weitere Voraussetzung für die Befreiung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einführung der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V und soll als weitere Maßnahme sicherstellen, dass keine Person ohne Absicherung im Krankheitsfall bleibt.
[7] Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall ist inhaltlich deckungsgleich mit dem gleichlautenden Begriff in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V; dementsprechend sind die in den Veröffentlichungen der ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen und des GKV-Spitzenverbandes publizierten Auslegungshinweise zu diesem Begriff im Anwendungsbereich der Auffang-Versicherungspflicht [GR v. 20.3.2007] für die Befreiung von der Versicherungspflicht ebenfalls anzuwenden.
[8] Eine Befreiung setzt voraus, dass eine derartige anderweitige Absicherung im Krankheitsfall für den Zeitpunkt nachgewiesen wird, an dem die Befreiung ihre Wirkung entfaltet, also an dem Tag, ab dem der die Befreiung ermöglichende Tatbestand der Versicherungspflicht eintreten würde.
[9] Hat ein Rentner nicht oder nicht fristgemäß die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt, eröffnet ein späterer vorübergehender Verzicht auf die Rentenzahlung kein erneutes Befreiungsrecht anlässlich der Wiederaufnahme der Rentenzahlung (BSG, Urteil vom 11.11.2003, B12 KR 3/03 R, USK 2003-35).