2.1 Allgemeines
(1) Wie in § 13 Abs. 1 SGB XI bereits normiert, sind die Leistungen der Pflegeversicherung gegenüber gesetzlichen Entschädigungsleistungen nachrangig. § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI konkretisiert dies dahingehend, dass der Leistungsanspruch nach dem SGB XI in Höhe der Entschädigungsleistungen ruht. Zum Ruhen des Leistungsanspruchs nach dem SGB XI führen Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit
- nach dem BVG, z. B. Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 BVG oder die Kostenübernahme bei stationärer Pflege nach § 35 Abs. 6 BVG, oder
- aus der gesetzlichen Unfallversicherung, z. B. Hauspflege, Anstaltspflege oder Pflegegeld nach § 44 SGB VII, oder
- aus der Unfallversorgung nach öffentlichem Dienstrecht, z. B. nach dem Beamten- oder Soldatenversorgungsgesetz oder nach dem Deutschen Richtergesetz, oder
- aus dem Ausland oder von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung.
(2) Das Ruhen des Leistungsanspruchs nach dem SGB XI wegen Bezugs von Entschädigungsleistungen tritt nur in Höhe der bezogenen Entschädigungsleistungen ein. Hiermit soll eine Überversorgung durch Doppelleistungen vermieden werden, da die beiden in Betracht kommenden Leistungen im Wesentlichen dem gleichen Zweck dienen und zeitgleich bezogen bzw. beansprucht werden können.
Die nachfolgenden Ausführungen sind auch auf die anderen Entschädigungsleistungen nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, aus der gesetzlichen Unfallversicherung, aus der Unfallversorgung nach öffentlichem Dienstrecht oder aus dem Ausland oder von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung anzuwenden.
Ergibt sich aus dem Antrag, dass die Pflegebedürftigkeit zumindest überwiegend aufgrund einer anerkannten Schädigung besteht, der Berechtigte vom Versorgungsamt aber keine oder nur eine geringe Pflegezulage nach § 35 BVG erhält, leitet die Pflegekasse die Unterlagen an das örtlich zuständige Versorgungsamt weiter, da der bei der Pflegekasse gestellte Antrag im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I die Zahlung oder Erhöhung einer Pflegezulage nach § 35 BVG begründet. Der Antrag auf Pflegezulage nach § 35 BVG gilt dann nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei der Pflegekasse eingegangen ist.
Ist der Leistungsanspruch nach den §§ 36 bis 43, 45b und § 123 SGB XI sowie der Vergütungsanspruch nach § 87b SGB XI höher, ist der Differenzbetrag von der Pflegekasse zu erbringen (vgl. Ziffer 3 Abs. 2 zu § 38 SGB XI).
(3) Die Ruhensbestimmungen des § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI gelten nicht in Bezug auf die (nachrangigen) Leistungen der Kriegsopferfürsorge (z. B. die Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG, Wohnungshilfe nach § 27c BVG).
2.2 Leistungen bei häuslicher Pflege, teilstationärer Pflege und Kurzzeitpflege
[1] In § 35 BVG sind die Leistungen bei Verhinderung der Pflegeperson (§ 39 SGB XI), teilstationärer Pflege (§ 41 SGB XI) oder Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) nicht ausdrücklich genannt. Allerdings bestimmt § 35 Abs. 2 Satz 4 BVG, dass die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen entsprechend zu erhöhen ist, wenn vorübergehend Kosten für fremde Hilfe entstehen. Hierbei wird eine Begrenzung auf die Höchstdauer der Kostenübernahme bei Verhinderung der Pflegeperson vorgenommen, und nicht auf eine Mindestdauer (z. B. stunden- oder tageweise) abgestellt. § 35 Abs. 2 Satz 4 BVG nennt die Krankheit nur "insbesondere" als konkreten Grund für die vorübergehende Verhinderung der Pflegeperson. Die nicht ausdrücklich genannten Gründe wie Urlaub oder andere vergleichbare Gründe sind in ihrer rechtlichen Wirkung der Krankheit jedoch gleichzustellen. Dies kann auch im Einzelfall für eine stundenweise Abwesenheit der Pflegeperson (z. B. für einen Arztbesuch) gelten. Die Versorgungsämter übernehmen die anfallenden Kosten in voller Höhe nach § 35 Abs. 2 Satz 4 BVG. Eine Leistungsgewährung durch die Pflegekasse kommt nur in Betracht, wenn die laufenden monatlichen Leistungen nach den §§ 36 bis 38 SGB XI bzw. § 41 SGB XI plus die einmalige jährliche Leistung nach § 39 SGB XI und/oder § 42 SGB XI höher sind als die Pflegeleistungen nach § 35 BVG. Wird der Leistungsrahmen der Ersatzpflege (§ 39 SGB XI) bereits bei einer einmaligen Inanspruchnahme (fiktiv) ausgeschöpft, ist ein Vergleichszeitraum zugrunde zu legen.
Beispiel 1
Pflegegeld in der Pflegestufe II und Pflegezulage nach § 35 BVG nach der Stufe III (Stand: 01.07.2015) in Höhe von 711,00 EUR
In dem Zeitraum vom 19.04. bis 13.05.2016 (25 Kalendertage) wird in einer stationären Pflegeeinrichtung Ersatzpflege erbracht. Hierfür stellt die stationäre Pflegeeinrichtung für 25 Tage Ersatzpflege (= pflegebedingte Aufwendungen) einen Betrag in Höhe von 1.566,75 EUR in Rechnung.
Ergebnis:
Ein Anspruch auf Pflegegeld besteht vom 01.04. bis 19.04.2016 (19 Tage) und vom 13.05.2016 bis 31.05.2016 (19 Tage) in Höhe von 580,13 EUR (458,00 EUR x 19 : 30 = 290,07 EUR x 2). In der Zeit vom 20.04.2016 bis 12.05.2016 (23 Kalendertage) besteht während der Ersatzpflege ein Anspruch auf hälftiges Pflegegeld in Höhe von 175,57 EUR (50 v. H. von 458,00 EUR = 229,00 EUR x...