[1] Der im Abschnitt 2 Ziff. 1 und 2 aufgeführte Personenkreis hat das Recht,
- bei der Ausführung, d.h. Inanspruchnahme von Leistungen,
- im Verwaltungsverfahren
der Kranken- und Pflegeversicherung die (Deutsche) Gebärdensprache bzw. lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. Voraussetzung ist, dass dem Betroffenen ohne die Verwendung der Gebärdensprache die Wahrnehmung seiner sozialen Rechte (§ 2 SGB I) nicht oder nicht vollständig möglich ist. Hierzu gehört insbesondere der Anspruch auf Gewährleistung einer wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) Krankenbehandlung (vgl. auch Urteil des BVerwG vom 25. Januar 1996 - 5 C 20/95 -).
[2] Alternativ zur Gebärdensprache bzw. zu lautsprachbegleitenden Gebärden kommt eine Verwendung "anderer" Kommunikationshilfen in Betracht. Hierzu gehören die in der Anlage 2 beschriebenen Relaisdolmetscher, Schriftdolmetscher, Simultanschriftdolmetscher, Oraldolmetscher und Kommunikationsassistenten.
[3] Zu den anderen Kommunikationshilfen zählen nicht die individuellen Hilfsmittel nach § 33 SGB V bzw. § 31 SGB IX, wie Hörhilfen und Kommunikationshilfen der Produktgruppen 13 und 16 des Hilfsmittelverzeichnisses gemäß § 139 SGB V sowie die den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zuzurechnenden Kommunikationshilfen wie Telefaxgeräte.
[4] Der Hörbehinderte kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, sich schriftlich zu artikulieren. Soweit der Kranken-/Pflegekasse oder dem Leistungserbringer kein eigenes der Deutschen Gebärdensprache mächtiges Personal zur Verfügung steht, besteht ein Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers oder einer anderen Kommunikationshilfe. Ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere Kommunikationshilfe wird ausschließlich zur mündlichen Kommunikation zur Verfügung gestellt.
[5] Eine Verwendung der Gebärdensprache unter Zuhilfenahme eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. der Einsatz einer anderen Kommunikationshilfe kommt in Betracht, wenn diese(r) benötigt wird
- im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren (z. B. Leistungsantrag, Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft, Auskunfts- oder Beratungsersuchen, Widerspruchsverfahren)
beispielsweise für eine medizinisch notwendige Inanspruchnahme
- ambulanter oder stationärer Untersuchung,
- ambulanter oder stationärer Behandlung,
- von Heilmitteln,
- von Hilfsmitteln,
- von Zahnersatz,
- für Pflegeleistungen,
und zwar ungeachtet dessen, ob es sich bei den zu erbringenden oder betroffenen Leistungen um Gesetzes-, Satzungs- oder Ermessensleistungen handelt.
[6] Die Notwendigkeit für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. einer anderen Kommunikationshilfe ist im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen nur insoweit gegeben, als
- der Leistungserbringer (z. B. Vertragsarzt, Hilfsmittellieferant) vom Versicherten nur so die benötigten Informationen (z. B. zur Anamnese- und Befunderhebung, Klärung der Hilfsmitteltauglichkeit) erhält und/oder
- dem Versicherten vom Leistungserbringer die erforderlichen Hinweise nur so vermittelt werden können (z. B. hinsichtlich der notwendigen Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen bzw. bei der Abgabe oder Anpassung von Hilfsmitteln).
[7] Bei laufend zu erbringenden Leistungen (z. B. Heilmittelserien) kann sich deshalb die Notwendigkeit für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. anderer Kommunikationshilfen auf bestimmte Behandlungsphasen (z. B. Behandlungsbeginn, Änderung oder Beendigung der Behandlung) beschränken.
[8] Wird ein dem Einsatzort nicht nächstgelegener Gebärdensprachdolmetscher in Anspruch genommen, können dem Hörbehinderten die dadurch entstehenden Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.
[9] Der Anspruch auf Übernahme der durch Verwendung der Gebärdensprache bzw. lautsprachbegleitender Gebärden entstehenden Kosten beschränkt sich auf die Deutsche Gebärdensprache und die deutsche Lautsprache (= Amtssprache; vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit S. 1 SGB X, §§ 6 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 1 S. 1 BGG). Für spracharme oder mehrfachbehinderte Hörgeschädigte kann ein Relaisdolmetscher (siehe Anlage 2) hinzugezogen werden. Die durch (evtl. zusätzliche) Hinzuziehung eines Fremdsprachendolmetschers bzw. Verwendung einer ausländischen Gebärdensprache entstehenden (zusätzlichen) Kosten sind nicht erstattungsfähig.
[10] Die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Inanspruchnahme von zwei Gebärdensprachdolmetschern (Doppelbesetzung) kann gegeben sein, wenn
- die Dolmetschzeit zusammenhängend länger als 60 Minuten andauert und keine Möglichkeit zur Steuerung von Pausen/Unterbrechungen durch den Gebärdensprachdolmetscher besteht.
- vier oder mehr Gesprächsteilnehmer (ohne Gebärdensprachdolmetscher) beteiligt sind,
- verschiedene Medien (z. B. Overhead-Projektor, Video/TV) zum Einsatz kommen.
[11] Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der Dauer und Intensität des benötigten Dolmetschereinsatzes durch alle Beteiligten (Hörbehinderte, Leistungserbringer, Gebärdensprachdolmetscher, Kranken-/Pflegekasse). Dies gilt auch für vorstehend nicht erfasste besonders gelager...