[1] Die Anspruchsdauer von sechs Wochen verlängert sich nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzutritt, die für sich allein ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursacht (vgl. BAG, Urteil vom 12.9.1967, 1 AZR 367/66, USK 6796, EEK I/715 und vom 14.9.1983, 5 AZR 70/81, USK 8397, EEK I/771).
[2] Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit jedoch spätestens mit dem tatsächlichen Entgeltbezug für insgesamt sechs Wochen (vgl. Abschnitte 5.1 und 5.2).
[3] Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzu, die bereits früher Arbeitsunfähigkeit verursacht hatte, so sind auf die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs die vorhergehenden Bezugszeiten wegen dieser hinzugetretenen Krankheit [akt.], sofern nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG vorliegen, von dem Zeitpunkt an anzurechnen, in dem die hinzugetretene Krankheit alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit ist (vgl. BAG, Urteil vom 27.7.1977, 5 AZR 318/76, USK 77115, EEK I/565).
[4] Besteht während der Arbeitsverhinderung unabhängig von der zweiten Erkrankung eine Entgeltfortzahlungspflicht, begründet aber diese zweite, hinzugetretene Krankheit keinen eigenen, zusätzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch (z.B. weil sie nicht länger dauert als die Ersterkrankung), dann ist kein Fortsetzungszusammenhang gegeben, wenn die hinzugetretene Krankheit später – innerhalb der Sechs-Monats-Frist – erneut auftritt (vgl. BAG, Urteil vom 19.6.1991, 5 AZR 304/90, USK 9122, EEK I/1056). Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen also nicht auf die Vorerkrankung hinweisen und die Entgeltfortzahlung verweigern oder zeitlich beschränken.
[5] Wenn jedoch eine Fortsetzungserkrankung zu einer bereits bestehenden Krankheit hinzutritt und über deren Ende hinaus andauert, liegt ein einheitlicher Verhinderungstatbestand mit dem Ende der ursprünglichen Krankheit nicht mehr vor; vielmehr beruht die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dann nur noch auf der Fortsetzungserkrankung. In diesen Fällen schuldet der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist, die die äußerste zeitliche Grenze auch für Mehrfacherkrankungen bei einem einheitlichen Verhinderungsfall bedeutet (vgl. BAG, Urteil vom 2.2.1994, 5 AZR 345/93, USK 9404, EEK I/1138).
[6] Beim Hinzutritt einer Krankheit gelten für die Berechnung der Sechs- bzw. Zwölf-Monats-Frist und für die Dauer der Entgeltfortzahlung folgende Grundsätze:
- Beim Hinzutritt einer Krankheit ist für den Verlauf der Sechs-Monats-Frist der Tag, an dem das hinzutretende Leiden allein für sich Arbeitsunfähigkeit verursacht, der maßgebende Ereignistag.
- Sofern anlässlich einer Vorerkrankungszeit eine Krankheit hinzugetreten war und von einem bestimmten Tage an allein die Arbeitsunfähigkeit verursacht hatte, ist bei der Prüfung der Sechs-Monats-Frist auf den Tag abzustellen, an dem die für die Beurteilung der Anspruchsdauer maßgebende ("dieselbe") Krankheit zuletzt die Arbeitsunfähigkeit bedingte.
- Eine neue Zwölf-Monats-Frist beginnt in den Fällen des Hinzutritts nur, wenn an dem Tag, an dem das hinzutretende Leiden allein die Arbeitsunfähigkeit verursacht, noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.
- In den Fällen des Hinzutritts wird die zu Beginn des laufenden Leistungsfalls bestehende Anspruchsdauer nicht verlängert.
Beispiele [2021 aktualisiert]
– Arbeitsunfähigkeit ist jeweils vor Arbeitsbeginn eingetreten –
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a) |
Krankheit |
1. Arbeitsunfähigkeit |
Kalendertage |
Entgeltfortzahlung |
Kalendertage |
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vom |
bis |
vom |
bis |
A |
3.9.2021 |
17.9.2021 |
15 |
3.9.2021 |
17.9.2021 |
15 |
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A/B |
18.9.2021 |
2.10.2021 |
15 |
18.9.2021 |
2.10.2021 |
15 |
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B |
3.10.2021 |
10.11.2021 |
39 |
3.10.2021 |
14.10.2021 |
12 |
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Erneute Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit A beginnt am 2.4.2022. |
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Ergebnis: |
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6-Monats-Frist Krankheit A: 1.4.2022 bis 2.10.2021 |
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Für die Arbeitsunfähigkeit wegen der Krankheit A besteht ab 2.4.2022 kein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für 6 Wochen. Innerhalb der durch die 1. Arbeitsunfähigkeit wegen der Krankheit A ausgelösten und vom 3.9.2021 bis 2.9.2022 verlaufenden 12-Monats-Frist ist ab 2.4.2022 unter Berücksichtigung der Vorerkrankungszeit wegen der Krankheit A vom 3.9. bis 2.10.2021 (30 Kalendertage) noch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 12 Tage, das ist bis einschließlich 13.4.2022, gegeben. |
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b) |
Krankheit |
1. Arbeitsunfähigkeit |
Kalendertage |
Entgeltfortzahlung |
Kalendertage |
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vom |
bis |
vom |
bis |
A |
3.9.2021 |
17.9.2021 |
15 |
3.9.2021 |
17.9.2021 |
15 |
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A/B |
18.9.2021 |
1.10.2021 |
14 |
18.9.2021 |
1.10.2021 |
14 |
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B |
2.10.2021 |
10.11.2021 |
40 |
2.10.2021 |
14.10.2021 |
13 |
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Erneute Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit A beginnt am 2.4.2022 |
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Ergebnis: |
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6-Monats-Frist Krankheit A: 1.4.2022 bis 2.10.2021 |
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Für die Arbeitsunfähigkeit wegen der Krankheit A besteht ab 2.4.2022 ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von 6 Wochen, das ist bis einschließlich 13.5.2022. Hierdurch wird gleichzeitig eine neue 12-Monats-Frist ausgelöst. |
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c) |
Krankheit |
1. Arbeitsunf... |