Einleitung
Mit der Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose zum 1.1.2005 hat der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94, USK 2001-9) umgesetzt. Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die beitragsrechtlichen Vorschriften des § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 i.V.m. Artikel 6 Abs. 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat zur Begründung ausgeführt, Artikel 3 Abs. 1 i.V.m. Artikel 6 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung finde. Dadurch werde die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen würden, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Da auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen sei und an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit bestehe, seien Erziehungsleistungen zugunsten der Familie in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen. Werde dieser generative Beitrag nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führe dies zu einer spezifischen Belastung Kinder erziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen sei. Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Vorteil kinderloser Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Vorteils kinderloser Versicherter hat der Gesetzgeber allerdings nicht die Pflegeversicherungsbeiträge der Versicherten mit Kindern reduziert, sondern den Beitragssatz für Kinderlose um 0,25 Prozentpunkte erhöht.
Das BVerfG hält jedoch eine weitergehende Berücksichtigung des wirtschaftlichen Kindererziehungsaufwands im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung für verfassungsrechtlich geboten. Mit seinem Beschluss vom 7.4.2022 (1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16 und 1 BvR 2824/17, USK 2022-3) bestätigt das BVerfG zunächst grundsätzlich den Familienlastenausgleich im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung. Die Differenzierung zwischen Kinderlosen und Eltern gehe jedoch nicht weit genug. Dabei stellt das BVerfG fest, dass im gegenwärtigen System der sozialen Pflegeversicherung Eltern mit mehr Kindern gegenüber Eltern mit weniger Kindern in spezifischer Weise benachteiligt werden, weil der mit steigender Kinderzahl anwachsende Erziehungsaufwand im geltenden Beitragsrecht keine Berücksichtigung finde. Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Zur Umsetzung des Beschlusses des BVerfG vom 7.4.2022 hat der Gesetzgeber mit dem "Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)" vom 19.6.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 155) eine Beitragssatzdifferenzierung nach der Anzahl der Kinder vorgesehen. Danach werden Mitglieder mit mehreren Kindern ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet. Der Beitragsabschlag gilt bis zum Ablauf des Monats, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat oder vollendet hätte. Damit wird der wirtschaftliche Aufwand der Kindererziehung für einen Zeitraum berücksichtigt, in dem dieser typischerweise anfällt.
Die Umsetzung der je nach Kinderzahl unterschiedlichen Beitragssätze (Beitragsabschläge) ist für die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Gesetzgeber erkennt diesen Aufwand an. Er hat einen Übergangszeitraum geschaffen, wonach die Beitragsabschläge so bald wie möglich zu berücksichtigen, spätestens aber bis zum 30.6.2025 zu erstatten sind. Der Erstattungsbetrag ist unter bestimmten Voraussetzungen zu verzinsen. Mit dem "Wachstumschancengesetz" vom 27.3.2024 (BGBl. I Nr. 108) ist eine vereinfachte Regelung zur Verzinsung des Erstattungsanspruchs und zur Aufrechnung geschaffen worden
Mit den "Grundsätzlichen Hinweisen zur Differenzierung der Beitragssätze in der [sozialen] Pflegeversicherung nach Anzahl der Kinder" werden die mit dem PUEG beschlossenen Änderungen zur Berücksichtigung von Kindern bei der Berechnung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung für Zeiten ab dem 1.7.2023 näher beschrieben. Die vorliegende Fassung vom 28.3.2024 enthält gegenüber der vorherigen Fassung vom 11.7.2023 auch Aussagen zur Erstattung von im Übergangszeitraum zu viel gezahlten Beiträgen und zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen. Die Ausführungen dienen in erster Linie...