Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung einer Betriebsratswahlanfechtung bei fälschlicher Annahme des Bestehens eines Betriebes
Leitsatz (amtlich)
Die erfolgreiche Anfechtung einer Betriebsratswahl wirkt nur für die Zukunft. Bis zur Rechtskraft einer die Wahl für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung bleibt der Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Das gilt auch dann, wenn unter Verkennung des Betriebsbegriffs unzutreffend das Bestehen eines Betriebs angenommen worden ist.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 130
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.01.2009; Aktenzeichen 1 Ca 7211/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Januar 2009 – 1 Ca 7211/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 10. September 1952 geborene und verheiratete Kläger ist mit einem Grad von 60 schwerbehindert. Er schloss mit der beklagten Stadt, die mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt und bei der eine Personalvertretung gebildet ist, unter dem 12. Februar 2008 einen für die Zeit vom 01. April 2008 bis 31. Dezember 2010 befristeten Arbeitsvertrag. Es wurde eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart (§ 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags, Bl. 49 f. d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) mit dem Besonderen Teil Verwaltung in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-VKA) Anwendung. Der Kläger erhielt zuletzt in Vergütung in Höhe von EUR 2.412,54 brutto monatlich.
Ab Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde der Kläger mit seinem Einverständnis widerruflich der A zur Dienstleistung zugewiesen und in deren Jobcenter Nord, Arbeitsbereich „Persönliche/r Ansprechpartner/in” eingesetzt. Die A ist eine von der Beklagten und der Agentur für Arbeit, die je zur Hälfte Gesellschafter sind, gemäß § 44 SGB II gegründete Arbeitsgemeinschaft. Die Zusammenarbeit regelt ein Kooperationsvertrag. Danach stellen die Vertragspartner das notwendige Personal zur Verfügung. Sie bleiben Arbeitgeber des zur Verfügung gestellten Personals und übertragen dem Geschäftsführer der A das fachliche Weisungsrecht. Für die A sind ca. 400 Arbeitnehmer tätig. Am 13. August 2008 wurde für die A ein Betriebsrat gewählt, nachdem ein Eilantrag der A auf Abbruch der Wahl durch Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 2008 – 14 BVGa 542/08 – und auch die hiergegen gerichtete Beschwerde durch Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 09. August 2008 – 9 TaBVGa 188/07 – (Bl. 22 – 36) zurückgewiesen worden waren. Laut Wahlausschreiben stand auch den von der Beklagten gestellten Arbeitnehmern das aktive und passive Wahlrecht zu. Auf Antrag der A hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 09. Januar 2009 – 24 BV 613/08 – festgestellt, dass die am 13. August 2008 durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam ist. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03. September 2009 – 9 TaBV 64/09 – die Wahl mit der Begründung wegen Verstoßes gegen §§ 8, 9 BetrVG für ungültig erklärt und ausgeführt, die Rhein-Main B habe keine vertraglich verbundener Arbeitnehmer und es bestehe kein gemeinsamer Betrieb „C” der Beklagten und der Agentur für Arbeit.
Mit Schreiben vom 22. September 2008, das der Kläger am selben Tag erhielt, kündigte die beklagte Stadt nach Beteiligung der bei ihr gebildeten Personalvertretung, aber ohne Anhörung des gebildeten Betriebsrats das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31. Oktober 2008.
Mit seiner am 13. Oktober 2008 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhobenen und der Beklagten am 28. Oktober 2008 zugestellten Klage richtet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei mangels vorheriger Beteiligung des Betriebsrats unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. September 2008 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie den Betriebsrat nicht habe beteiligen müssen, weil der Kläger Arbeitnehmer der Stadt geblieben sei und kein Gemeinschaftsbetrieb bestehe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 22. Januar 2009 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Kündigung aufgrund der fehlenden Anhörung des Betriebsrats unwirksam sei. Es könne offen bleiben, ob es sich bei...