Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Ehegattenarbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Unwirksame Kündigung eines Rechtsanwalts gegenüber seiner in der Kanzlei mitarbeitenden Ehefrau, nachdem diese einen früheren Sozius und vom Beklagten als seinen „schärfsten Konkurrenten” angesehenen Kollegen mit der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den Beklagten beauftragt hatte.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Urteil vom 30.04.1998; Aktenzeichen 2 Ca 64/98) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 30. April 1998 – 2 Ca 64/98 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Die Parteien waren zum Kündigungszeitpunkt getrennt lebende Eheleute. Sie haben zwei Töchter, die 1986 geborene T. und die 1990 geborene S.. Der beklagte Ehemann hat eine Anwaltskanzlei in G.. Die am 20. Aug. 1958 geborene Klägerin war seit März 1994 für den Beklagten als Büroangestellte in dessen Kanzlei tätig. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst der Klägerin betrug zuletzt DM 750,–. Der Beklagte beschäftigt mehr als 5 Arbeitnehmer. Die Parteien leben seit 6. Jan. 1998 getrennt. Die Klägerin arbeitete an vier Tagen in der Woche an drei bis vier Arbeitsstunden. Ihr Aufgabenbereich umfaßte zuletzt den Bereich der Buchhaltung und die Vorkontierung der Geschäftskonten. Durch das Vorkontieren hatte sie Einblick in sämtliche Geschäftskonten.
Vom 24. Aug. bis Mitte November 1997 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab 29. Dez. 1997 war sie nicht mehr in der Kanzlei tätig.
Mit Schreiben vom 16. Jan. 1998, der Klägerin am 20. Jan. 1998 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und sprach zugleich hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Gegen diese Kündigung hat sich die Klägerin mit ihrer am 9. Febr. 1998 beim Arbeitsgericht Gießen eingegangen Klage gewandt.
Eine weitere gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Beklagten vom 7. Mai 1998 zum 30. Juni 1998 hat die Klägerin nicht angegriffen.
Mit Schreiben vom 8. Jan. 1998 (Bl. 11–14 d. A.) machte der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt K. gegenüber dem Beklagten Unterhalts- und Auskunftsansprüche hinsichtlich der gesamten Einkünfte des Beklagten für die Jahre 1995 bis 1997 geltend. Bis zum 4. März 1994 bestand zwischen dem Beklagten und den Rechtsanwälten K. und N. eine Sozietät. Der Auszug aus den Büroräumen des Beklagten erfolgte am 17. Nov. 1994. Bei der Auseinandersetzung kam es zu erheblichen Streitigkeiten zwischen den Sozietätsmitgliedern wegen der Ausgleichszahlungen aus den ehemaligen Geschäftskonten. Es wurden mehrere Rechtsstreite zwischen den ehemaligen Sozietätsmitgliedern geführt. Die Auseinandersetzung dieser Sozietät ist bis heute nicht vollständig abgeschlossen. Es gibt noch eine offene Forderung der Fa. S. AG und eine Darlehensforderung der Sparkasse. Dies war der Klägerin bekannt. Nachdem die Rechtsanwaltskammer durch Schreiben vom 8. April 1998 auf „größte Bedenken” gegen die Vertretung der Klägerin durch Rechtsanwalt K. hinwies, ließ die Klägerin sich in der Unterhaltsangelegenheit durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten. Mit Schreiben vom 25. Nov. 1998 (Bl. 112 d. A.) teilte die Anwaltskammer mit, sie erachte die Beschwerde gegen Rechtsanwalt K. für begründet.
Die Klägerin hat gemeint, die Gefahr, daß Rechtsanwalt K. die vom Beklagten verlangten Auskünfte über dessen Einkünfte für eigene Interessen verwende, bestünde angesichts der unterschiedlichen betroffenen Zeiträume nicht. Die Auseinandersetzung der Sozietät werde von keiner Seite mehr betrieben. Sie hat behauptet, im Gütetermin vom 9. März 1998 habe sie geäußert, sie habe sich zunächst an ihren Bruder gewandt, der Rechtsanwalt in F. a. M. sei. Dieser habe ihr jedoch gesagt, er könne ihr nicht behilflich sein. Daraufhin habe sie sich an Rechtsanwalt K. gewandt, da sie diesen nun einmal kenne. Ab Mitte November 1997 sei sie ihren arbeitsvertraglichen Pflichten wieder ordnungsgemäß nachgekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 16. Jan. 1998, zugegangen am 20. Jan. 1998, aufgelöst worden ist,
den Beklagten zu verurteilen, ihr die ordnungsgemäß ausgefüllten Sozialversicherungsbescheinigungen für die Jahre 1994, 1995 und 1996 sowie das Sozialversicherungsnachweisheft herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat gemeint, die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei ihm nicht zumutbar. Er hat behauptet, die noch offenen Forderungen aus der ehemaligen Sozietät und den damaligen Geschäftskonten beträfen u. a. den Zeitraum, für den Rechtsanwalt K. nunmehr Auskunft über die Einkünfte des Beklagten fordere. Die Beauftragung des Rechtsanwalts K. mit der Wahrnehmung der Unterhaltsansprüche durch die Klägerin stelle sich gegenüber dem Beklagten als erheblicher Treuepflichtverstoß auch im ...