Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 SGG. Absenkung des Arbeitslosengeldes als Aufhebungs- und Änderungsbescheid
Orientierungssatz
1. Der Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 SGG ist auf die Fälle beschränkt, in denen der Regelungsgegenstand des ursprünglichen und des späteren Bescheides und der sich daraus ergebende Streitstoff übereinstimmen, so dass jeweils im Kern über dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden ist.
2. Eine Aufhebungs- bzw. Änderungsentscheidung nach § 48 SGB X (juris: SGB 10) kann nicht in der Formulierung des Sanktionsbescheides, das Arbeitslosengeld II werde nach § 31a SGB II (juris: SGB 2) abgesenkt, gesehen werden (Entgegen: LSG Essen, Beschluss vom 04.03.2013, L 19 AS 1688/12 B).
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss desSozialgerichts Darmstadt vom 26. August 2013 wird mit der Maßgabezurückgewiesen, dass der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichtsunter Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 wie folgt gefasst wird:
„1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligenAnordnung verpflichtet, dem Antragsteller weitere Leistungen zurSicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch ZweitesBuch (SGB II) in Höhe von 114,60 Euro für die Zeit vom 1. Juli 2013bis zum 31. Juli 2013 zu gewähren. Die aufschiebende Wirkung derWidersprüche gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 18. Juli2013 und vom 5. August 2013 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner wird in Aufhebung des Vollzuges derBescheide vom 18. Juli 2013 und vom 5. August 2013 verpflichtet, anden Antragsteller weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von229,20 Euro für die Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. August 2013und in Höhe von monatlich 382,00 Euro für die Zeit vom 1. September2013 bis zum 31. Oktober 2013 zu zahlen.“
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigenaußergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zuerstatten.
Gründe
Die am 3. September 2013 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde des Antragsgegners mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. August 2013 aufzuheben und die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 18. Juli 2013 und vom 5. August 2013 abzulehnen,
hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Oktober 2013 (Leistungen für den Monat November 2013 sind Gegenstand des Verfahrens L 9 AS 772/13 B ER). Das Bundessozialgericht hat insoweit bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw. ein Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R -). Sanktions- und Bewilligungsbescheide bilden vielmehr jeweils eine rechtliche Einheit (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 87/94 - SozR 3-1300 § 104 Nr. 9; Urteil vom 16. September 1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270; Urteil vom 21.Oktober 2003 - SozR 4-4300 § 144 Nr. 4 zur Sperrzeit im Arbeitsförderungsrecht; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. März 2012 - L 12 AS 3569/11 -). Vorliegend hat der Antragsgegner unter dem 6. Juni 2013, dem 18. Juli 2013 und dem 5. August 2013 Sanktionsbescheide erlassen, dazu korrespondierende Leistungsabsenkungsentscheidungen hat er aber lediglich am 18. Juli 2013 und am 5. August 2013 getroffen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum einen das vorläufige Rechtsschutzbegehren hinsichtlich des Sanktionsbescheides vom 6. Juni 2013, zum anderen nach Verbindung des Verfahrens S 27 AS 678/13 B ER mit dem vorliegenden Verfahren (Beschluss des Sozialgerichts vom 22. August 2013) auch die Sanktions- und Leistungsabsenkungsbescheide des Antragsgegners vom 18. Juli 2013 und vom 5. August 2013. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Sanktions- und Leistungsabsenkungsbescheide des Antragsgegners vom 18. Juli 2013 und vom 5. August 2013 Gegenstand der Klage vom 23. August 2013 (S 21 AS 761/13) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 geworden sind. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) regelt, dass nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens wird, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird. Maßgebend ist der jeweilige Verfügungssatz, nicht die Begründung (BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B -; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr. 3). Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 SGG...