Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwerrentenbezug. Rückforderung einer überzahlten Leistung. Mitteilungspflicht von Erwerbsersatzeinkommen. Fahrlässigkeit. Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes. Ermessen. Mitverschulden der Behörde
Orientierungssatz
1. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt nach der Rechtsprechung derjenige, der schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem auffallen und einleuchten muss (Anschluss an BSG vom 31.8.1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184 = SozR 4100 § 152 Nr 3, vom 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr 45, vom 11.6.1987 - 7 RAr 105/85 = BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2 und vom 29.9.1987 - 7 RAr 23/86 = BSGE 62, 179 = SozR 4100 § 125 Nr 3); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (Anschluss an BSG vom 13.12.1972 - 7 RKg 9/69 = BSGE 35, 108 = SozR Nr 3 zu § 13 BKGG und vom 20.9.1977 - 8/12 RKg 8/76 = BSGE 44, 264 = SozR 5870 § 13 Nr 2).
2. Die Mitteilung der Verletztenrente im eigenen Rentenantragsverfahren entbindet nicht von den Mitteilungsverpflichtungen des anrechenbaren Einkommens im Hinterbliebenenrentenverfahren. Der Rentenversicherungsträger ist nicht verpflichtet sämtliche in einem Verwaltungsverfahren gemachten Angaben auf Verwertbarkeit oder Relevanz in einem anderen Verfahren zu überprüfen.
Normenkette
SGB X § 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 2, § 50
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen:
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung zuviel gezahlter Rentenbeträge in Höhe von 5.619,67 €.
Der 1942 geborene Kläger ist der Witwer der 1946 geborenen und 2001 verstorbenen Versicherten B. A.. Im Juni 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Hierbei gab er an, Arbeitslosengeld zu beziehen. Die Frage nach dem Bezug von Verletztengeld verneinte er.
Mit Bescheid vom 29. August 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem Todestag der Versicherten eine sog. große Witwerrente. Seit dem 1. Oktober 2002 bezieht der Kläger ebenfalls von der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Sowohl der Bescheid vom 29. August 2001 wie auch die (Rentenneuberechnungs-) Bescheide wegen Einkommensanpassung vom 27. Juni 2002, 12. Juni 2003, 3. Juni 2005 und 2. Juni 2007 enthielten den Hinweis, dass bestimmte Einkommensarten - darunter Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung - auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen seien und eine Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung bestehe, wenn Einkommen neu hinzutrete oder sich erhöhe.
Durch einen maschinellen Datenausgleich erlangte die Beklagte im August 2007 Kenntnis davon, dass dem Kläger aufgrund eines im März 1975 erlittenen Arbeitsunfalles von der Berufsgenossenschaft (BG) der chemischen Industrie bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % eine Verletztenrente gewährt wird.
Die daraufhin von der Beklagten bei der BG angestellten Ermittlungen ergaben für die Zeit ab Rentenbeginn eine Überzahlung der Witwerrente in Höhe von 5.619,67 €. Mit Bescheid vom 6. August 2007 berechnete die Beklagte die Witwerrente des Klägers für die Zeit ab dem 1. September 2007 unter Berücksichtigung der Verletzten- wie auch der Altersrente als Einkommen neu. Nach Anhörung des Klägers gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nahm die Beklagte sodann den Rentenbescheid vom 29. August 2001 und auch die Rentenanpassungsbescheide vom 27. Juni 2002, 12. Juni 2003, 3. Juni 2005 und 2. Juni 2007 hinsichtlich der Rentenhöhe auf der Grundlage des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X mit Wirkung ab dem 1. September 2001 zurück und forderte von dem Kläger den überzahlten Betrag zurück. Sein hiergegen gerichteter Widerspruch, den er mit Entreicherung und der Behauptung, den Verletztengeldbezug im Rahmen seiner Altersrentenantragstellung 2002 mitgeteilt zu haben, begründete, wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2008 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 6. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt. Hier machte er neuerlich geltend, die Beklagte anlässlich eines persönlichen Beratungsgespräches Anfang 2002 über seine Verletztenrente informiert zu haben. Bösgläubigkeit sei somit nicht gegeben.
Dazu wies die Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem Beratungstermin vom 10. Juni 2002 nicht um einen solchen der Beklagten gehandelt habe. Gegenstand sei vielmehr die Gewährung von Betriebsrente der BA. AG gewesen. Die Beratung sei von deren Vertrauensmann/-frau durchgeführt worden, Mitarbeiter der Beklagten seien nicht beteiligt gewesen.
Nachdem das Sozialg...