Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. keine Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Grundsicherung für Arbeitsuchende. ausländischer Staatsangehöriger aus Rumänien. Leistungsberechtigung. Erwerbsfähigkeit. Vorbehalt der Arbeitserlaubnis-EU. Hilfebedürftigkeit. gewöhnlicher Aufenthalt
Orientierungssatz
1. Nach dem zum 1.4.2011 in Kraft getretenen § 8 Abs 2 S 2 SGB 2 reicht es für die Annahme der Erwerbsfähigkeit eines ausländischen Staatsangehörigen aus, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG 2004 aufzunehmen, gegeben ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung klarstellen, dass auch ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang ausreicht.
2. Daher ist davon auszugehen, dass auch ein Unionsbürger aus Bulgarien oder Rumänien, der noch nicht die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt, sondern nach § 284 Abs 1 SGB 3 einer Arbeitserlaubnis bedarf, zumindest dann erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB 2 ist, wenn dieser Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen besteht und eine Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs 3 SGB 3 erteilt werden kann. Demnach reicht ein abstrakt-genereller Arbeitsmarktzugang aus.
3. Wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB 2 nicht ausreichend glaubhaft gemacht, so muss im Eilverfahren über die Frage nicht entschieden werden, ob die Antragsteller über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 2 im Inland verfügen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. B. aus B-Stadt wird abgelehnt.
Gründe
Die am 20. März 2013 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde der Antragsteller mit dem sinngemäßen Antrag,
den die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. März 2013 aufzuheben und
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab 19. November 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise, den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), hilfsweise nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), ab 12. April 2013 zu gewähren,
hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat daher den Antrag zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gerichteten Hauptantrages nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II liegen hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. unzweifelhaft vor. Auch die Erwerbsfähigkeit der Antragsteller zu 1. und 2. ist vorliegend zu bejahen. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II kann zwar ein Ausländer nur im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II erwerbstätig und damit auch erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sein, wenn ihm die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Der Gesetzgeber hat die Regelung aber zum 1. April 2011 um einen Satz 2 erweitert. Dieser bestimmt, dass für die Erwerbsfähigkeit die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufzunehmen, ausreicht. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung lediglich „verdeutlichen“, dass - wie es aus seiner Sicht schon der früheren Praxis entsprach - ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang ausreiche (BT-Drucks. 17/3404 S. 152). Entsprechend dieser gesetzlichen Klarstellung ist davon auszugehen, dass - auch - ein Unionsbürger aus Bulgarien oder Rumänien, der noch nicht die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt, sondern nach § 284 Abs...