Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung eines Ordnungsgeldbeschlusses

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung des Gerichts über die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 202 SGG i. V. m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Die Begründung des entsprechenden Beschlusses muss die tragenden Ermessenserwägungen zum Grund der Festsetzung und zur Höhe des Ordnungsgeldes enthalten. Lässt der Beschluss Ermessenserwägungen nur zur Höhe erkennen, nicht aber zu der Frage, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird, so ist er rechtswidrig ergangen und aufzuheben.

2. Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf. Wird der Ordnungsgeldbeschluss aufgehoben, so hat entsprechend § 21 Abs. 1 GKG die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2017 aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die am 6. März 2017 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde des Klägers mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2017 aufzuheben, hilfsweise die Höhe des Ordnungsgeldes auf 50,00 Euro herabzusetzen,

ist begründet.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Ordnungsgeld ist § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn er ohne genügende Entschuldigung zu dem Termin nicht erschienen ist. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen ist oder wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist.

Vorliegend hat das Sozialgericht zwar das persönliche Erscheinen des Klägers (§ 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG) mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27. Januar 2017 angeordnet und den Kläger auf die Folgen seines Ausbleibens (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG) hingewiesen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist auch rechtzeitig erfolgt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG). Der Kläger ist zu dem Termin ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen.

Ob der Umstand, dass ein geladener Zeuge zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2017 nicht erschienen ist, so dass der Rechtsstreit ungeachtet des Nichterscheinens des Klägers zum Termin vertagt werden musste, der Festsetzung eines Ordnungsgeldes entgegensteht, bedarf vorliegend keiner abschließenden Beantwortung. Denn die Entscheidung über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes steht nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Ermessen des Gerichts ("kann festgesetzt werden"). Die Begründung des Beschlusses über die Verhängung eines Ordnungsgeldes muss insoweit die tragenden Ermessenserwägungen zum Grunde der Festsetzung und zur Höhe des Ordnungsgeldes enthalten (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 8. Juni 2009 - L 9 B 246/08 AS - und vom 25. November 2016 - L 9 AS 726/16 B - jeweils m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2010 - L 5 AS 1114/09 B -; Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 - L 8 KR 231/09 B -). Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Der angefochtene Beschluss lässt Ermessenserwägungen nur zur Höhe des Ordnungsgeldes (Auswahlermessen) erkennen, nicht dagegen zu der Frage, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird (Entschließungsermessen). Die Begründung des Beschlusses, eine Festsetzung des Ordnungsgeldes sei erforderlich gewesen, da der Kläger nicht erschienen und seine Befragung im heutigen Termin erforderlich gewesen sei, lässt es im Übrigen zweifelhaft erscheinen, ob das Sozialgericht sein Entschließungsermessen überhaupt betätigt hat.

Ist damit bereits der Hauptantrag des Klägers begründet, bedurfte es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.

Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 - L 8 KR 231/09 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. März 2010 - L 5 AS 1114/09 B - und vom 21. Mai 2012 - L 10 AS 423/12 B -; a. M. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - VI ZB 4/07 - NJW-RR 2007, 1364). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren nicht dem am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Beklagten, sondern der Staatskasse aufzuerlegen. Dies folgt aus dem in § 21 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass Kosten, die durch fehlerhaftes Verhalten des Gerichts verursacht werden, den Beteiligten nicht zur Last fallen dürfen. Allerdings enthält das SGG keine dahingehende Rechtsgrundlage. § 193 SGG und § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO finden keine entsprechende Anwendung, da diese Vorschriften die Kostenerstattung im kontradiktorischen Verfahren re...

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