Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung. Schriftform. Erwerbsfähigkeit kein tauglicher Regelungsgegenstand. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Interessenabwägung. Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Absenkung der Regelleistung. Eingliederungsvereinbarung. Öffentlich-rechtlicher Vertrag. Nichtigkeit. Unterschrift. Annahme des Angebots. Zugang. Verkehrssitte. Erwerbsfähigkeit. Aufhebung der Vollziehung. Existenzminimum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung wegen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis.

2. Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit ist nicht tauglicher Regelungsgegenstand einer Eingliederungsvereinbarung. Eine mit einem Hilfebedürftigen, dessen Erwerbsfähigkeit zweifelhaft ist, geschlossene Eingliederungsvereinbarung ist nichtig.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b, Abs. 3 S. 2, § 39 Nr. 1; SGB X § 33 Abs. 3, § 55 Abs. 1, §§ 56, 58 Abs. 1; BGB § 125 S. 1, § 130 Abs. 1 S. 1, §§ 134, 151; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 4, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2

 

Gründe

Der 1968 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Antragsgegner. Zuletzt wurden ihm mit (Folge-) Bescheid vom 7. Mai 2008 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis 31. Oktober 2008 bewilligt. Der Antragsteller wendet sich gegen die Kürzung dieser Leistungen nach § 31 SGB II im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2008.

Im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs am 1. Februar 2008 wies der Antragsteller neuerlich auf seine gesundheitliche Situation hin und erklärte, sich nicht für voll erwerbsfähig zu halten. Nach Aktenlage war er zuvor zuletzt vom 23. November 2007 bis 21. Dezember 2007 und vom 17. Januar 2008 bis 25. Januar 2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Mit der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin wurde daraufhin eine ärztliche Begutachtung vereinbart. Den ihm vorgelegten Entwurf einer (Folge-) Eingliederungsvereinbarung mit Datum 1. Februar 2008 unterschrieb der Antragsteller an diesem Tag unter Hinweis darauf nicht, diese mangels Brille aufgrund seiner massiven Fehlsichtigkeit nicht lesen zu können. Die Eingliederungsvereinbarung wurde ihm daraufhin - auch ohne Unterschrift eines Vertreters des Antragsgegners - in doppelter Ausfertigung ausgehändigt. Vereinbarungsgemäß gab der Antragsteller eine von ihm unterschriebene Ausfertigung am 4. Februar 2008 bei der Gemeindeverwaltung in A. zur Weiterleitung an den Antragsgegner ab. Dort ging diese am 5. Februar 2008 ein und wurde zu einem nicht mehr feststellbaren Datum von der Sachbearbeiterin Frau E. unterschrieben. Eine Übersendung der beidseitig unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung an den Antragsteller erfolgte nicht mehr.

In der Eingliederungsvereinbarung wurde dem Antragsteller seine gesundheitliche Situation betreffend aufgegeben, zur Prüfung seiner Erwerbsfähigkeit einen Begutachtungstermin beim ärztlichen Dienst wahrzunehmen. Als von ihm übernommene Aufgaben waren u.a. regelmäßige Bewerbungsaktivitäten (mindestens zehn pro Monat, davon mindestens fünf schriftlich) sowie der ordnungsgemäße Antritt und die Absolvierung qualifizierter Arbeitsgelegenheiten vereinbart worden.

Vom 29. Februar 2008 bis 30. März 2008 war der Antragsteller aufgrund einer psychogenen Belastungsreaktion neuerlich arbeitsunfähig. Entsprechende Bescheinigungen legte er dem Antragsgegner jeweils vor.

Unter dem 10. März 2008 und 18. März 2008 wies der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit bei der C. gGmbH im Bereich Bau-/ Haustechnik zu. Die Tätigkeit dort sollte am 17. März 2008 bzw. 31. März 2008 beginnen und jeweils ein halbes Jahr dauern. Beide Bescheide enthielten ferner eine Reihe von Hinweisen und Rechtsfolgenbelehrungen, auch zu der Sanktionsnorm des § 31 SGB II. Die Arbeitsgelegenheiten nahm der Antragsteller nicht auf.

Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner unter dem 9. Mai 2008 einen Sanktionsbescheid. Durch diesen wurde das Arbeitslosengeld II nach § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II um 100% der Regelleistung wegen zweiter wiederholter Pflichtverletzung für die Dauer von drei Monaten mit Beginn zum 1. Juni 2008 gekürzt. Als Grund wurde die Verletzung von Aufgaben aus der Eingliederungsvereinbarung vom 1. Februar 2008 genannt. Der Antragsteller habe im Februar 2008 keine Bewerbungsnachweise vorgelegt und die Arbeitsgelegenheiten ab 17. März 2008 und 31. März 2008 nicht angetreten. Das Arbeitslosengeld II sei zuvor bereits vom 1. März 2008 bis zum 31. Mai 2008 um 60 % abgesenkt worden (bestandskräftiger Bescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2008).

Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008, berichtigt durch Bescheid vom 2. Juli 2008, zurück. Am 24. Juni 2008 hat der Antragsteller hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben (Az. S 38 AS 930/08), über ...

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