Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Mitwirkungsaufforderung eines Sozialleistungsträgers hat keinen Verwaltungsaktcharakter - Nachweis eines rechtzeitig erhobenen Widerspruchs
Orientierungssatz
1. Eine Rechtsbehelfsbelehrung eines Bescheides, die für den Beginn der Widerspruchsfrist auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides verweist, ist auch dann richtig, wenn der Bescheid zugestellt wird.
2. Den rechtzeitigen Zugang eines erhobenen Widerspruchs bei der erlassenden Behörde muss der Widerspruchsführer im Vollbeweis nachweisen. Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung genügt als Mittel der Glaubhaftmachung nicht.
3. Die Mitwirkungsaufforderung eines Sozialleistungsträgers nach §§ 60 ff. SGB 1 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Ein dagegen erhobener Widerspruch ist infolgedessen nicht statthaft. Der Mitwirkungsaufforderung fehlt es an einem vollstreckbaren Regelungscharakter, der für einen Verwaltungsakt unabdingbar ist. Ein dagegen erhobener Widerspruch ist als unzulässig zu verwerfen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. August 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist in Streit, ob der Beklagte für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 dem Kläger zu Recht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.
Der Kläger bezog von April bis September 2005 aufgrund eines Bewilligungsbescheides vom 8. August 2005 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger. Auf den am 30. September 2005 gestellten Fortzahlungsantrag verlangte der Beklagte mit Schreiben vom 16. November 2005 die Vorlage verschiedener Unterlagen, darunter Kontoauszüge oder Bankauskunft ab dem 1. März 2005 durchlaufend bis zum 16. November 2005, Nachweis über Mietzahlungen, letzte Nebenkostenabrechnung. Dem Kläger wurde hierzu eine Frist bis zum 23. November 2005 gewährt (Verwaltungsakte [VA] Bl. 35).
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22. November 2005, bei dem Beklagten eingegangen am 23. November 2005, Widerspruch (VA Bl. 36), welcher mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2005 als unzulässig verworfen wurde (VA Bl. 42).
Mit Bescheid vom 25. November 2005 (VA Bl. 39) versagte der Beklagte die beantragten Leistungen ab dem 1. Oktober 2005. Die mit Schreiben vom 16. November 2005 angeforderten Unterlagen und Nachweise seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29. November 2005 persönlich übergeben (Nachweis Postzustellungsurkunde, Gerichtsakte Bl. 218). Er enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Der Widerspruch sei schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben genannten Stelle einzulegen.
Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 19 AS 321/05 ER geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens reichte der Kläger ein auf den 13. Dezember 2005 datiertes Schreiben ein, welches ausweislich des auf dem Schreiben befindlichen Eingangsstempels am 4. Januar 2006 bei Gericht einging. Er führte dort aus, dass nach zwischenzeitlichem Erlass des Versagungsbescheides vom 25. November 2005 „in vorliegender Sache vorsorglich nunmehr rechtsgemäß auch Klage erhoben" werde.
Der Beklagte erließ daraufhin am 9. Februar 2006 einen Widerspruchsbescheid, mit welchem der als Widerspruch verstandene Schriftsatz des Klägers gegen den Bescheid vom 25. November 2005 als unzulässig verworfen wurde. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs habe am 30. November 2005 begonnen und am 29. Dezember 2005 geendet. Da der Widerspruch erst am 4. Januar 2006 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangen sei, sei zu diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs bereits abgelaufen.
Mit seiner am 10. März 2006 bei dem Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass gegen den Versagungsbescheid des Beklagten durch das Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 an das Sozialgericht Darmstadt fristgerecht Widerspruch erhoben worden sei. Dieses Schreiben habe er vor den Weihnachtsfeiertagen persönlich beim Sozialgericht in den Fristenbriefkasten eingeworfen. Auch aus dem Verhalten des damaligen vorsitzenden Richters gehe hervor, dass das fragliche Schreiben spätestens am 27. Dezember 2005 vorgelegen habe und somit keinesfalls erst am 4. Januar 2006 bei Gericht eingegangen sei. Ungeachtet dessen sei aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung die Monatsfrist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Der Beklagte habe sich für eine förmliche Zustellung des Versagungsbescheids gegen Zustellungsurkunde entschieden. In solchen Fällen sei es erforderlich, in der Re...