Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessene Wohnungsgröße bei Wohngemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Für die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S 1 SGB 2 ist nicht auf den örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen.

2. Die Aufwendungen für die Unterkunft werden geprägt durch die Wohnfläche; Anhaltspunkte sind die Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus sowie örtliche Mietspiegel oder andere Erkenntnisquellen.

3. Die angemessene Entfernung bei der Suche nach einer kleineren Wohnung beträgt bis 15 km vom bisherigen Wohnort.

4. Zwei Mitglieder einer Wohngemeinschaft haben nicht Anspruch auf die Wohnungsgröße von zwei Ein-Personen-Haushalten, ihnen ist vielmehr mindestens ein Abzug von 20% der Wohnfläche zumutbar (offen gelassen, ob sie wie eine Bedarfsgemeinschaft zu behandeln sind).

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 26. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die hilfebedürftige Antragstellerin begehrt die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, die ihr aus einer gemeinschaftlich mit der ebenfalls hilfebedürftigen Antragstellerin des Verfahrens L 9 AS 90/08 B ER angemieteten 84 qm großen Wohnung entstehen.

Die tatsächlichen monatlichen Mietkosten der streitbefangenen Wohnung betragen 447,38 € (kalt und ohne Nebenkosten); die Nebenkosten einschließlich Heizung betrugen 107 € und wurden ausweislich der Angaben der Antragstellerin im Weiterbewilligungsantrag (März 2008) um 8 € monatlich erhöht. Das Warmwasser wird durch einen Boiler erzeugt. Nachdem die Antragsgegnerin im Jahr 2006 die vorher in vollem Umfang übernommenen Unterkunftskosten nur noch teilweise übernommen hatte (nach Aufforderung vom 21. Oktober 2005, die Miete auf 325 € zu senken), beantragten die Antragstellerin und ihre Mitbewohnerin am 27. August 2007 gemeinsam die vollständige Übernahme der Unterkunftskosten in Höhe von 554,38 € monatlich für ihre 2-Personen-Wohngemeinschaft. Mit Bescheid vom 31. August 2007 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 15. September 2007 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 zurück unter Hinweis auf den zwischenzeitlich ergangenen Änderungsbescheid vom 19. November 2007 (232,10 € für Unterkunft und Heizung). Ferner legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den folgenden Bewilligungsbescheid vom 31. August 2007 hinsichtlich der Höhe der Unterkunftskosten ein.

Mit Bescheiden vom 4. April 2008 hat die Antragsgegnerin 238,50 € monatlich für Unterkunft und Heizung bewilligt, und zwar einerseits für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 und andererseits für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008. Ferner wurde der Regelsatz in Höhe von 347 € monatlich bewilligt. Damit wurde die bisherige Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung um 6,40 € monatlich erhöht und damit der bisherige Abzug für Warmwasser aufgegeben.

Mit Bescheid vom 23. April 2008 hat die Antragsgegnerin die Bewilligung für Unterkunft und Heizung um 4 € auf 242,50 € erhöht (entsprechend der Hälfte der Nebenkostenerhöhung).Der Antragstellerin verbleibt somit eine Unterdeckung bei den Unterkunftskosten in Höhe von 38,69 € monatlich, deren vorläufige Deckung sie im vorliegenden Verfahren begehrt. Die Heizkosten und sonstigen Nebenkosten werden damit in vollem Umfang übernommen.

Am 9. Januar 2008 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Gießen den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vollständigen Übernahme der Unterkunftskosten beantragt, da sie über keine Barmittel mehr verfüge und ihr Konto im Soll stehe. Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin würden für eine alleinstehende Person eine Nettomiete von 245 €, Betriebskosten von 40 € und Heizkosten von 67,50 € als angemessen erachtet, so dass ihre eigenen Mietkosten angemessen seien. Es liege auch weder eine Bedarfsgemeinschaft noch eine Haushaltsgemeinschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft vor. Die Antragsgegnerin habe auch wohlweislich nicht darauf verwiesen, dass eine kostengünstigere Unterkunft bezogen werden könne. Denn bei Auszug aus der Wohngemeinschaft und Gründung eines Ein-Personen-Haushaltes entstehe ein zu bezahlender höherer Unterkunftsbedarf.

Die Antragsgegnerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass nach den nunmehr geänderten Dienstanweisungen sich die Mietobergrenzen zwar grundsätzlich nach der Personenzahl der Wohn- bzw. Haushaltsgemeinschaft orientiere, dass in besonderen Fällen jedoch der Richtwert der nächsten Stufe für eine zusätzliche Person zu berücksichtigen sei. Diese Ausnahmeregelung sei zugunsten der Antragstellerin angewandt worden, da es sich um eine Wohngemeinschaft handele. Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 hat das Sozialgericht Gießen den Antrag ...

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