Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer rechtswirksamen Berufungseinlegung durch elektronisches Dokument
Orientierungssatz
1. Nach § 151 Abs. 1 SGG hat die Berufungseinlegung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erfolgen. Nach § 65a Abs. 1 S. 3 SGG ist für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben.
2. Ein nicht qualifiziert signiertes Dokument ist rechtlich unwirksam.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum Juli bis Dezember 2014 in Streit.
Die seit dem Jahr 2012 im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Klägerin hat am 24. Oktober 2015 eine Klage beim Sozialgericht Kassel gegen einen Bescheid vom 27. Juni 2014, in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 22. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2015 erhoben mit dem Ziel, höhere Leistungen für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014 zu erstreiten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2015 als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 28. März 2015 mit Postzustellungsurkunde (Gerichtsakte Blatt 66) zugestellt worden.
Am 27. April 2015 hat die Klägerin beim Hessischen Landessozialgericht Berufung u.a. gegen ein Urteil im Verfahren S 6 AS 701/14 erhoben. Dieser Schriftsatz ist per EGVP ohne qualifizierte elektronische Signatur im Format xsl und xml bei Gericht eingegangen (Gerichtsakte Blatt 69 f.). Am 6. Mai 2015 hat die Klägerin erneut mit Schriftsatz vom 5. Mai 2015 Berufung gegen ein Urteil im Verfahren S 6 AS 701/14 eingelegt. Auch dieser Schriftsatz ist per EGVP ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht eingegangen (Gerichtsakte Blatt 72 - 79).
Am 11. Mai 2015 ist der Schriftsatz der Klägerin vom 5. Mai 2015 erneut beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, dieses Mal mit eigenhändiger Unterschrift in Kopie (Gerichtsakte Blatt 83 - 85).
Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 18. Februar 2016 darauf hingewiesen, dass gemäß § 158 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt sei, durch Beschluss zu entscheiden und Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gesetzt. Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 22. Februar 2016, die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 3. März 2016 und weiteren Schreiben hierzu erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, der Grundlage dieser Entscheidung ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann nach § 158 S. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2015 im Verfahren S 6 AS 701/14 ist unzulässig.
Die Klägerin hat keine fristgerechte Berufung zum Hessischen Landessozialgericht binnen Monatsfrist eingelegt.
Das angegriffene Urteil ist der Klägerin am 28. März 2015 zugestellt worden. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ist fehlerfrei, so dass die Berufung formgerecht binnen Monatsfrist zu erheben gewesen wäre (§ 151 Abs. 1, § 64 SGG). Die Frist zur Einlegung der Berufung lief damit bis Dienstag, den 28. April 2015. Bis zu diesem Tag ist kein von der Klägerin unterschriebener Berufungsschriftsatz und auch kein Berufungsschriftsatz mit qualifizierter elektronischer Signatur beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Zwar hat die Klägerin am 27. April 2015 und 6. Mai 2015 nicht qualifiziert elektronisch signierte EGVP-Nachrichten an das Hessische Landessozialgericht übersandt. Diese EGVP-Nachrichten konnten aber keine formwirksame Berufungseinlegung darstellen. § 151 Abs. 1 SGG ordnet zwingend an, dass die Berufungseinlegung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erfolgen hat. Daneben eröffnet § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG die Möglichkeit, elektronische Dokumente an das Gericht zu übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist. Die elektronische Form stellt keinen Unterfall bzw. keine Sonderform der Schriftform dar. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form eingeführt hat (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Juni 2013 - L 6 AS 194/13 B - juris, Rn. 10; Müller, JurPC Web-Dok. 183/2013, Abs. 15; vgl. auch BSG,...