Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus Prozesskostenhilfemitteln zu zahlenden Rechtsanwaltsgebühren

 

Orientierungssatz

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG enthält eine vorrangige Sondervorschrift gegenüber Nr. 3102. Voraussetzung für deren Anwendung ist, dass eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorangegangen ist. Dabei reichen Vorkenntnisse über den Sachverhalt aus, um durch die Bearbeitung einen Synergieeffekt für den Rechtsanwalt anzunehmen.

2. Bei einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist generell nicht die Mittelgebühr, sondern eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr des Betragsrahmens der Ausgangswert, der dann je nach den Umständen des Einzelfalles anhand der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien anzupassen ist.

3. Die Rechtsauffassung, dass sich schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse der vertretenen Partei bei der Festsetzung der Gebühren des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse generell gebührenmindernd auswirken, entspricht nicht mehr dem Kriterienkatalog des § 14 Abs. 1 RVG.

 

Tenor

I. Der Feststellungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. Dezember 2008 und der Vergütungsfeststellungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 10. Juni 2008 werden geändert.

Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des im Rechtsstreit S 5 AS 252/07 ER beigeordneten Beschwerdegegners (Rechtsanwalts) wird auf 539,07 € festgesetzt.

II. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung des im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (SG Marburg, S5 AS 252/07 ER - J. SCH. u.a./. Landkreis QA.-QA.) nach den Vorschriften der Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdegegners (Rechtsanwalts). Gegenstand des Ausgangsverfahrens war die Rechtmäßigkeit der Kürzung der Regelleistung nach § 20 SGB II für den in Bedarfsgemeinschaft mit J. SCH. lebenden K. TH. Für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 29 Februar 2008 um 100 % (312,-- €). Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte auch der 2002 geb. Minderjährige D. SCH.

Gegen den Kürzungsbescheid vom 29. Oktober 2007 hatte der Beschwerdegegner bereits mit Schriftsatz vom 8. November 2007 Widerspruch erhoben und dann mit Prozessvollmacht der J. SCH. und des K. TH. und Schreiben vom 24 November 2007 beim Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Im Termin am 19. Dezember 2007 (Dauer von 9:30 Uhr bis 9:58 Uhr) wurde die Streitsache durch Vergleich erledigt und den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdegegners bewilligt.

Mit seiner Kostenrechnung vom 20. Dezember 2007 machte der Beschwerdegegner folgende Gebühren nach VV RVG geltend:

Verfahrensgebühr 3102

250,-- €

Mehrvertretungszuschlag (3 Auftraggeber) 1008

150,-- €

Terminsgebühr 3106

200,-- €

Einigungsgebühr 1006

190,-- €

Fahrtkosten 7003

33,-- €

Abwesenheitsgeld 7005

20,-- €

Umsatzsteuer 7008 auf 863,-

163,97 €

Summe

1.026,97 €

Der Kostenbeamte kürzte am 10. Juni 2008 die Gebühr auf insgesamt 622,37 €, davon

Verfahrensgebühr 3102

115,-- €

Erhöhung für weitere Personen 1008

70,-- €

Terminsgebühr 3006

135,-- €

Einigungsgebühr

190,-- €

Die weiteren Kostenansätze (Pauschalsatz Telefon, Fahrtkosten, Abwesenheitspauschale) wurden übernommen, die Mehrwertsteuer mit insgesamt 99,37 € berechnet.

Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG sei die beantragte Gebühr unbillig. In der Gesamtschau habe es sich um ein Verfahren gehandelt, das merklich unter dem Durchschnitt gegenüber gleich gelagerten Fällen in der Sozialgerichtsbarkeit liege. Nach den Kriterien des § 14 RVG - vorliegend bei einem Verfahren nach § 86 b SGG - könne mangels ausdrücklicher Regelungen im RVG bei Rahmengebühren mit einer Quote von 2/3 der Regelgebühr als angemessene Gebühr ausgegangen werden.

Der Beschwerdegegner wandte sich dagegen mit Schreiben vom 3. Juli 2008. Nach seiner Auffassung habe es sich um ein insgesamt durchschnittlich schwieriges Verfahren gehandelt. Neben der Antragsschrift hätten vor dem Verhandlungstermin am 19. Dezember 2008 unter Zeitdruck (da Eilverfahren) zwei weitere Schriftsätze vorbereitet und gefertigt werden müssen. Es könne auch nicht generalisierend davon ausgegangen werden, im Eilverfahren fände nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage mit erheblich verringerter Ermittlungstiefe statt. Vorliegend habe infolge der Mittellosigkeit der Antragsteller die begehrte Eilentscheidung die Hauptentscheidung praktisch vorweggenommen und ersetzt. Zudem sei nach Ansicht der Antragsteller eine sofortige Hilfe von wesentlich größerer Bedeutung als eine Abhilfe nach einem zeitraubenden Hauptsacheverfahren. Dass ein Beweisantritt durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung an Stelle von Zeugenanschriften die Fertigung des Eilantrages erleichtern solle, könne nicht nachvollzogen werden. Derartige gesetzliche Beweiserleichterungen im Eilverfahren s...

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