Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. cannabishaltiges Fertigarzneimittel. Sativex. Anwendungsbereich des § 31 Abs 6 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Das Fertigmedikament Sativex basiert im Wesentlichen auf einem Cannabisextrakt und wird als solches vom Regelungsgehalt des § 31 Abs. 6 SGB V erfasst.
Mit der Einführung des § 31 Abs. 6 SGB V bestand nicht die Absicht, Sativex als bis dahin einziges zugelassenes cannabishaltiges Fertigarzneimittel von dieser Bestimmung auszunehmen. Ziel der Neuregelung war vielmehr, die Verschreibungsfähigkeit “weiterer„ Arzneimittel auf Cannabisbasis herzustellen (BTDrs. 18/8965 S. 21).
Weder aus dem Gesetzeswortlaut, noch dem Regelungszusammenhang oder den Gesetzesmaterialien lässt sich eine Einschränkung § 31 Abs. 6 SGB V mit einer bestehenden Verordnungsfähigkeit im Wege des Off-Label-Use zu begründen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 15. September 2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 15. September 2017 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen,
hat in der Sache keinen Erfolg.
Wegen des Sachverhalts und der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der vorliegend allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), insbesondere dem Erfordernis des Vorliegens und der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes, wird auf die zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts in dem angegriffenen Beschluss Bezug genommen, die von den Beteiligten auch nicht infrage gestellt werden.
Von dem Sozialgericht wurde in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt, dass von der Antragstellerin sowohl die Voraussetzungen des geltend gemachten Anordnungsgrundes sowie auch der maßgebliche Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sind. Das Sozialgericht ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Anordnungsanspruch auf die vorläufige Erteilung der Genehmigung zur Versorgung der Antragstellerin mit dem Fertigarzneimittel Sativex aus der Anspruchsgrundlage des § 31 Abs. 6 SGB V ergibt.
Nach dieser Bestimmung haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn
1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a) nicht zur Verfügung steht oder
b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b SGB V, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 31 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB V).
Die vorgenannten gesetzlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 SGB V sind von der Antragstellerin auch zur Überzeugung des Senats hinreichend glaubhaft gemacht worden. Vom Sozialgericht wurde insoweit zunächst zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin bereits seit Jahren an schwerwiegenden Erkrankungen der Wirbelsäule leidet. Die aufgrund dessen bei der Antragstellerin eingetretene chronifizierte, vielschichtig-komplexe Schmerzproblematik wurde weder von der Antragsgegnerin noch den MDK in Abrede gestellt und erfüllt zweifelsfrei die Voraussetzungen einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 31 Abs. 6 SGB V.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bestehen seitens des Senats in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ebenfalls keine Bedenken, dass der Antragstellerin keine weiteren allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Maßnahmen zur Behandlung des Krankheitsbildes mehr zur Verfügung stehen. Vom Sozialgericht wurde insoweit zutreffend auf die vorliegenden substantiierten Befundberichte der Fachärzte sowie des behandelnden Hausarztes verwiesen. Darin wurden die langjährigen erfolglosen Behandlungsversuche mit den alternativ in Betracht kommenden zugelassenen Arzneimitteln umfassend beschrieben und ...