Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensweise Übernahme von Beschaffungskosten für Heizmaterial unabhängig von einem aktuellen Bezug von Leistungen der Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. Aufwendungen für die Beschaffung von Heizmaterial werden als einmalige Leistung von § 35 Abs. 4 SGB 12 erfasst. Sie sollen zwar einen künftigen Heizbedarf decken, sind aber aufgrund der Fälligkeit der Forderung aktuelle Aufwendungen. Der Bedarf besteht in der Übernahme der Geldforderung des Energielieferanten.

2. Für die Anerkennung der Beschaffungskosten ist es unschädlich, wenn der Antragsteller nicht im laufenden Leistungsbezug steht. Die Bevorratung von Heizmaterial ist im Monat der Fälligkeit der Forderung z. B. des Heizöllieferanten aktueller Bedarf, welcher zur Hilfebedürftigkeit des Antragstellers i. S. einer vorübergehenden Notlage nach § 38 Abs. 1 S. 1 SGB 12 zu einem Anspruch auf darlehensweise Gewährung der Beschaffungskosten für das Heizöl führt.

3. Der Anspruch besteht insoweit, als der Hilfebedürftige nicht in der Lage ist, seinen sozialhilferechtlichen Bedarf aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Dieser hat im Fälligkeitsmonat den den sozialhilferechtlichen Bedarf übersteigenden Betrag zur Deckung der Heizölkosten einzusetzen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. August 2016 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, eine Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich der darlehensweise Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Heizöl für die Heizperiode 2016/2017 bis zu einem Betrag von 971,37 Euro abzugeben.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Beklagte hat den Antragstellern ¼ ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsteller, mit der sinngemäß beantragt wird,

den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. August 2016 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig die Kosten für die Beschaffung von Heizöl für die Heizperiode 2016/2017 in Höhe von 1.094,68 Euro zu übernehmen,

ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage dagegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927 [BVerfG 12.05.2005 - 1 BvR 569/05], und vom 15. Januar 2007, 1 BvR 2971/06, juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des HLSG, bspw. Beschluss vom 29. Januar 2008, L 9 AS 421/07 ER m.w.N., juris). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 20014, § 86b Rdnr. 29a).

Zunächst liegt angesichts der ab 1. Oktober 2016 beginnenden Heizperiode ein Anordnungsgrund vor, denn die Antragsteller haben glaubhaft vorgetragen, dass sie gegenwärtig nicht über ausreichendes Heizmaterial zum Betrieb ihrer Heizung verfügen.

Die 1944 bzw. 1942 geborenen Antragsteller haben weiterhin einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der darlehensweise Gewährung der Kosten für die Beschaffung des Heizöls für die Heizperiode 2016/2017 nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - glaubhaft gemacht.

Unter § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII fallen sowohl laufende, d.h. regelmäßige monatliche Aufwendungen als auch einmalige Aufwendungen ...

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