Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Magenverkleinerungsoperation nach Nichtdurchführung klassischer konservativer Behandlungsmöglichkeiten
Orientierungssatz
Zum Anspruch auf Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Magenbypasses auch nach Nichtdurchführung der klassischen konservativen Behandlungsmöglichkeiten in Form von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungs- und Psychotherapie in den letzten 6 bis 12 Monaten vor der Operation.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf Kostenübernahme einer minimalinvasiven adipositas-chirurgischen Maßnahme in Form eines Magenbypasses hat.
Der 1956 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert und leidet seit seiner Kindheit an Übergewicht. Am 3. Juli 2012 beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine operative Behandlung des Übergewichts, zuletzt in Form eines Magenbypasses. Dr. F. vom A Hochstift bescheinigte dem Kläger unter dem 20. Juni 2012 einen Bodymaßindex (BMI) von 53 kg/qm. Zudem leide der Kläger an Diabetes mellitus, Dyspnoe, Gelenkbeschwerden beim Laufen und zunehmend Rückenbeschwerden. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Eine bleibende Gewichtsreduktion sei nur mit der Operation möglich. Das Operationsrisiko halte er für abschätzbar. Eine regelmäßige Nachbetreuung könne durch ihn durchgeführt werden.
Der Kläger legte auf Anforderung der Beklagten dar, welche Maßnahmen er bereits zur Gewichtsreduktion durchgeführt habe.
Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Hessen (MDK) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2013 die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass das geforderte konservative Behandlungsregime noch nicht erfüllt sei. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und verwies auf die sogenannte S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas“ und legte weitere Befundberichte vor. Prof. Dr. G. (Krankenhaus Sachsenhausen) diagnostizierte unter dem 30. Januar 2013 über Diabetes mellitus hinaus Hypertonie, Gicht und Kniearthrose. Nach Einholung weiterer MDK-Gutachten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien noch nicht erschöpft. Eine primäre Indikation zur Durchführung einer adipositas-chirurgischen Maßnahme liege nicht vor.
Am 25. Februar 2014 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Nach der S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas“ sei in Sonderfällen, in welchem der BMI den Wert von 40 kg/qm deutlich überschreite, auch dann eine Magenverkleinerungsoperation zu bewilligen, wenn die Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem 6- bis 12-monatigen multimodalen und ärztlich geleiteten Therapiekonzept entsprächen. Bei ihm liege der BMI über 50 kg/qm. Ferner liege ein adipositas-assoziierter Diabetes mellitus vom Typ II vor. Konservative Therapien hätten keine Aussicht auf Erfolg. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass nach wie vor die konservativen Maßnahmen zur Behandlung der Adipositas nicht ausgeschöpft worden seien.
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Krankenhauses Sachsenhausen, der Diabetologin Dr. H., der Nervenärztin Dr. J., des Hausarztes Dr. K. sowie des Kreiskrankenhauses Weilburg eingeholt.
Mit Urteil vom 11. Februar 2015 hat das Sozialgericht unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2014 die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Maßnahme in Form eines Magenbypasses im zugelassenen Krankenhaus zu gewähren. Der Anspruch sei gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) begründet. Bei einem BMI von wenigstens 30 kg/qm liege eine behandlungsbedürftige Krankheit vor. Dies gelte erst recht, wenn infolge der Adipositas sich - wie beim Kläger - bereits Sekundärkrankheiten entwickelt hätten. Maßnahme im Bereich des gesunden Magens, die unmittelbar auf die Reduktion der Adipositas abzielten, kämen zwar nur als ultima ratio in Betracht. Dies sei jedoch im Falle des Klägers anzunehmen, da die besonderen Umstände eine Ausnahmesituation rechtfertigten. Die Adipositas habe bereits seit früher Jugend bestanden, er habe immer wieder erfolglos auf Eigeninitiative vielfältige Bemühungen unternommen, um sein Körpergewicht zu reduzieren. Es sei zu beachten, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselwirkung stünden. Dies wirke sich auf das Maß der Anforderungen aus, welche an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie zu ste...