Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Wirksamkeit einer Kündigung. Darlegungs- und Beweislast. Begriff der krankhaften Störung der Geistestätigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Krankenkasse trägt für das Vorliegen eines "lichten Augenblicks" bei einem geschäftsunfähigen Versicherten, der seine Mitgliedschaft kündigt, die Darlegungs- und Beweislast (vgl BGH vom 11.3.1988 - V ZR 27/87 = NJW 1988, 3011).
2. Zum Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1968 geborene Kläger begehrt die Feststellung, dass er über den 31. März 1999 hinaus freiwilliges Mitglied bei der Beklagten ist.
Der Kläger leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, die in den Jahren 1995/1996 erstmals ärztlicherseits im Psychiatrischen Krankenhaus S. festgestellt worden ist. Der Kläger ist aufgrund seiner Erkrankung vom 10. August 1997 bis zum 23. September 1997 und sodann immer wieder in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums A-Stadt behandelt worden. In der Zeit vom 31. Dezember 1998 bis zum 21. Januar 2000 befand er sich (mit Unterbrechung) acht Monate in dieser Klinik, und zwar vom 31. Dezember 1998 bis zum 9. Januar 1999 und vom 13. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 stationär, vom 19. April 1999 bis zum 14. Juli 1999 teilstationär und vom 12. Dezember 1999 bis zum 28. Dezember 1999 sowie vom 3. Januar 2000 bis zum 21. Januar 2000 stationär. Mit Beschluss vom 5. Januar 2000 bestellte das Amtsgericht Hünfeld nach einem entsprechenden Antrag der Städtischen Kliniken A-Stadt (erstmals) einen Betreuer für den Kläger mit dem Aufgabenkreis, Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Zustimmung zur Unterbringung, die Vermögenssorge, die Wohnungsangelegenheiten, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe und andere Sozialleistungen, die Vertretung gegenüber Klinikleistung, Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen sowie die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post. In der Folgezeit fanden weitere stationäre Aufenthalte in den Städtischen Kliniken A-Stadt statt, teilweise auf Grund eines Beschlusses des Amtsgerichts Hünfeld. Zurzeit wohnt der Kläger im Rahmen des betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung; den Tag verbringt er bis 16.00 Uhr in einer Tagesstätte. Der Kläger lebte und lebt von Mieteinnahmen aus geerbtem Grundbesitz; teilweise wurde ihm im Wege eines Darlehens Sozialhilfe bewilligt. Die Kosten für die Krankenhausaufenthalte des Klägers wurden von dem Betreuer des Klägers zum großen Teil aus dem Vermögen des Klägers beglichen. Mit Beschluss vom 11. Februar 2003 hob das Amtsgericht Fulda die Betreuung des Klägers zunächst auf; mit Beschluss vom 20. Februar 2004 wurde ihm durch das betreffende Amtsgericht für denselben Aufgabenkreis wie zuvor ein neuer Betreuer bestellt.
Der Kläger war bis zum Sommersemester 1998 bei der Beklagten als Student pflichtversichert. Mit Schreiben vom 24. August 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Pflichtversicherung als Student ende, da der Kläger das 30. Lebensjahr erreicht habe. Sie wies ihn u. a. darauf hin, er werde ab dem 1. Oktober 1998 „automatisch" als freiwilliges Mitglied der Kasse zum besonders günstigen Krankenversicherungsbeitrag weiter versichert, sofern eine Weiterversicherung als Student nicht in Betracht käme, das Studium aber noch nicht abgeschlossen sei. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 teilte die Beklagte mit, der Kläger sei als Examenskandidat versichert und bat um Begleichung des Beitragsrückstands ab dem 1. Oktober 1998.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 bat der Kläger die Beklagte um Erteilung einer neuen Versichertennummer sowie um Zusendung einer neuen Versichertenkarte, da die alte Karte unbrauchbar geworden sei und des Weiteren aus „diversen Gründen" um Erlass der Beiträge.
Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 mahnte die Beklagte nochmals den Beitragsrückstand von Oktober 1998 bis Dezember 1998 an. Mit Schreiben vom 14. Februar 1999, eingegangen bei der Beklagten am 17. Februar 1999, teilte der Kläger der Beklagten mit, er „kündige" seine Mitgliedschaft „aus persönlichen Gründen". Am 19. März 1999 stellte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. einen Antrag auf freiwillige Krankenversicherung. Im August 1999 bat er die Beklagte um die „Löschung" seiner Krankenakte. Die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. endete am 15. Oktober 1999 aufgrund von Beitragsrückständen. Am 18. Februar 2000 meldete sich der damalige Betreuer des Klägers bei der Beklagten und gab unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Prof. C., Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des ...