Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nichtberücksichtigung geltend gemachter Unterkunftsbedarfe. mündlicher Miet- bzw Untermietvertrag zwischen Familienangehörigen. Haushaltsgemeinschaft von Verwandten. Vermutung von Unterstützungsleistungen durch Angehörige der Haushaltsgemeinschaft in Form der Übernahme bzw Stundung von Mietzinszahlungen. Nichterteilung von Auskünften zu Einkommen und Vermögen des Unterstützenden auf Aufforderung des Gerichts nach § 106a SGG. keine Widerlegung der Unterhaltsvermutung
Orientierungssatz
Wenn Mietzinszahlungen bei behauptetem mündlichen (Unter-)Mietvertrag von einem Familienangehörigen in der Haushaltsgemeinschaft übernommen bzw gestundet werden und daher - unabhängig von einer Unterhaltspflicht - Unterstützungsleistungen an zusammenlebende Verwandte gemäß § 9 Abs 5 SGB 2 vermutet werden können, so können die von den Leistungsberechtigten geltend gemachten Unterkunftsbedarfe gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nicht berücksichtigt werden, wenn nach Aufforderung durch das Gericht unter Fristsetzung und Hinweis auf die Präklusionsvorschrift des § 106a SGG keine Auskünfte zu Einkommen und Vermögen des unterstützenden Verwandten erteilt werden und die Unterhaltsvermutung daher nicht widerlegt wird.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. März 2019 wird zurückgewiesen. Die Klage hinsichtlich der im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz in das Verfahren eingeführten Ansprüche wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen machen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen Bedarfen für Unterkunft und Heizung geltend, wobei sie den Streitgegenstand, der sich erstinstanzlich auf den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 30. November 2016 beschränkte, in der Berufungsinstanz auf die Zeit von April 2016 bis Juli 2020 zu erweitern suchen.
Die 1960 geborene Klägerin zu 1. und die 1994 geborene Klägerin zu 2., ihre Tochter, bezogen schon vor dem streitigen Zeitraum Grundsicherungsleistungen von der Beklagten. Zuletzt bewilligte diese ihnen durch Bescheid vom 26. November 2015, geändert durch Bescheid vom 22. Januar 2016, laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Dezember 2015 bis Mai 2016. (Offene) Rechtsbehelfe gegen diese Bescheide sind nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 2. erhielt zudem als Schülerin an einer Berufsfachschule Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, zuletzt bewilligt durch Bescheid vom 26. Januar 2016 für die Zeit von Dezember 2015 bis September 2016 in Höhe von 216,- Euro monatlich.
Zum 1. April 2016 zogen die Klägerinnen gemeinsam mit dem Sohn der Klägerin zu 1. beziehungsweise Bruder der Klägerin zu 2., dem erstinstanzlich als Zeugen vernommenen C. A., in eine neue Wohnung; geplant war zudem der Zuzug der (Groß-)Mutter der Klägerinnen. Nach Mitteilung des Umzugs am 6. Mai 2016 und Aufforderung durch die Beklagte reichten die Klägerinnen eine Kopie des Mietvertrags sowie eine Mietbescheinigung bei dieser ein. Bei der Erstellung der Mietvertragskopie waren Name und Anschrift des Vermieters abgedeckt worden; die Unterschrift auf Vermieterseite ist unleserlich. Auf Mieterseite war als alleinige Vertragspartei der Sohn beziehungsweise Bruder der Klägerinnen eingetragen. Die Nettomiete war mit 919,60 Euro monatlich, die Neben-, inklusive Heizkostenvorauszahlungen mit 229,90 Euro monatlich angegeben. Nach dem Mietvertrag sollten vier Personen in die Wohnung einziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 164 ff. der zu den Klägerinnen geführten Leistungsakte der Beklagten (im Folgenden: LA) Bezug genommen. In der Mietbescheinigung, die - wohl - vom Sohn beziehungsweise Bruder der Klägerinnen unter dem 20. Mai 2016 unterschrieben worden war, waren die Klägerin zu 1. als Untermieterin und jener als Mieter aufgeführt; dazu war vermerkt, der Name des Vermieters könne aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben werden. Miete und Nebenkosten waren in gleicher Höhe wie im Mietvertrag ausgewiesen. Im Übrigen wird auf LA Bl. 178 f. verwiesen.
Die Beklagte forderte die Klägerin zu 1. daraufhin mit Schreiben vom 27. Mai 2016 auf, unter anderem einen Mietvertrag mit dem Namen und der Anschrift des Vermieters einzureichen. Die Mietbescheinigung sei vom Vermieter, Herrn D., D-Stadt, auszufüllen und zu unterschreiben, wobei aus internem E-Mail-Verkehr ersichtlich ist, dass die Beklagte Herrn D. als Eigentümer der Liegenschaft ermittelt hatte.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Mai 2016 bewilligte die Beklagte den Klägerinnen sodann vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni 2016 bis zum 30. November 2016 in Höhe von zusammen 445,- Euro monatlich, 404,- Euro zu Gunsten der Klägerin zu 1., ...