Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrecht. Verzinsung von Geldleistungsansprüchen. konkludente Ablehnung der Zinszahlung im Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB 10. Beginn des Verzinsungszeitraumes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Geldleistungsanspruch erst in einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X festgestellt, so ist für den Beginn der Verzinsung nach § 44 Abs 2 SGB I auf das Datum des ursprünglichen Leistungsantrages und nicht des Überprüfungsantrages abzustellen.

2. Zur Frage einer konkludenten Ablehnung der Zinszahlung im Bescheid.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Juni 2016 teilweise dahingehend abgeändert, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. Juli 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2015 verurteilt wird, an die Kläger als Gesamtgläubiger Zinsen in Höhe von 3,89 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat den Klägern 1/4 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Beginn der Verzinsung nach § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).

Der Beklagte setzte auf einen Antrag vom 26. April 2013, vervollständigt am 5. Juni 2013, mit Bescheid vom 13. Juni 2013 gegenüber den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Monat April 2013 in Höhe von 8,20 € (anteilig) und für den Monat Mai 2013 in Höhe von 87,25 € fest. Darüber hinaus wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass ihre Wohnung sowohl hinsichtlich der Wohnfläche von 78 qm als auch der Unterkunftskosten mit 540,00 € unangemessen sei. Angemessen seien 60 qm und Unterkunftskosten in Höhe von 345,00 €. Mit Bescheiden vom 2. Januar 2014, 4. Juli 2014, 30. Juli 2014, 8. September 2014, 8. Oktober 2014, 15. Januar 2015 und 21. Januar 2015 wurden Leistungen für die Folgemonate bewilligt und vorangegangene Leistungsbescheide abgeändert, u.a. wegen veränderter Rentenzahlbeträge. Die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft blieb gleich.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger stellte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2015 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich der Kürzung der Kosten der Unterkunft, die "bereits mit Bescheid vom 13. Juni 2013 vorgenommen" worden sei. Die vom Beklagten zugrunde gelegten Koordinaten seien veraltet, es fehle ein schlüssiges Konzept.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2015 hob der Beklagte auf den Überprüfungsantrag hin "hinsichtlich der Höhe der gewährten Leistungen" die Bescheide vom 2. Januar 2014, 4. Juli 2014, 30. Juli 2014, 8. September 2014, 8. Oktober 2014, 15. Januar 2015 und 21. Januar 2015 nach § 44 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII betreffend der Höhe der Leistungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 auf und berechnete die Höhe der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse für die Monate Januar 2014, Juli 2014, August 2014, Januar 2015, Februar 2015 und Juni 2015 in wechselnder Höhe neu. Berücksichtigt worden seien nunmehr u.a. Kosten der Unterkunft in Höhe von 418 €.

Ebenfalls mit hier nicht streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Juli 2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 21. Januar 2015 mit Wirkung ab dem 1. Februar 2015 bezüglich des Klägers zu 1. auf und berechnete die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Monate Februar und Juni 2015 neu.

Der Beklagte überwies den Klägern in der Woche nach dem 8. Juli 2015 die sich aufgrund der Neuberechnung ergebenden Nachzahlung.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger erhob mit Schreiben vom 30. Juli 2015 Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Juli 2015. Der Widerspruch richte sich nicht gegen die dort genannten einzelnen Bewilligungsbeträge. Es sei jedoch versäumt worden, diese auch zu verzinsen. Zinsen stellten eine akzessorische Nebenleistung nach § 44 SGB I dar, weshalb sie zugleich mit der Hauptleistung zu bewilligen seien.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10. November 2015, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugegangen am 12. November 2015, zurück. Gehe es um eine antragsabhängige Leistung, beginne die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 Hs. 1 SGB I frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger. Ergebe sich ein Nachzahlungsanspruch erst aus einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X, sei als "Leistungsantrag" im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB I (erst) der Antrag anzusehen, mit dem das Überprüfungsverfahren eingeleitet werde. Der Beklagte verwies auf LSG NRW, Urteil vom 10.06.2013 - L 20 SO 479/12 -, Rn. 35 nach juris.

Die Kläger haben am Montag, den 14. Dezember 2015 Klage erhoben.

Sie haben die Rechtsauffassung vertreten, für den Zinsanspruch sei nach § 44 SGB I auf den...

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