Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer überzahlten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von den Erben eines verstorbenen Ehegatten eines zuvor verstorbenen Sozialleistungsbeziehers. Erforderlichkeit einer Ermessensausübung im Rahmen der Rückforderung bei Mehrheit von Erben. gesamtschuldnerische Haftung
Orientierungssatz
Zur Erforderlichkeit einer Ermessensausübung, wenn ein Sozialleistungsträger bei Mehrheit von Erben eines verstorbenen Ehegatten eines zuvor verstorbenen Sozialleistungsbeziehers zu Unrecht bezogene Sozialleistungen von den Erben in gesamtschuldnerischer Haftung zurückfordert.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.615,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 2.615,22 Euro.
Die 1941 geborene, bei der Beklagten versicherte D. C. (Versicherte) bezog ab 1. Juli 2001 eine Altersrente für Frauen und zusätzlich ab 1. Juli 2002 einen Hinzuverdienst aus einer Beschäftigung als Zeitungszustellerin. Dabei überschritt sie die zulässigen Hinzuverdienstgrenzen. Die Versicherte erhob gegen den von der Beklagten zwecks Erstattung der eingetretenen Überzahlung in Höhe von 5.230,45 Euro erlassenen Bescheid vom 14. Juli 2006 in der Fassung des Bescheides vom 27. Dezember 2006 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007 Klage vor dem Sozialgericht Fulda (ursprünglich S 2 R 175/07; nach Wiederaufruf S 1 R 264/11). Das Klageverfahren wurde nach dem Tod der Versicherten am 22. Mai 2009 von ihrem Ehemann geführt. Das Sozialgericht Fulda wies durch Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2012 die Klage ab. Nach dem Tod des Ehemannes der Versicherten am 5. Juni 2012 legte die gemeinsame Tochter, die laut Sterbefallanzeige neben dem Ehemann der Versicherten gesetzlich erbberechtigt nach dem Tod der Versicherten war, gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht (ursprünglich L 5 R 348/12; nach Wiederaufruf L 5 R 337/13) ein. Die Klägerin trat als weitere nichteheliche Tochter des verstorbenen Ehemannes nach Klärung der Rechtsnachfolge dem Rechtsstreit im September 2013 bei. Mit Urteil vom 29. Januar 2016 wies das Hessische Landessozialgericht die Berufung zurück. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Als Erbinnen hafteten die Klägerinnen für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus überzahlter Altersrente gegenüber der Beklagten gem. § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. §§ 1922, 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Gesamtrechtsnachfolger, was sich aus dem gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Fulda vom 16. Juli 2013 ergebe.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2016 forderte die Beklagte die Klägerin und die gemeinsame Tochter der verstorbenen Versicherten und ihres verstorbenen Ehemannes zur Zahlung auf und teilte mit, die Klägerin hafte zum Ausgleich der bestehenden Forderung gesamtschuldnerisch je zur Hälfte mit der weiteren Erbin. Während die gemeinsame Tochter zahlte, lehnte die Klägerin dies ab und erhob erbrechtliche Einreden wegen Dürftigkeit des Nachlasses der Versicherten und Unzulänglichkeit des Nachlasses, außerdem erhob sie die Einrede der Entreicherung und machte die Haftungsbeschränkung gern. § 780 Zivilprozessordnung (ZPO) und die Einrede der Verjährung geltend. Der Klagebeitritt sei erst mit Schriftsatz vom 4. September 2013 erfolgt, zu diesem Zeitpunkt sei die Verjährung schon eingetreten gewesen. Die Klägerin wies auch darauf hin, dass sie nicht Erbin der verstorbenen Versicherten geworden sei.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2016 forderte die Beklagte die Klägerin daraufhin erneut auf, den Betrag von 2.615,22 Euro zu zahlen. Rechtsgrundlage sei § 50 SGB X, maßgeblich sei das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2016. Die zu Unrecht gezahlten Rentenbeträge in Höhe von 2.615,22 Euro seien im Rahmen der Erbenhaftung gem. §§ 1922, 1967, 2032 ff. BGB zu zahlen. Als Teilerbin hafte die Klägerin gem. § 421 BGB als Gesamtschuldnerin. Demnach könne jeder Teilerbin nach Belieben zum Ausgleich der Forderung in Anspruch genommen werden, die Leistung jedoch nur einmal verlangt werden. Die Tochter der Versicherten habe den hälftigen Anteil überwiesen, so dass die Klägerin den genannten Betrag zu zahlen habe. Dagegen erhob die Klägerin am 28. Juni 2016 Widerspruch und trug ergänzend vor, ihr verstorbener Vater habe keinen Kindesunterhalt geleistet. Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 1. September 2016 den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 22. September 2016 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie mit der Versicherten weder verwandt noch verschwägert ge...