Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütungsanspruch bei Inanspruchnahme eines sich nicht im Angestelltenverhältnis befindlichen Arztes

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 2 Abs 1 S 1 KHEntgG verlangt nicht eine bestimmte Art der Rechtsbeziehung zwischen behandelndem Arzt und leistungserbringendem Krankenhaus.

2. Auch aus der Existenz des Belegarztsystems, das ein eigenständiges Abrechnungsverfahren umfasst, lässt sich nicht auf eine Beschränkung der Leistungserbringung des Krankenhauses nur durch eigenes Personal im Rahmen des § 109 Abs 4 S 1 SGB 5 schließen.

3. Daher können Leistungen iS des § 109 Abs 4 S 1 SGB 5 auch von nicht angestellten Ärzten erbracht werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.11.2015; Aktenzeichen B 1 KR 12/15 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 2011 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.165,91 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2006 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 8.165,91 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten versicherten Patienten D., geb. 1930, in Höhe von insgesamt 8.165,91 €.

Der Kläger betreibt ein Kreiskrankenhaus, das im Krankenhausplan des Landes Hessen u.a. mit der medizinischen Fachabteilung Chirurgie zugelassen ist.

Der Patient D. wurde dort im Zeitraum vom 4. bis 9. Juli 2006 vollstationär zur Behandlung von Bandscheibenschäden durch eine dorsale Spondylodese des 1. Segments versorgt. Die Operation wurde von dem niedergelassenen Neurochirurgen Dr. E. durchgeführt, der zu diesem Zeitpunkt in keinem Anstellungsverhältnis zum Krankenhaus stand. Ab April 2006 führte er allerdings neurochirurgische Bandscheibenoperationen im Krankenhaus durch. Seit 2007 ist Dr. E. hierfür mit 13 Wochenstunden beim Kläger angestellt.

Zum Zeitpunkt der Behandlung waren die Budgetverhandlungen des Klägers mit den Krankenkassen für das Jahr 2006 noch nicht erfolgt, sie wurden erst im April 2007 abgeschlossen. Neurochirurgische Behandlungen sind in ihr nicht enthalten. In den Budgetverhandlungen für das Jahr 2007 war die Erbringung neurochirurgischer Leistungen Verhandlungsgegenstand. Bei einer Begehung des klägerischen Krankenhauses am 14.05.2007 verlangte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Verbesserungen in der prä- und postoperativen Behandlung der neurochirurgischen Patienten und hielt bei Erfüllung dieser Forderungen die vorhandenen Strukturen des klägerischen Krankenhauses für akzeptabel. In der Budgetvereinbarung für das Jahr 2007 wurden in Folge dessen neurochirurgische Behandlungen aufgenommen.

Der Kläger berechnete für die Behandlung des Patienten D. die DRG-Fallpauschale 109C und stellte der Beklagten am 05.08.2006 einen Gesamtbetrag von 8.165,91 € in Rechnung. Diese verweigerte mit Schreiben vom 31.08.2006 die Kostenübernahme mit der Begründung, dass in den Budgetverhandlungen bisher keine Leistungen für Bandscheibenoperationen vereinbart seien und daher bis zur abschließenden Klärung durch die Planungsgremien keine Kosten übernommen werden könnten.

Die am 11.07.2007 erhobene Klage auf Zahlung der in Rechnung gestellten Behandlungskosten wies das Sozialgericht Darmstadt mit Urteil vom 31.08.2011 ab. Es fehle an einer Leistungserbringung durch den Kläger, die Voraussetzung für den Vergütungsanspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen bestehenden Krankenhausbehandlungsvertrag sei. Aus § 107 Abs. 1 SGB V folge, dass das Krankenhaus seine Leistungen durch eigenes Personal erbringen müsse. Werde die den Krankenhausaufenthalt als Hauptleistung bestimmende Operation durch einen niedergelassenen (Vertrags-)Arzt ähnlich einem Belegarzt erbracht, handele es sich nicht um eine Leistung des Krankenhauses.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er hält diese Rechtsauslegung für unzutreffend. § 107 Abs. 1 SGB V verlange nicht, dass das leistende Krankenhaus mit allen an der Leistungserbringung beteiligten Mitarbeitern einen Anstellungsvertrag geschlossen habe. Vielmehr seien auch andere Rechtsbeziehungen zulässig. Die materiellen Anforderungen - etwa dass jederzeit das ärztliche und weitere Personal verfügbar sein müsse - seien erfüllt. Dr. E. sei hierfür in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 2011 - S 10 KR 241/07 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.165,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält di...

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