Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzung einer Nachsorgeleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach langer Unterbrechung. Selbstbindung der Verwaltung
Orientierungssatz
1. Allein die Tatsache, dass eine intensivierte Rehabilitationsnachsorge-Leistung (IRENA-Leistung) auch aktuell noch einen positiven Effekt auf den Gesundheitszustand eines Versicherten hätte, reicht nicht aus, um einen für Leistungen der Nachsorge notwendigen Bezug zu einer bereits vor knapp vier Jahren beendeten Rehabilitationsmaßnahme aufrechtzuerhalten. Auf ein Verschulden des Versicherten an der Verhinderung der Teilnahme an einer zuvor bewilligten IRENA-Maßnahme, bei der der Bezug zur Rehabilitationsmaßnahme noch gegeben war, kommt es nicht an.
2. Für einen möglichen Anspruch aus Art 3 GG iVm einer Selbstbindung der Verwaltung ist es nicht ausreichend, dass die Gewährung der Leistung in das Ermessen des Leistungsträgers gestellt wird.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für Termine einer multimodalen „Intensivierten Rehabilitationsnachsorge“ (IRENA), hilfsweise die Bewilligung von 24 neuen Terminen.
Der 1975 in Bulgarien geborene Kläger nahm vom 30. Oktober bis 23. November 2018 an einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der M. Klinik D. in D-Stadt teil. Diagnostiziert wurden eine arterielle Hypertonie, Adipositas (BMI 37,7 kg/m²), ein schweres kombiniertes Schlafapnoesyndrom mit Hypopnoen sowie ein Verdacht auf eine soziale Phobie. Die Einrichtung empfahl der Beklagten am 18. Februar 2019 ein Nachsorgeprogramm in Form einer IRENA, die der Kläger am 29. März 2019 aufnahm. Der Kläger nahm an den ersten zwölf Terminen der IRENA teil. Der letzte Termin wurde am 25. Juli 2019 wahrgenommen. In der Folge begab sich der Kläger für einen Sommerurlaub in sein Heimatland Bulgarien.
Mit Email vom 24. August 2019 teilte der Kläger der Beklagte im Rahmen einer Terminabsage mit, dass seine Mutter in seinem Beisein bei einem Verkehrsunfall am 15. August 2019 in seinem Heimatland Bulgarien verstorben sei. Er stehe unter Schock und sei längere Zeit arbeitsunfähig. Er befinde sich noch in Bulgarien und kehre ca. Ende September zurück. Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass er das IRENA Sportprogramm mit ca. zwölf verbleibenden Sitzungen fortsetzen oder notfalls die kompletten 24 Sitzungen nochmals beginnen wolle. Beim geplanten Termin zur Fortsetzung am 30. August 2019 wäre eine Unterbrechung von fünf Wochen eingetreten. Die Beklagte antwortete dem Kläger dahingehend, dass eine Fortsetzung des IRENA-Programms im September nicht mehr möglich sei. Das Programm dürfe nur vier Wochen, in Ausnahmefällen maximal sechs Wochen, unterbrochen werden. Termine außerhalb dieser Frist würden von der Rentenversicherung nicht mehr übernommen werden. Der Kläger erneuerte mit Schreiben vom 26. August 2019 seinen Wunsch zur Fortsetzung der Maßnahme und bat um Anwendung einer Härtefallklausel.
Mit Bescheid vom 29. August 2019 lehnte die Beklagte die beantragte Verlängerung der IRENA-Maßnahme aufgrund einer länger als sechs Wochen andauernden Unterbrechung ab. Nach § 17 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei bei einer durchgehenden Unterbrechung von sechs Wochen die Fortführung von IRENA ausgeschlossen und führe zum Abbruch der Nachsorgeleistung. Eine Verlängerung des Zeitraums sei auch im Einzelfall leider nicht möglich.
Mit Email vom 25. September 2019 beantragte der Kläger weiterhin die Fortsetzung der restlichen Sitzungen seiner IRENA-Maßnahme ab dem 4. Oktober 2019. Er könne nichts dafür, dass die Unterbrechung statt fünf Wochen nun zehn Wochen gedauert habe. Der Kläger legte mit Schreiben vom 30. September 2019 nochmals ausdrücklich Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. August 2019 ein und trug vor, § 17 SGB VI enthalte keine Regelung, dass man nach einer Unterbrechung von sechs Wochen die IRENA Sitzungen nicht fortsetzen dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2019 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Verlängerung der IRENA sei abzulehnen, da diese nach einer länger als sechs Wochen andauernden Unterbrechung als abgebrochen gelte. Gemäß § 17 Abs. 1 SGB VI würden Nachsorgeleistungen im Anschluss an eine durch die Rentenversicherung durchgeführte Teilhabeleistung erbracht, wenn diese zur Sicherung des Rehabilitationserfolgs erforderlich seien. Nach § 17 Abs. 2 SGB VI würden die Leistungen aufgrund einer gemeinsamen Richtlinie der Träger der Rentenversicherung (Rahmenkonzept zur Rehabilitationsnachsorge) erbracht, welche Näheres zu den Zielen, den persönlichen Voraussetzungen und zu Art und Umfang der Leistungen regele. Gemäß Rahmenkonzept zur Re...