Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht der Fremdgeschäftsführerin in einer Familiengesellschaft
Orientierungssatz
Die zusammen mit ihrem Ehemann gleichberechtigte Geschäftsführerin einer Familiengesellschaft, die ihre Geschäftsanteile auf den Ehemann übertragen hat, damit keine Gesellschaftsanteile mehr besitzt (Fremdgeschäftsführerin) und mit der ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde, ist mindestens dann abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig, wenn auch die tatsächliche Handhabung der rechtlichen Gestaltung entspricht. Dazu gehören: Zahlung von Lohnsteuer, Buchung des angemessenen, festen Monatsgehalts als Betriebsausgabe, keine Befugnis, selbstständig Personal einzustellen und keine Kriterien, die für ein unternehmerisches Risiko sprechen. Die Gewährung eines Darlehens und die Abgabe von Grundschulderklärungen sind als familiäres Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens anzusehen.
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin seit dem 1. Januar 1999 bei der Beigeladenen zu 2. versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Klägerin machte im Steinmetzbetrieb ihres Vaters eine Ausbildung zur Bürokauffrau und war anschließend als kaufmännische Angestellte bei einem Zeitungsverlag tätig. 1991 gründete sie mit ihrem Vater (E.) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gegenstand des Unternehmens war ein Fliesen- und Steinmetzbetrieb. An diesem Unternehmen hatten die Klägerin einen Anteil von 90 % und ihr Vater einen Anteil von 10 %. Mit Mietvertrag vom 2. Januar 1991 vermietete die Klägerin der GbR zwei Häuser für den Geschäftbetrieb. Der Ehemann der Klägerin ist seit 1991 im Betrieb tätig. Nach Maurerlehre und Meisterprüfung studierte er Hochbautechnik und Betriebswirtschaft. Am 30. Dezember 1998 übertrug ihm die Klägerin ihren Anteil an der GbR.
Mit Übergabevertrag vom 30. Dezember 1998 übergab die Klägerin ihrem Ehemann die ideelle Hälfte von mehreren Betriebsgeländen bzw. -flächen. Mit Vertrag gleichen Datums errichteten die Eheleute die A. und F. GbR mit dem Zweck des Erwerbs, der Bebauung und Verwaltung von Grundbesitz (Anteile: Ehemann 51 % und Klägerin 49 %).
Mit Vertrag ebenfalls vom 30. Dezember 1998 gründeten Vater und Ehemann der Klägerin die G. Geschäftsführungs- und Verwaltungs-GmbH mit einem Grund- und Stammkapital in Höhe von 50.000,- DM. Hiervon brachten der Vater der Klägerin 500,- DM und der Ehemann der Klägerin 49.500,- DM ein. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind die Klägerin und ihr Ehemann. Sie haben die Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Maßnahmen der Geschäftsführer, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, bedürfen im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 5 des Vertrages). Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss (§ 9 des Vertrages).
Mit weiterem Vertrag vom 30. Dezember 1998 schlossen die G. Geschäftsführungs- und Verwaltungs-GmbH als Komplementärin sowie der Ehemann der Klägerin als Kommanditist die D. GmbH & Co. KG (= Beigeladene zu 2.). Der Ehemann der Klägerin brachte eine Kapitaleinlage in Höhe von 100.000,- DM durch Einbringung seiner Gesellschaftsanteile an der E. GbR ein. Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist die Komplementärin berechtigt und verpflichtet. Diese sowie deren Geschäftsführer sind für Geschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Soweit ein Kommanditist von seinem Widerspruchsrecht nach § 164 HGB Gebrauch macht, entscheiden auf Antrag der Komplementärin die Gesellschafter durch Beschluss über die Vornahme der Handlung (§ 6 des Vertrages). Gesellschafterbeschlüsse bedürfen hinsichtlich Vertragsänderungen und Gesellschaftsauflösung der Einstimmigkeit, im Übrigen der Mehrheit der stimmberechtigten Stimmen (§ 8 des Vertrages). Die Stimmanzahl richtet sich nach dem Kapitalanteil. Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt ebenfalls nach den Kapitalanteilen (§ 10 des Vertrages).
Mit Vertrag vom 30. Dezember 1998 vermietete die A. und F. GbR die Räume auf drei Grundstücken in A-Stadt an die Beigeladene zu 2. zum Betrieb des Fliesen- und Steinmetzbetriebs für einen monatlichen Mietzins in Höhe von 3.500,- DM.
Am 2. Januar 1999 schlossen die Beigeladene zu 2. und die Klägerin einen Arbeitsvertrag “zwischen Ehegatten/Angehörigen„. Hiernach verpflichtete sich die Klägerin ab dem 1. Januar 1999 für die Beigeladene zu 2. als kaufmännische Angestellte mit 37,5 Wochenstunden und einem Bruttogehalt von monatlich 3.800,- DM zu arbeiten. Ihr stehen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation und 30 Tage Urlaub jährlich zu.
Im Jahre 2002 verstarb...