Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. kein schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Anwendung der Wohngeldtabelle mit Zuschlag. Vermögensberücksichtigung. Lebensversicherung. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze durch den Grundsicherungsträger muss auf der Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145 und vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30).
2. Ein Konzept, das bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze lediglich die teuerste und die preiswerteste aller der Datenerhebung zugrunde liegenden Wohnungen berücksichtigt, ist nicht schlüssig.
3. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept, sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen bis zur Höhe der durch einen Zuschlag (10%) maßvoll erhöhten Tabellenwerte nach § 8 WoGG aF (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 25 und vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R aaO) zu übernehmen.
Orientierungssatz
Eine Kapitallebensversicherung ist gem § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 1 SGB 2 wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen, wenn die eingezahlten Beiträge den Verkehrswert (Rückkaufswert) um mehr als 35% übersteigen.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Berufungsverfahren noch höhere Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007.
Der Kläger bezieht von der Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) seit dem 1. Januar 2005. Er ist alleinstehend und bewohnt eine 68,12 m² große Wohnung.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von monatlich 876,55 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 28. Februar 2005. Auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfielen 531,55 Euro (Grundmiete 400,55 Euro, Vorauszahlungen auf die Betriebskosten 91,00 Euro und auf die Heizkosten 83,00 Euro). Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger zur Senkung der nicht angemessenen Unterkunftskosten auf. Im Fall des Klägers betrage die angemessene Miete nach der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) einschließlich Nebenkosten 370,00 Euro. Die Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe nur noch für sechs Monate anzuerkennen.
In der Folgezeit bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in dem bisherigen Umfang, und zwar mit Bescheid vom 22. Juni 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 und mit Bescheid vom 9. Dezember 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006. Mit Änderungsbescheid vom 26. Januar 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 30. Juni 2006 nur noch in Höhe von 760,00 Euro. Der Kläger sei mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 aufgefordert worden, seine Kosten der Unterkunft auf das angemessene Maß von bis zu 370,00 Euro zu senken. Da er keine ausreichenden Bemühungen nachgewiesen habe, würden die Leistungen nun gekürzt. Aufwendungen für Unterkunft und Heizung wurden nur noch in Höhe von 415,00 Euro anerkannt. Dem dagegen eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20. April 2006 ab und gewährte für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 Leistungen in der zuvor gewährten Höhe von 876,55 Euro monatlich.
Mit Schreiben vom 20. April 2006 forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Senkung seiner Unterkunftskosten auf. Sollte der Kläger keine ausreichenden Bemühungen um angemessenen Wohnraum nachweisen, würden die Unterkunftskosten ab dem 1. Juli 2006 auf die Höhe der angemessenen Kosten von 370,00 Euro einschließlich Nebenkosten gesenkt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von monatlich 760,00 Euro für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006. Auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfielen dabei 415,00 Euro. Zur Begründung wies Beklagte darauf hin, es könnten nur noch angemessene Unterkunfts- und Heizkosten berücksichtigt werden. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Juli 2006 Widerspruch, den er damit begründete, er habe sich auf dem Wohnungsmarkt umgesehen, habe aber keine günstigere Wohnung finden können. Dazu legte er verschiedene Zeitungsannoncen vor. Mit Schreiben vom 12. September 2006 forderte die Beklagte den Kläger auf, nähere Angaben zu den Zeitungsangeboten zu machen und nachzuweisen, dass er sich bei den Wohnungsämtern der Region wohnungssuchend gemeldet und Kontakt zu verschi...