Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung von Ermessen bei der Entscheidung des Sozialhilfeträgers über eine von einem behinderten Menschen beantragte Teilhabemaßnahme. Eingliederungshilfe. Ferienfahrt. Wirtschaftlichkeit. Begegnung mit nichtbehinderten Menschen. Vertrauensschutz
Orientierungssatz
1. Nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB 12 werden Leistungen nach § 55 Abs. 1 SGB 9 erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen. Nach § 58 SGB 9 umfassen die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen sowie Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, welche der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen.
2. Welche Leistung der Eingliederungshilfe im Einzelfall zu erbringen ist, steht im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Denkbar ist, dass eine Ferienfahrt für einen behinderten Menschen geeignet ist, die gesetzlichen Ziele zu erfüllen.
3. Nicht ersichtlich ist, dass eine Ferienreise als mehrtägige Fahrt das einzige hierfür geeignete Mittel ist. Ausreichend erscheint auch ein Tagesausflug. Der Sozialhilfeträger hat die gebotenen Leistungen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu erbringen. Bei mehreren geeigneten Maßnahmen ist die kostengünstigere zu bewilligen.
Normenkette
SGB XII § 53 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 55 Abs. 2 Nr. 7, § 58 Nrn. 1-2; SGB I § 39 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Ferienfahrt als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe (SGB XII).
Der 1953 geborene Kläger leidet ausweislich einer amtsärztlichen Stellungnahme des Dr. med. C., Gesundheitsamt C-Stadt, vom 5. August 2009 an einer leichten geistigen Behinderung, einer Alkoholabhängigkeit, einer Fehlernährung sowie an sozialer Isolation. Aufgrund des Zusammenwirkens dieser Krankheiten sei der Kläger als geistig wesentlich behindert im Sinne des Gesetzes anzusehen.
Der Kläger, der zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) erhielt, beantragte am 29. Juni 2009 die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form des Betreuten Wohnens. Der daraufhin erstellte "Integrierte Hilfeplan" (IHP) vom 7. Dezember 2009 für die Zeit vom 14. Dezember 2009 bis 30. Juni 2010 sieht als Eingliederungshilfe unter anderem die Einbindung des Klägers in den Freizeitbereich des D. E-Stadt durch Gespräche, Motivation zur Teilnahme an den Freizeitaktivitäten und gegebenenfalls Begleitung vor. Am 14. Dezember 2009 wurde der Kläger dann im "Betreuten Wohnen" der Einrichtung D. E-Stadt e.V. (nachfolgend D. E-Stadt) aufgenommen. Mit Bescheid vom 21. Januar 2010 gewährte der Beklagte ihm für den Zeitraum vom 14. Dezember 2009 bis 31. Juli 2010 darlehensweise Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Kontingents von 198 Fachleistungsstunden jährlich.
Ab dem 1. April 2010 erhielt der Kläger eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Hessen wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 702,76 Euro pro Monat netto. Daneben bezog er ab dem 1. August 2010 monatlich einen Betrag von 84,19 Euro aus einer privaten Rentenversicherung. Zudem wurde ihm - rückwirkend ab August 2009 - eine monatliche Rentenbeihilfe der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG in Höhe von 57,92 Euro zuerkannt.
Der IHP vom 15. Juni 2010 für die Zeit vom 1. August 2010 bis 30. Juni 2011 führt unter der Überschrift "Gestaltung sozialer Beziehungen" aus, der Kläger sei sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Er rede viel und gerne, was einige Personen auch abschrecken könne, weiter in Kontakt mit ihm zu bleiben. Derzeit habe er regelmäßigen Kontakt zu den pädagogischen Mitarbeitern des Vereins sowie zu einem Cousin und einem ehemaligen Arbeitskollegen. Weitere lose Kontakte habe er durch Besuche des Freizeitbereichs knüpfen können. Unter der Überschrift "Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben" wird mitgeteilt, dass der Kläger an kulturellen Veranstaltungen interessiert sei und auch immer wieder anfrage, ob die pädagogischen Mitarbeiter ihn zu diversen Veranstaltungen begleiten könnten. Weiter nutze er den Freizeitbereich des Vereins und finde es sehr schön, unter Leute zu kommen. Als Ziele der Eingliederungshilfe nennt der IHP unter anderem die Erweiterung des sozialen Umfeldes des Klägers und Kontakte zu anderen Klienten des Vereins durch Teilnahme am Freizeitbereich des D. E-Stadt und Begleitung zu anderen kulturellen Veranstaltungen.
Mit Bescheid vom 31. August 2010 gewährte der Beklagte ...