Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Umfang der Darlegungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten des Vertragszahnarztes
Orientierungssatz
1. Nach §§ 106a Abs 1, 72 Abs 1 S 2 SGB 5 prüfen die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung.
2. Der Umfang der Darlegungs-, Nachweis- und Dokumentationspflichten im vertrags(zahn)ärztlichen Abrechnungsrecht bestimmt sich nach den jeweiligen Voraussetzungen der Gebührenpositionen.
3. Der Auszug aus der elektronisch geführten Patientenkartei entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation.
4. Ergibt sich aus den vom Vertrags(zahn)arzt vorgelegten Unterlagen kein Nachweis für die nach der GOÄ 1982 geltend gemachten erbrachten Leistungen, so ist der Anspruch auf Vergütung der (zahn)ärztlichen Leistungen abzuweisen.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die KB-Abrechnung 1, 2 und 3/2009 im Behandlungsfall C. C. (KKH-Allianz) und hierbei noch über die Absetzung von Leistungen nach Nr. 40 (I) BEMA, 41a (L1) BEMA, 2702 GOÄ-82 und 8271 GOÄ-82 im Wert von noch 1.527,20 Euro.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnarzt, die übrigen beiden Mitglieder sind Zahnärzte. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Klägerin brachte mit Behandlungsplan vom 13. März 2008 (Bl. 14 - 24 VA) für die am 1983 geborene Patienten Frau C. C. im Rahmen einer kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Therapie Leistungen für eine bimaxilläre Umstellungsosteotomie zur Abrechnung. Die Operation führte sie am 19. Januar 2009 durch. In der Zeit bis zum 26. Januar 2009 wurden täglich Nachbehandlungen, weitere Nachbehandlungsmaßnahmen vom 28. Januar und 20. Februar 2009 mit Folgeplänen vom 6. Februar (Bl. 9 - 13 VA) und 10. März 2009 (Bl. 8 VA) abgerechnet, auf den Abrechnungsformularen findet sich ein Stempelaufdruck mit dem Text: „Achtung: Pos. Ä2702 ist nicht für die Abnahme der Verbandsplatten,“, der weitere Text: „sondern für das Aufdrehen und die Stabilisierung der Dehnapparatur“ ist jeweils handschriftlich gestrichen. Eine Nachbehandlung vom 4. März 2009 rechnete die Klägerin mit Behandlungsplan vom 5. März 2009 (Bl. 7 VA) ab.
Die Beklagte bat mit Schreiben vom 9. Februar 2009 (Bl. 2 VA) hinsichtlich der Abrechnungsfähigkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit um Stellungnahme zur KB-Abrechnung 1/2009. Fünf große Nachbehandlungskomplexe und ein chirurgischer Eingriff am selben Tag seien nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin erklärte hierzu mit Schreiben vom 7. Mai 2009, bei dem Eingriff am 19. Januar 2009 in Intubationsnarkose habe es sich um eine bimaxilläre Umstellungsosteotomie gehandelt, einem mehrstündigen Eingriff. Die Patientin sei im Aufwachraum zur Nachbeobachtung verblieben. Es sei dann zu einer Nachblutung gekommen, die gegen 17:00 Uhr behandelt worden sei. Gleichzeitig seien noch Wundbehandlungen im Ober- und Unterkiefer (getrennte Lokalisation) erfolgt. Gegen 20:00 Uhr sei dann eine ausgeprägte Schwellung im Bereich des linken Mittelgesichtes aufgefallen. Es sei sodann eine endonasale Kieferhöhlenrevision endoskopisch durchgeführt worden, um auszuschließen, dass es im Bereich der linken Kieferhöhle zu einer vermehrten Blutung gekommen sei. Gegen 21:00 Uhr sei dann eine erneute Wundkontrolle durchgeführt worden, um eine Blutung auszuschließen. Sie habe Wundbehandlungsmaßnahmen durchgeführt. Aufgrund der ausgeprägten Schwellung, die sich mittlerweile entwickelt gehabt hätte, hätten einzelne Drähte in das Zahnfleisch und in die Lippe der Patientin gedrückt. Hier hätten Änderungen an der Schuchardt-Schiene im Ober- und Unterkiefer vorgenommen werden müssen. Es habe sich hierbei um das Abbiegen von Drahthäkchen und um das Abdecken mit Kunststoff gehandelt. Um 22:00 Uhr habe sie dann eine erneute Untersuchung der Patientin vorgenommen. Es sei immer noch zu einer leichten Sickerblutung aus dem linken Nasenloch gekommen. Aus diesem Grunde sei Herr Dr. Dr. A. ohne Erbringung weiterer Leistungen zur Beobachtung bei der Patientin geblieben, bevor diese dann in den frühen Morgenstunden aus dem Aufwachraum hätte entlassen werden können.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 3. Juli 2009 alle Wiederholungen der Nr. 40 (insgesamt 8x) und 41a BEMA (insgesamt 2x) am Behandlungstag 19. Januar 2009 ab, ebenso alle Wiederholungen der Nr. 40 (insgesamt 3x) an diesem Behandlungstag im Rahmen der Nachbehandlung, da deren Notwendigkeit in Verbindung mit einem Eingriff in Allgemeinnarkose nicht gegeben sei. Ferner setzte sie den Ansatz der Nr. 2255 GOÄ-82 2x ab. Die Nr. 2691 GOÄ...