Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs-verfahrens unter Einschluss der dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses i.H.v. 2.170,07 € aufgrund einer Einzelfallprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 23220 (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 2012.
Der Kläger ist seit dem 8. April 1996 als psychologischer Psychotherapeut in A-Stadt unter der BSNR 42 69 855 niedergelassen und nimmt seitdem an der vertragspsychotherapeutischen/-ärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 informierte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen (PS) den Kläger über die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bezüglich der Quartale I/2012 bis IV/2012 bezogen auf die GOP 23220 EBM und erbat die Mitteilung eventuell bestehender Praxisbesonderheiten und kompensatorischer Einsparungen. Im Quartal I/2012 betrage die Überschreitung + 147,57 %, im Quartal II/2012 liege die Überschreitung bei + 152,68 %, im Quartal III/2012 ergebe sich eine Überschreitung von + 170,18 % und die Überschreitung habe im Quartal IV/2012 bei + 142,61 % - jeweils im Verhältnis zur maßgeblichen Fach-/Vergleichsgruppe der vollzugelassenen psychologischen Psychotherapeuten - gelegen. Zur Begründung der Überschreitungen wies der Kläger in seiner Stellungnahme vom 19. März 2015 darauf hin, dass er schwerpunktmäßig mit chronisch kranken Patienten, vornehmlich Schmerzpatienten und multimorbid erkrankten Menschen arbeite, die seit 2000 in steigendem Umfang in seine Praxis überwiesen würden. Die folgenden Diagnosegruppen seien insoweit zu nennen, die fachlich begründeten, aus welchen Gründen die Ziffer 23220 in dieser Höhe und in dieser Weise abgerechnet werden müsse: chronische Schmerzerkrankungen mit somatischen und psychischen Faktoren, Somatisierungsstörungen, Verhaltensprobleme und Complianceprobleme bei chronischen Erkrankungen, Ängste bei und nach somatischen Erkrankungen, somatische Erkrankungen mit psychischer Beteiligung, dermatologische Erkrankungen mit psychischer Beteiligung, Psychosen im schubfreien Intervall, dissoziative Störungen, seltene Erkrankungen oder unklare Diagnosen mit offenbar psychischer Beteiligung. Bei dieser Klientel sei, auch nach erfolgreichem Abschluss einer Behandlung, die Notwendigkeit einer niederfrequenten psychotherapeutischen Grundversorgung gegeben, um zeitnah Krisen abfangen zu können und dadurch Kosten einzusparen. Das Vorgehen, sich ausschließlich an den absoluten Abrechnungszahlen einiger Abrechnungsziffern zu orientieren, sei äußerst fragwürdig. Die in den Psychotherapie-Richtlinien (PT-RL) festgelegten Stundenkontingente für Verhaltenstherapie seien nicht für die Behandlung von multimorbiden chronischen Erkrankungen ausgelegt. Derartige Störungen könnten nicht in max. 60 Sitzungen geheilt werden. Die multimodale interdisziplinäre Behandlung erfordere einen längeren Betreuungshorizont. Hier biete die GOP 23220 EBM ihm folgende Möglichkeiten: Nach einer erfreulich verlaufenen ambulanten Therapie von 25 oder 45 Sitzungen könne er den Patienten durch die Übernahme in die psychotherapeutische Grundversorgung ein niederschwelliges Angebot machen, das helfe, evtl. Krisen zu überbrücken und stabil zu bleiben. Der Erfolg zeige sich besonders deutlich in der Verringerung der notwendigen Medikamente, weniger Krankenhausaufenthalten, weniger Arztbesuchen und besserer Bindung an die Behandler (Vermeidung von doctor hopping). Insgesamt bitte er um Anerkennung, dass der statistische „Gipfel“ der Anzahl der abgerechneten Gesprächsziffern 23220 EBM auch im Jahre 2012 nicht aus einem inflationären unkritischen Abrechnungsverhalten resultiere, sondern aus folgendem resultiere: dem durchschnittlichen Abrechnungsverhalten der Vergleichspraxen, den absoluten Fallzahlen pro Quartal und Praxis der Vergleichspraxen, seiner „Spezialisierung“ auf bestimmte Diagnosegruppen, dem veränderten Überweisungsverhalten der ärztlichen Kollegen, der zunehmenden Akzeptanz psychotherapeutischer Leistungen in der Öffentlichkeit, der verbesserten regionalen Vernetzung und dem steigenden Anteil von chronisch und multifaktoriell Erkrankten in der Gesellschaft. Aus ökonomischen Gründen habe er kein Interesse an der Ausweitung, da er aufgrund der viel zu geringen Honorierung einen wesentlich niedrigeren Quartalsumsatz hinnehmen müsse, als er ihn hätte, wenn er mehr antragspflichtige Leistungen pro Quartal abrechnen könne.
Die PS stellte eine Überschreitung bei den Ansätzen der GOP 23220 EBM im Vergleich zur Fachgruppe (FG) im Umfang eines so genannten „offensichtlichen Missverhältnisses“ fest und ...