Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Beschlüsse des Beschwerdeausschusses: Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Vertretbarkeit. Prüfmethoden. Psychotherapeutisches Gespräch
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufgrund der ihm zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielräume unterliegen die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, die sich inhaltlich auf die Prüfung bezieht, ob der angefochtenen Entscheidung ein zutreffender und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die Prüfgremien die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Wirtschaftlichkeit” ermittelten Grenzen eingehalten haben und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist – Vertretbarkeit -.
2. Die Auswahl unter verschiedenen Prüfmethoden liegt grundsätzlich im Ermessen der Prüfgremien. Die Prüfung nach Durchschnittswerten stellt wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand zwar die Regelprüfmethode dar. Soweit die Prüfung anhand von Durchschnittswerten der Arztgruppe nicht effektiv ist oder aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt, darf bzw. muss eine andere Prüfmethode gewählt werden.
3. Das Psychotherapeutische Gespräch nach der GOP 23220 EBM differenziert sich bezüglich des Personenkreises, Inhalts und der Zielrichtung im Blick auf probatorische Sitzungen, KZT und LZT aus, d.h. es handelt sich insoweit gerade nicht um identische Leistungsinhalte. Ob im Einzelfall entsprechende Indikationen gemäß den Leistungslegenden vorlagen, ist unter strikter Beachtung des fakultativen Leistungsinhalts zu entscheiden.
4. Inhalte des Psychotherapeutischen Gesprächs der GOP 23220 EBM können nicht in einem umfassenden Sinn verstanden werden; insoweit ist es sinnvoll, die Behandlungsdokumentation im Einzelfall in die Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer Einzelfallprüfung einzubeziehen und sich nicht allein die Behandlungsscheine des Klägers zugrunde zu legen, die hierüber keinerlei Auskunft erteilen.
Normenkette
SGB V § 12 Abs. 1, § 75 Abs. 1-2, § 87 Abs. 1, § 106 Abs. 2-3
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs-verfahrens unter Einschluss der dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses i.H.v. 2.170,07 € aufgrund einer Einzelfallprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 23220 (Psychotherapeutisches Gespräch als Einzelbehandlung) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 2012.
Der Kläger ist seit dem 8. April 1996 als psychologischer Psychotherapeut in A-Stadt unter der BSNR 42 69 855 niedergelassen und nimmt seitdem an der vertragspsychotherapeutischen/-ärztlichen Versorgung teil.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 informierte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen (PS) den Kläger über die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bezüglich der Quartale I/2012 bis IV/2012 bezogen auf die GOP 23220 EBM und erbat die Mitteilung eventuell bestehender Praxisbesonderheiten und kompensatorischer Einsparungen. Im Quartal I/2012 betrage die Überschreitung + 147,57 %, im Quartal II/2012 liege die Überschreitung bei + 152,68 %, im Quartal III/2012 ergebe sich eine Überschreitung von + 170,18 % und die Überschreitung habe im Quartal IV/2012 bei + 142,61 % - jeweils im Verhältnis zur maßgeblichen Fach-/Vergleichsgruppe der vollzugelassenen psychologischen Psychotherapeuten - gelegen. Zur Begründung der Überschreitungen wies der Kläger in seiner Stellungnahme vom 19. März 2015 darauf hin, dass er schwerpunktmäßig mit chronisch kranken Patienten, vornehmlich Schmerzpatienten und multimorbid erkrankten Menschen arbeite, die seit 2000 in steigendem Umfang in seine Praxis überwiesen würden. Die folgenden Diagnosegruppen seien insoweit zu nennen, die fachlich begründeten, aus welchen Gründen die Ziffer 23220 in dieser Höhe und in dieser Weise abgerechnet werden müsse: chronische Schmerzerkrankungen mit somatischen und psychischen Faktoren, Somatisierungsstörungen, Verhaltensprobleme und Complianceprobleme bei chronischen Erkrankungen, Ängste bei und nach somatischen Erkrankungen, somatische Erkrankungen mit psychischer Beteiligung, dermatologische Erkrankungen mit psychischer Beteiligung, Psychosen im schubfreien Intervall, dissoziative Störungen, seltene Erkrankungen oder unklare Diagnosen mit offenbar psychischer Beteiligung. Bei dieser Klientel sei, auch nach erfolgreichem Abschluss einer Behandlung, d...